Deckungsabsagen durch Rechtschutzversicherungen werden in letzter Zeit immer häufiger. Geplagt von unvorhersehbaren Entwicklungen (zum Beispiel beim sog. „Widerrufsjoker“ oder „Dieselskandal“) werden auch die Versicherungen immer kreativer bei der Anpassung der ARB oder Erfindung neuer Ausschlussgründe. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, gegen eine Deckungsabsage vorzugehen – hier die Optionen im Überblick.

Im Anwaltsblatt wurde bereits Anfang des Jahres 2020 von dem Trend berichtet, dass Anwältinnen und Anwälte zunehmend durch Versicherungen unter Beschuss geraten. Sie werden vermehrt von den Versicherungen angegangen, um sich wegen vermeintlich aussichtsloser Prozesse an ihnen schadlos zu halten.

Dabei ist der zentrale Sinn und Zweck einer Rechtsschutzversicherung natürlich, Versicherungsnehmern den Zugang zum Recht zu erleichtern. Da eine Rechtsschutzversicherung auch für die Anwältin oder den Anwalt selbstverständlich als Kostenträger eine Erleichterung darstellt, zumal Versicherungen grundsätzlich liquide sind, möchte ich im folgenden Beitrag nicht die Probleme, sondern mögliche Lösungen im Umgang mit Versicherungen aufgreifen.

Ein Blick auf die häufigsten Gründe für eine Deckungsabsage lässt folgende grobe Zusammenfassung der Kategorien zu:

  • Ausschlussklauseln
  • Vorerstreckungsklauseln bzw. Zeitpunkt des Rechtsschutzfalls und
  • Deckungsabsage wegen mangelnder Erfolgsaussichten

Ausschlussklauseln

Nach ständiger Rechtsprechung des für Versicherungssachen zuständigen vierten Senats des BGH gilt bei Risikoausschlussklauseln eine enge Auslegung.

Dabei führt das Interesse des Versicherungsnehmers dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet; so zum Beispiel BGH, Urteil vom 17.12.2008 – IV ZR 9/08.

Der Senat führt dazu in Rn. 17 unter anderem aus:

„Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht.  
[….]
Dem Versicherungsnehmer muss schon in der Klausel oder im engen textlichen Zusammenhang damit unmissverständlich vor Augen geführt werden, dass bei Vorliegen bestimmter Umstände oder Nichtbeachtung ihm auferlegter Sorgfaltspflichten der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist.“

(Hervorhebungen durch die Autorin)

Dementsprechend sind unter diesem Blickwinkel die Ausschlussklauseln der Versicherung zu betrachten. Kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer den Klauseln deutlich entnehmen, dass sein Fall von der Versicherung nicht gedeckt wird? So hat der BGH beispielsweise bereits entschieden, dass der Versicherungsnehmer nicht wissen muss, was die „Grundsätze der Prospekthaftung“ oder „Effekte“ im Einzelnen sind. Daher erachtet der BGH entsprechende Klauseln für unwirksam (Urteile des BGH vom 08.05.2013 – IV ZR 84/12, IV ZR 174/12).

Vorerstreckung bzw. Zeitpunkt des Rechtsschutzfalls

Häufig ergeben sich Streitigkeiten zwischen Vertragsparteien erst im Laufe der Zeit. Wenn aber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Rechtsschutzversicherung noch nicht abgeschlossen war, verweisen Rechtsschutzversicherungen in der Regel auf die sog. „Vorerstreckungsklauseln“ in ihren ARB. Zu dem Ablehnungsgrund „Vorerstreckungsklausel“ (hier konkret: § 4 III a) ARB 2008) hat der BGH im Urteil vom 04.07.2018 – IV ZR 200/16 ausführlich Stellung genommen und die betreffende Klausel als intransparent und demnach gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB als unwirksam erachtet.

Dabei stützt sich der BGH hier zusätzlich zu der oben bereits erläuterten ständigen Rechtsprechung zu den Risikoausschlüssen auch auf das Transparenzgebot im Allgemeinen. Das Transparenzgebot verlangt, dass die Rechte und Pflichten klar und durchschaubar dargestellt werden. Dabei gebieten Treu und Glauben, dass insbesondere wirtschaftliche Nachteile und Belastungen erkennbar sind, d. h., deutlich vor Augen geführt werden müssen, vgl. dazu auch BGH-Urteil vom 09.05.2001 – IV ZR 121/00.

Deckungsabsage wegen mangelnder Erfolgsaussichten

Die ständige Rechtsprechung zu diesem Ausschlussgrund richtet sich nach den zu § 114 ZPO entwickelten Grundsätzen, BGH-Urteil vom 19.02.2003 – IV ZR 318/02.

Dies wurde bereits im BGH-Urteil vom 16.09.1987 – IVa ZR 76/86 damit begründet, dass die wortgetreue Übernahme der Definition der sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (früher gleichlautend für die Bewilligung von Armenrecht) aus § 114 Abs. 1 ZPO in § 1 Abs. 2 ARB unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass die Rechtsschutzversicherer unter eben den sachlichen Voraussetzungen Versicherungsschutz gewähren wollen, unter denen eine Partei Prozesskostenhilfe (früher Armenrecht) beanspruchen kann, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozessführung nicht aufzubringen vermag.

Danach muss der Standpunkt des Versicherungsnehmers zumindest vertretbar sein. D. h., es muss als zumindest möglich erscheinen, dass der Versicherungsnehmer den Beweis führen kann. Dabei muss die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsnehmer mit seinem Klagebegehren durchdringt, zumindest genauso groß sein wie die Wahrscheinlichkeit eines negativen Ausgangs des anvisierten Vorgehens (vgl. dazu auch das Urteil des LG Hamburg vom 09.08.2019, 332 O 149/18). Insbesondere darf die Rechtsschutzversicherung nicht eine etwaige Beweisaufnahme vorwegnehmen und Beweise würdigen.

Kreativer Umgang mit den AGB-Basics als Argumentationshilfe

Im Grunde kommen hier immer wieder die Grundlagen der AGB-Kontrolle zum Tragen, so dass man sich bei problematischen Klauseln immer wieder fragen sollte, ob der durchschnittliche Versicherungsnehmer dies hätte so verstehen können: War die entsprechende Klausel klar und deutlich genug? Wurde ausdrücklich auf Nachteile hingewiesen? Letztendlich stellt sich auch die Frage, ob die Anforderungen an die Erfolgsaussicht hier nicht überzogen sind.

Genauso wie eingangs erwähnt wurde, dass die Versicherungen kreativ werden, bleibt der Rechtsanwältin bzw. dem Rechtsanwalt im Zweifel auch der kreative Umgang mit den Basics, sofern diesbezüglich noch keine Rechtsprechung zu finden ist.

Berufsrechtlicher Blick

Der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin ist bei Deckungsabsage durch die Rechtschutzversicherung verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Absage zu überprüfen. Sofern sich die Absage auf die mangelnde Erfolgsaussicht beruft, muss geprüft werden, ob ein Stichentscheid zu erfolgen hat.

Ein Stichentscheid ist sehr aufwendig und in den meisten Fällen jedoch erfolglos, was daraus resultieren könnte, dass die Versicherung die Kosten hierfür zu tragen hat (unabhängig von der Entscheidung).

Weiterhin könnte auch eine Entscheidung des Ombudsmannes für Versicherungen herbeigeführt werden.

Pragmatischer Umgang

Erfahrungsgemäß gibt es nach einer Deckungsabsage folgende Möglichkeiten:

Nachdem die Anwältin oder der Anwalt die Deckungsabsage geprüft hat und den Mandanten über die Möglichkeit eines Stichentscheides sowie die Erfahrung mit den Erfolgsaussichten dessen informiert, geht oftmals der Mandant selbst noch mal auf die Versicherung zu und versucht, als Kunde eine Kulanzregelung durchzusetzen.
Dies kann, je nachdem, ob der Mandant einen entsprechend motivierten Makler mit einschaltet, zum Erfolg führen.

Die oben zitierte Rechtsprechung zeigt unter anderem, dass auch eine Deckungsklage erfolgsversprechend ist, sofern dem Mandanten die Ansprüche nicht zu verjähren drohen und dazu ausreichend Zeit bleibt.

Bevor man die Deckungsklage erhebt, sollte man es, wie immer, auch außergerichtlich versuchen. Meiner Erfahrung nach führt es sehr oft zum Erfolg, wenn man mit den oben erwähnten Grundsätzen nach der Deckungsabsage noch mal argumentiert und dann schon eine Deckungsklage ankündigt. Da diese Situation für die Versicherung teurer ist, ist die Chance, dass eine Deckung im zweiten oder dritten Anlauf erfolgt, sehr groß.

Diese Alternative ist insbesondere für spezialisierte Anwältinnen und Anwälte nicht zu unterschätzen, da die Versicherungen sich hier immer wieder denselben Ablehnungen für das jeweilige Rechtsgebiet bedienen. Im Laufe der Zeit gewinnt der spezialisierte Anwalt oder die spezialisierte Anwältin somit immer mehr Erfahrungen darin, welche Argumente im jeweiligen Rechtsgebiet häufiger verwendet werden. Wenn man nicht sofort aufgibt, lernt man im Laufe der Zeit, womit man bei den Versicherungen argumentieren kann.

Das macht die Arbeit zum einem effizienter, zum anderen kann man das weitere Vorgehen im Vorfeld nicht nur gegenüber dem Gegner, sondern auch gegenüber dem Mandanten, erläutern. Dies stärkt das Vertrauen und die Wahrnehmung der anwaltlichen Kompetenz des Mandanten.

Fazit – bei Deckungsabsage nicht gleich aufgeben!

  • Wenn noch keine Rechtsprechung zum konkreten ARB vorliegt, reicht die Argumentation mit den AGB-Basics. Insbesondere das Transparenzgebot und das Argument „keine Vorwegnahme der Hauptsache“ im Blick behalten.
  • Nicht sofort akzeptieren – kreativ werden mit den oben erläuterten Grundsätzen.
  • Ernsthaft eine Deckungsklage prüfen und androhen.
Foto: Adobe.Stock/©xyz+

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