Stundenvereinbarung

Von Peter Schönberger

Gerade bei Mandaten, die sehr zeitaufwendig sind, lohnt sich für die Anwältin oder den Anwalt oftmals eine Abrechnung nach RVG nicht. Dennoch versäumen es viele Kolleginnen und Kollegen, mit ihren Mandanten Stundenvereinbarungen zu treffen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Sie liegen jedoch größtenteils in fehlendem Verhandlungsgeschick, zu dem sehr viel mehr Aspekte gehören als nur „gut reden“ zu können. Nachfolgend einige kurze Tipps aus verhandlungstaktischer Sicht, um dies zu ändern:

Das eigene Mindset

Wenn Sie selbst nicht daran glauben, dass eine Stundenvereinbarung für beide Seiten eine Win-win-Situation darstellt, dann wird es Ihnen schwerfallen, diese zu verkaufen. Sie und Ihr Mandant wollen den Fall gewinnen. Dies setzt auch voraus, dass Sie den für den Sieg notwendigen Aufwand in den Fall stecken. Nach dem Prinzip des „Quid pro Quo“ sollte mehr Aufwand teurer sein, andernfalls werden Sie diesen Aufwand eventuell nicht in notwendigem Umfang betreiben. Machen Sie sich selbst klar, dass Sie dem Mandanten mit der Stundenvereinbarung helfen und nicht schaden und glauben Sie auch wirklich daran. Betriebswirtschaftlich können Sie in einem RVG-Mandat nur einen bestimmten Umfang an Zeit (Ihrem höchsten Gut) investieren. Es geht hier also um eine Qualitätsfrage, auch wenn dies oftmals nicht offen ausgesprochen wird.

Ein weiterer Punkt: Wenn Sie in einer Verhandlung eine bestimmte Position durchsetzen wollen, dann ist es von entscheidender Bedeutung, dass Sie sich zuvor eine sog. BATNA (Best Alternative to a Negotiated Agreement), also einen Plan B erarbeiten. Ein Plan B stärkt das eigene Mindset und Sie werden deutlich durchsetzungsstärker, wenn es um Plan A geht.

Plan A ist hier die Stundenvereinbarung, aber was wäre Plan B? Dieser kann hier nur sein, das Mandat eben nicht anzunehmen. Sollte schon ein Beratungsgespräch stattgefunden haben, dann sieht hierfür das RVG ohnehin eine Erstberatungsgebühr vor. Gehen Sie also in das Gespräch mit der klaren BATNA, das Mandat ohne Stundenvereinbarung schlicht abzulehnen. Ich weiß selbst aus meiner früheren Existenzgründungszeit, wie schwer das ist. Hier ist Selbstdisziplin gefragt!

Schaffen Sie „Rapport“

Die ersten Minuten des Kennenlernens sind für das eigene positive Verhandlungsergebnis von entscheidender Bedeutung. Wenn der Mandant Sie als „seinesgleichen“ akzeptiert und Sie beide sich ähneln (sog. „Rapport“) dann fällt es Ihnen sehr viel leichter, schwierige Punkte durchzusetzen. Diese Gleichschaltung beginnt mit der Entdeckung gemeinsamer Interessen und Hobbys und reicht bis zu ähnlichen Gesten, Körperhaltungen und sogar einer ähnlichen Sprechgeschwindigkeit. Ist Ihr Mandant Fan von Schalke 04, dann können Sie sich z. B. ruhig als BVB-Fan outen, denn die Gleichschaltung liegt in dem gemeinsamen Interesse für Fußball. Smalltalk ist in den ersten Minuten wichtig. Zu vermeiden sind dann jedoch Gespräche über Politik, Glaubensfragen oder familiäre Themen. Hier könnte der Rapport sehr schnell zu Ende sein.

Das Ausmaß des Rapport-schaffenden Smalltalks hängt vom Typus des Mandanten ab. Ein Pragmatiker will schnell zur Sache kommen, ein extrovertierter geselliger Mensch schätzt die lange Aufwärmphase. Erkennen Sie, welchen Typen Sie vor sich haben und passen Sie sich an.

Nicht Masse, sondern Klasse ausstrahlen

Weiterhin entscheidend ist es, wie Sie vom Mandanten wahrgenommen werden. Türmen sich in Ihrer Kanzlei die Akten und geben sich die Mandanten die Klinke in die Hand, dann wird man Sie eher als „Abarbeiter“ von vielen einzelnen Mandaten im „Massegeschäft“ wahrnehmen. Dies hilft Ihnen nicht gerade bei der Durchsetzung einer Stundenvereinbarung. Besucht Sie ein potenzieller neuer Mandant, so sollte dieser keine einzige Akte zu Gesicht bekommen. Die Atmosphäre in der Kanzlei sollte Gelassenheit ausstrahlen und schon bei der Terminvereinbarung sollte der Mandant nicht das Gefühl bekommen, sich in eine lange Reihe einordnen zu müssen. Sie strahlen damit aus, dass der Mandant individuell auf hohem Niveau betreut wird. Eine Stundenvereinbarung lässt sich damit leichter abschließen.

Angst vor fehlender Transparenz nehmen

Beim Gespräch über die Honorierung ist es wichtig, dem Mandanten ein Gefühl dafür zu geben, was eine Stundenvereinbarung für ihn bedeutet. Zeigen Sie unverbindlich den Kostenrahmen auf. Zeigen Sie auf, dass der Mandant transparent über regelmäßige Stundenaufstellungen und auch vorab bei aufwandsintensiven Tätigkeiten über die entstandenen und entstehenden Kosten informiert wird. Dies alles gibt dem Mandanten Sicherheit und Vertrauen darauf, die Kontrolle über sein Geld zu behalten.

Das Timing

Ihr Verhandlungspartner wird generell eher bereit sein, sich auf eine Stundenvereinbarung einzulassen, wenn er bereits Aufwand in Ihre Mandatierung gesteckt hat. Hintergrund hierfür ist eine Untersuchung in einem Vergnügungspark, in dem an zwei gleichwertigen Fahrgeschäften jeweils die Schilder „Wartezeit ab hier: 45 Minuten“ standen. Bei einem Fahrgeschäft stand das Schild direkt am Eingang, bei dem anderen Fahrgeschäft erst nachdem die Besucher bereits 20 Minuten gewartet haben. Von diesen nahmen wesentlich mehr Personen die Wartezeit in Kauf, da sie ja schon Aufwand betrieben hatten. Schwierige Verhandlungspunkte, wie etwa eine Stundenvereinbarung, sollten Sie daher erst ansprechen, wenn der Mandant bereits Unterlagen vorbereitet, die Reise zu Ihnen angetreten und Sie im Erstgespräch in den Fall eingeführt hat.

Fazit: Mindset – nicht juristisches Fachwissen – bestimmt Verhandlungserfolg

Viele Kleinigkeiten bestimmen Ihren Verhandlungserfolg. Diese liegen teilweise in Ihrer eigenen Grundhaltung, Ihrer Kanzleiorganisation und auch in Ihrer Fähigkeit, den Mandanten richtig zu „lesen“. All dies sind Erfolgsfaktoren, die mit der eigentlichen juristischen Tätigkeit nichts zu tun haben. Wer diese Faktoren des Eigenmarketings nicht beherrscht, wird auch bei hoher fachlicher Kompetenz sein Potenzial niemals voll ausschöpfen können.

Zusammenfassung – so setzen Sie eine Stundenvereinbarung durch:

  1. Arbeiten Sie an Ihrem Mindset: Machen Sie sich selbst klar, dass Sie dem Mandanten mit der Stundenvereinbarung helfen und nicht schaden.
  2. Legen Sie sich vor dem Gespräch einen Plan B zurecht.
  3. Lernen Sie Ihren Mandanten gut kennen und finden Sie gemeinsame Interessen.
  4. Geben Sie Ihrem Mandanten das Gefühl, dass er wichtig ist.
  5. Informieren Sie Ihren Mandanten vorab transparent über die Kosten der Stundenvereinbarung.
  6. Sprechen Sie die Stundenvereinbarung erst an, wenn der Mandant bereits Zeit investiert hat (z. B. wenn er die Reise zu Ihnen angetreten hat).
Peter Schönberger
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Peter Schönberger studierte Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Nach dem Staatsexamen arbeitete er einige Jahre als Repetitor für Zivilrecht und Gesellschaftsrecht sowie in einer internationalen Kanzlei. Herr Schönberger verhandelte viele Jahre internationale M&A Deals als Leiter einer Konzernrechtsabteilung und ist heute insbesondere im Gesundheitswesen als Personalberater und Coach für Führungskräfte tätig.

 

Foto: Adobe.Stock/©only_kim

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