Wenn Prozessbevollmächtigte nicht selbst zu einer mündlichen Verhandlung beim Prozessgericht anreisen können oder wollen, beauftragen sie eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, der oder die sie in dem Termin als Terminsvertreter vertritt. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Terminsvertretungen die Anwaltskarriere fördern können und was man dabei beachten sollte.
Die Entstehung von Terminsvertretungen
Bis zum Jahr 2001 waren Terminsvertretungen eher selten. Anwältinnen und Anwälte durften nur bei den für den Sitz der Kanzlei zuständigen Amts- und Landgerichten oder/und beim entsprechenden OLG auftreten. Wenn der Gerichtsstand und damit das Prozessgericht z. B. aufgrund der Regelungen der §§ 12–19a ZPO bei einem anderen Gericht lag, mussten Kolleginnen und Kollegen vor Ort die Klage einreichen und zum Gerichtstermin gehen. Üblich war die Beauftragung eines Verkehrsanwalts/Korrespondenzanwalts beim Wohnsitz des Mandanten, der die außergerichtliche Korrespondenz übernahm und dem Verfahrensbevollmächtigten Unterlagen und Informationen des Mandanten aufbereitete.
Mit dem Urteil vom 13.12.2000 – 1 BvR 335/97 des BVerfG wurde das Lokalisationsprinzip bei den Land- und Oberlandesgerichten aufgegeben. Seither dürfen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bundesweit bei allen Amts- und Landgerichten auftreten. Seit 2007 gilt das auch für Oberlandesgerichte. Die Beauftragung einer Verkehrsanwältin oder eines Verkehrsanwalts ist nur noch üblich in einem Revisionsverfahren am Bundesgerichtshof in Zivilsachen (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO). In der Regel werden heute Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte am Sitz der Partei als Prozessbevollmächtigte tätig und beauftragen ggf. bei auswärtigen Gerichtsterminen Terminsvertreter.
Wann ist eine Terminsvertretung zweckmäßig?
Contra – Terminsvertretung könnte weniger Kenntnisse zum Fall haben
Aus der Perspektive der Rechtsratsuchenden spricht erst einmal einiges gegen die Beauftragung von Unterbevollmächtigten. Wenn die Anwältin oder der Anwalt selbst zum Termin geht, die oder der den Fall seit langem betreut, die Klageschrift geschrieben und alle Details mit den Mandanten besprochen hat, braucht man in der Regel keine große Vorbereitungszeit für den Gerichtstermin. Die Mandanten haben die Sicherheit, dass wirklich alle relevanten Informationen und Hintergründe präsent sind. Oftmals gibt es auch eine persönliche Verbindung und ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Mandanten und der Anwältin oder dem Anwalt. Einige Fälle sind so komplex, dass die besondere Spezialisierung und Qualifikation, oder schlicht auch der Umfang der Akten oder die Bedeutung der Sache, gegen eine Beauftragung von Unterbevollmächtigten sprechen. Dann stellt sich die Frage, ob die oder der Unterbevollmächtigte wirklich motiviert und qualifiziert ist.
Pro – Terminsvertretung als Korrektiv
Bei den meisten Fällen lassen sich die vorstehenden Argumente ins Gegenteil verkehren. Terminsvertreter bekommen die Handakte des Prozessbevollmächtigten und müssen diese unmittelbar vor dem Termin neu lesen.
Sie prüfen nach dem Vier-Augen-Prinzip folgende Punkte:
- Vollständigkeit: Sind wirklich alle notwendigen Informationen und Beweisangebote in den Schriftsätzen für das Gericht enthalten?
- Nachvollziehbarkeit: Sind die rechtlichen Argumente schlüssig? Meist können sie auf eigene Erfahrungen zurückgreifen und Prozessbevollmächtigten wichtige Hinweise geben.
- Lücken in der Argumentation: Wenn Terminsvertreter Verständnisprobleme haben oder ihnen Lücken auffallen, fallen sie auch meist dem Gericht auf. Und wenn sie im Vorfeld solche Lücken mit dem Prozessbevollmächtigten diskutieren können, dann sind das oftmals sehr hilfreiche fachliche Diskussionen. So können Fehler vermieden werden.
- Perspektive des Gerichts: Gerade weil es im Ergebnis darauf ankommt, was das Gericht entscheidet und die Perspektive des/der neu beauftragten Anwalts/Anwältin der Perspektive des Gerichts ähnelt, kann das extrem hilfreich sein. Terminsvertreter haben meist einen „frischeren“ und unvoreingenommeneren Blick auf den Fall als die oder der Prozessbevollmächtigte.
Es bleibt noch die Frage, ob Unterbevollmächtigte wirklich motiviert und qualifiziert sind. Die Unterbevollmächtigten treten meist bei ihrem Heimatgericht auf. Dort kennen sie die Richter:innen und Kolleg:innen. Selbstverständlich müssen sie daher auch auf ihren Ruf achten.
Bei Anwältinnen und Anwälten ist die Übernahme von Terminsvertretungen begehrt und beliebt. Einerseits erschließen sie sich so ein zusätzliches Einkommen. Andererseits profitieren sie auch von den Erfahrungen der Prozessbevollmächtigten oder sammeln Fälle für ihre Fachanwaltsliste. Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl eines Terminsvertreters ist daher die Qualifikation, aber auch die Bewertungen, die sie von anderen Anwältinnen und Anwälten erhalten haben. Da die Terminsvertreter das wissen, sind sie natürlich bemüht, neue gute Bewertungen zu erhalten. Wenn es wirklich einmal in der mündlichen Verhandlung auf ein Detail ankommt, das die oder der Unterbevollmächtigte nicht kennt, wird die Unterbrechung der Verhandlung beantragt und fernmündlich beim Prozessbevollmächtigten nachgefragt.
Fazit: In den meisten Fällen ist die Beauftragung einer Terminsvertretung vorteilhaft.
Ab welcher Entfernung lohnt es sich wirtschaftlich, eine Terminsvertretung zu beauftragen?
Nehmen wir an, die Unterbevollmächtigten erhalten 100 Euro. Nehmen wir weiter an, die Prozessbevollmächtigten haben ihrerseits einen Stundensatz von 100 Euro. Der Einfachheit halber nehmen wir zudem an, dass der Kommunikationsaufwand mit der Terminsvertretung in etwa der Vorbereitungszeit für den jeweiligen Gerichtstermin entspricht. Die Benzinkosten für die Anreise mit dem Auto betragen 0,30 Euro/km und die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 60 km/h. Ab einer Entfernung von mehr als 12,71 Kilometern zwischen Kanzleisitz und dem Gericht sind die Kosten für die Unterbevollmächtigten höher als die Anreisekosten und der Verdienstausfall. Wenn Sie eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h annehmen, was z. B. in Berlin eher zu erreichen ist, wenn man sich an die Verkehrsregeln hält, lohnt sich die Beauftragung von Terminsvertretern bereits ab einer Entfernung von 6,88 Kilometern. Darüber hinaus gibt es natürlich Schöneres, als Zeit im Stau zu verbringen und auch der fachliche Austausch mit Unterbevollmächtigten ist nicht zu verachten. Wenn Sie noch bedenken, dass bei einer Fahrt über z. B. 19,23 Kilometer, bei einem CO2-Ausstoß von 160 g/km, auch 3,08 kg CO2 ausgestoßen würde, spricht nicht mehr viel gegen die Beauftragung von Kolleginnen und Kollegen vor Ort.
Wie finde ich eine Terminsvertretung?
Sie könnten ein eigenes Netzwerk von Korrespondenzanwältinnen und -anwälten aufbauen, wenn Sie genügend Geduld und ausreichend viele Gerichtstermine haben. Sie könnten ins Telefonbuch oder auf Webseiten im Internet recherchieren, auf denen Kolleginnen und Kollegen für Terminsvertretungen gelistet sind. Auch über Google Maps lässt sich herausfinden, welche Kanzleien in der Nähe des Gerichts liegen. Diese könnte man anschließend telefonisch kontaktieren. Hier ist ein wenig Geduld und Zeit gefragt. Wenn das Sekretariat Sie einmal durchgestellt hat, sollten Sie zunächst die grundsätzliche Bereitschaft abfragen. Dann wird über den Fall und die Verfügbarkeit zum Termin diskutiert. Nicht zuletzt muss der Preis verhandelt werden. Von vielen Kolleginnen und Kollegen sind noch die Grundsätze der hälftigen Teilung aller anfallenden Gebühren verinnerlicht, wie sie vor dem Urteil vom 13.12.2000 – 1 BvR 335/97 des BVerfG zum Wegfall das Lokalisationsprinzips üblich waren. Manche reagieren daher verärgert, wenn man ein abweichendes Honorar anbieten möchte. Zur Not müssen Sie derartige Gespräche mehrfach führen. Dass in einem solchen Gespräch oftmals Ablauf, Haftungsverteilung u. Ä. nicht mehr thematisiert werden, liegt auf der Hand.
Sie könnten aber auch einen Gerichtstermin über ein Internetportal ausschreiben und die Angebote der Kolleginnen und Kollegen, die sich dann melden, prüfen. Bei AdvoAssist können Sie zum Beispiel auf ein Netzwerk von mehr als 10.000 Anwältinnen und Anwälten zugreifen und es gibt keine Gebühren für den Prozessbevollmächtigten.