Anwaltsfortbildung

Im Zuge der Coronakrise müssen sich immer mehr Anwältinnen und Anwälte Gedanken darüber machen, ob sie auf das Arbeiten außerhalb der Kanzlei, auch auf „Remotes Arbeiten“, umsteigen dürfen und können. In Ihrem Podcast „Du bist. Laute(r) Impulse für Deinen Kanzlei-Alltag“ spricht Sina Töpfer über das Arbeiten aus der Ferne  – mit Arno Lampmann, der Partner einer Kölner Medienrechtskanzlei ist und einen dauerhaften Wohnsitz in den USA hat. Er praktiziert schon seit über zehn Jahren digitales Arbeiten – hier die Highlights des Podcast und Herr Lampmanns Tool-Empfehlungen.

Sina Töpfer: Herr Lampmann – ich freue mich sehr, dass Sie heute da sind. Wir sprechen über das digitale Arbeiten, was Sie seit zehn Jahren praktizieren. Sie sitzen jetzt nicht in Köln, sondern in den USA. Herzlich willkommen.

Arno Lampmann: Ja genau, ich bin seit zehn Jahren nicht mehr vor Ort in Köln – natürlich manchmal, aber im Moment auf jeden Fall an der Westküste der USA – und wie unser Gespräch zeigt: Mit modernen Kommunikationsmitteln bestens verbunden.

Sina Töpfer: Als Sie vor zehn Jahren gestartet sind, haben Sie doch bestimmt das ein oder andere vermisst, was es heute an Tools im digitalen Arbeiten gibt. Wie war das so am Anfang?

Arno Lampmann: Nach meiner nicht geschäftlich motivierten Entscheidung, in die USA zu gehen, sind erst einmal Engpässe entstanden: Einige Mandanten habe sich gewundert – haben gedacht, der Partner der Kanzlei ist jetzt nicht mehr vor Ort. Wenn man jetzt zurückblickt, merkt man ja schon, dass sich vieles geändert hat in der Kommunikation und auch in der Arbeitswelt in Deutschland. Ja und da saß ich auf einmal – damals in Oregon 2009 – und musste mir ein Homeoffice aufbauen. Was hieß, dass ich erst mal gar keinen Zugriff hatte auf Akten, das musste ich mir alles mit VPN-Tunnel und anderer EDV einrichten und das habe ich erst mehr schlecht als recht einfach mal gemacht.

Sina Töpfer: Verstehe. Mit was haben Sie vorzugsweise gearbeitet?

Arno Lampmann: Ich meine, Skype hat es damals schon gegeben und ich hatte einen Telefon-Account, der international war. Das Problem war damals noch eine Umleitung. Man will ja nicht unbedingt, wenn man mit deutschen Mandanten spricht, sagen: „Hey, ich bin in den USA und es ist ganz kompliziert“, sondern man will das ja möglichst einfach für sie halten. Damals hatte ich noch keine Umleitung auf eine deutsche Telefonnummer. Es war wie gesagt der VPN-Tunnel, mit dem man natürlich auch auf die Akten im Anwaltsprogramm zugreifen konnte.

Sina Töpfer:  Als Sie dann nach Amerika gegangen sind, war das Büro ja quasi schon aufgebaut.

Arno Lampmann: Ja das war das Schöne, das war natürlich schon wichtig, dass ich da eine Base hatte in Köln, wo ganz normale tagtägliche Bürovorgänge erledigt werden konnten. Eine Herausforderung war natürlich noch die schriftliche Kommunikation und das ist heute zum Beispiel mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) anders. Jetzt kann ich alles elektronisch machen, außer Anwaltsrechnungen, die müssen glaube ich immer noch im Original unterzeichnet werden.

Digitales Arbeiten zwingt zu reibungsloser interner Kommunikation

Seit der Einführung des beA mache ich alles hier mit meinem Card-Reader, das ist mittlerweile super geregelt. Das Remote Arbeiten ist allerdings für viele Anwälte bereits Alltag. Es gibt Rechtsanwaltsparten, zum Beispiel Strafrechtler, die sind fast nur unterwegs – auf Hauptverhandlungen und so weiter. Die brauchen auch in Deutschland ein ganz effizientes und gut funktionierendes Sekretariat.

Es ist häufig spannend, wenn ich einen komplizierten Fall habe, wenn die mündliche Verhandlung stattfindet. Man kann sehr gut gearbeitet haben: Auf hoher See, und vor Gericht ist man dann dennoch in Gottes Hand. Dann geht der Termin um zehn Uhr los. Das ist dann bei mir 1 Uhr nachts – und wenn ich da schlafen soll, wenn ein spannender Fall gleichzeitig in Köln verhandelt wird, wird es natürlich schwierig. Da muss man sich dann einfach zwingen und auch Vertrauen auf die Mannschaft aufbauen. Deswegen ist das Team immer sehr wichtig!

Man muss sehr diszipliniert arbeiten, was man ja eigentlich sowieso sollte. Deswegen zwingt einen das zu einem sehr positiven, effizienten Arbeiten, weil mein Assistent und die Mannschaft die Anweisung so genau brauchen, dass sie nicht nachfragen müssen. Die können ja nicht zu mir ins Büro kommen und fragen: Wie hast du das hier gemeint? Man muss sehr, sehr effizient und vor allem auch genau arbeiten, damit alles reibungslos läuft. Eigentlich ja Attribute, die man auch grundsätzlich anstreben sollte.

Remote Arbeiten ist vorausschauendes Arbeiten

Sina Töpfer: Das Remote Arbeiten ist ein Arbeiten, wo man mögliche Fragen einkalkuliert, die ein Team oder ein Mandant eben auch haben kann, und die man eigentlich schon vorausschauend durchdacht haben muss, um sie dann vorweg, bevor sie überhaupt gestellt werden können, zu beantworten.

Arno Lampmann: Das steigert auch die Qualität der Arbeit, weil man natürlich rechts und links vielleicht auch noch Sachen sieht, die man bei einer anderen Verfahrensweise gar nicht gesehen hätte. Das steigert tatsächlich die Sorgfalt, Umsichtigkeit und auch die Tiefe des Arbeitens. Das bringt auch Vorteile mit sich, die man  beim analogen Arbeiten gut gebrauchen kann.

Sina Töpfer: Wie stimmen Sie sich innerhalb ihres Teams ab? Wenn ein neues Mandat hereinkommt und der eine bearbeitet die Akte. Wie bekommen Sie das hin?

Arno Lampmann: Das funktioniert bei uns mittlerweile auch wie in anderen modernen Kanzleien mit Tools wie z.B. Dropbox oder anderen Coworking-Solutions. Ich will ja nicht, auch wenn ich im gleichen Gebäude sitze, dauernd hin und her rennen, sondern gemeinsam an einem Dokument arbeiten. Da haben wir zum Beispiel Dropbox, wo wir natürlich auch anfangs datenschutzrechtlich gucken mussten: Geht das überhaupt? Mittlerweile hat das Unternehmen, das Dropbox betreibt, die Daten auch in Deutschland liegen.

Aber das ist ja die Frage bei vielen Tools: Twitter, Facebook, WhatsApp – das ist eine Riesenfrage. Darf man das im Rahmen der Mandatsarbeit überhaupt benutzen? Da muss man natürlich aufpassen, dass es auch datenschutzrechtlich in Ordnung ist und den berufsrechtlichen Vorgaben gerecht wird.

Was bei uns die Unternehmenskultur – auch durch mich – geprägt hat, ist, dass wir keine festen Arbeitszeiten haben. Es ist nicht so wichtig, um 8 Uhr da zu sein. Dazu sind unsere Angestellten und unser Sekretariat natürlich da. Wir haben zusätzlichen einen externen Büroservice, der Spitzenandrang abfedert.

Bei uns zählt mehr das Ergebnis. Bei uns braucht keiner zu fragen, ob er zum Arzt gehen darf, ob er Besorgungen machen darf. Die Anwälte haben einen Schlüssel, und wenn sie ihn nicht haben, haben sie einen Laptop dabei, mit dem sie sich in alles einloggen können.

Das liegt auch an unserem Rechtsgebiet – im gewerblichen Rechtsschutz haben Sie viel mit einstweiligen Verfügungen, Eilverfahren und kurzen Fristen zu tun. Da gibt es nicht nur die Berufungsfrist, oder am Ende des Jahres die Verjährungsfrist, sondern Sie haben quasi nur ganz dringende Fristen, die sie immer einhalten müssen.

Wir haben zum Beispiel eine WhatsApp-Gruppe, die nur dazu da ist, Notfälle abzudecken, da sind alle Anwälte drin. Und irgendwann heißt es auf einmal: Um zehn vor zwölf muss ein Verfügungsantrag raus, das Fax streikt. Wer kann mir seine beA-Karte leihen?

Wenn Präsenz wegfällt, zählt nur noch das Ergebnis der Arbeit

Sina Töpfer: Wie sieht denn Ihr Tagesablauf so aus? Wie muss ich mir den vorstellen? Arbeiten Sie von zu Hause aus?

Arno Lampmann: Ich habe eine Zeit lang ein externes Office gehabt. Ich überlege immer mal wieder, ob ich das wieder machen soll. Aber im Moment komme ich ganz gut klar mit einem Homeoffice. Vielleicht stellt sich das heute keiner mehr so vor, aber es wird ja manchmal so dargestellt, dass man im Schlafanzug auf dem Sofa sitzt und locker lässig den Laptop irgendwo hängen hat neben der Kaffeetasse. Das ist nicht so.

Ich habe ein Tool, mit dem Telefontermine vereinbart werden können, auch vom Sekretariat. Das geht bei mir ab 7:30 Uhr los. Das heißt, ich fange um sieben Uhr an und ab 7:30 Uhr werden die ersten terminierten Telefonate geführt. Das versuche ich halt möglichst schnell abzutelefonieren, und dann geht es in die Aktenarbeit – da gucke ich mir an, was es für Fristen gibt.

Mittlerweile ist man ja fast schon wieder ein bisschen  vom Remote Arbeiten weg, weil man gemerkt hat, dass viele Leute auch völlig falsche Erwartungen haben. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Und es ist halt nicht für Jeden etwas, einfach nur ganz brutal an seinen Ergebnissen gemessen zu werden. Das ist eine Charakterfrage. Oft ist es ja so – und da mache ich mich auch nicht ganz frei von – dass man auch mal gelobt werden will. Das ist natürlich, wenn man Remote arbeitet, so nicht drin. Man ist nicht so im sozialen Team so drin.

Homeoffice ist Typsache

Sina Töpfer: Ja das erlebe ich eben hier auch in Deutschland. Ich frage mich jetzt gerade, ob das möglicherweise auch tatsächlich ein Unterschied ist, weil ich hier in Deutschland erlebe, dass sich da doch noch sehr gegen gesperrt wird, gegen das typische Modell Homeoffice, also ein oder zwei Tage. Ich habe in meinen Recruiting-Prozessen festgestellt, dass es nicht unbedingt für jeden Typus etwas ist und auch nicht von allen unbedingt gewünscht wird. Das Thema taucht immer dann auf, wenn ich Arbeitnehmer habe, die einen zeitlichen Spagat hinbekommen müssen zwischen Job und Privatleben. Ist da dann tatsächlich eine Effizienz gegeben?

Arno Lampmann: Wo ich Ihnen vollkommen Recht gebe, ist, dass Homeoffice gerade mit solchen kleinen punktuellen Verpflichtungen über den Tag verteilt, sinnvoll sein kann. Es gibt Leute, denen tut das unheimlich gut, ihren Tag selbst einteilen zu können. Aber, wenn ich einen Arbeitnehmer nach Hause schicke und ihn jeglicher normalen sozialen Interaktion beraube, dann kann es sein, dass der da nicht glücklich wird, da er eben auch keine entsprechenden Feedbacks bekommt. Und er natürlich an Sachen gemessen wird, die bei seiner Anwesenheit vielleicht gar nicht so eine Rolle gespielt haben. Also bei Anwaltskanzleien kann ich sagen: Dort funktioniert es nicht, einfach nur einen Tag abzusitzen. Alle Mitarbeiter sind da wirklich mit Hochdruck dran. Gerade ins Sekretariat können Sie nicht jeden hinsetzen – Sie wissen das ja selbst als Recruiterin – da brauchen Sie wirklich ganz super tolle Leute.

Wie gesagt: Beim Homeoffice gibt es dann Probleme, wenn jemand sich im Büro sozial gut eingefügt hat und seinen strukturierten Arbeitsablauf braucht. Andererseits gibt es Leute, die vielleicht dann erst richtig loslegen; die dann gemerkt haben: „Oh, das Rumsitzen, Kaffee trinken und das Meeting am Donnerstag um 17 Uhr – das kann ich mir alles sparen. Ich hau‘ nämlich die Sachen vielleicht auch etwas schneller raus, sogar noch besser als vorher und hab noch eine Stunde eher frei nachher“.

Sina Töpfer: Ich stelle in Recruiting-Prozessen fest, dass wir in Deutschland, oder zumindest in der Kanzleiwelt häufig noch eine sehr, sehr große Denkhürde haben, die da lautet: „Ich weiß nicht, ob ich einem Arbeitnehmer vertrauen kann.“ Letzten Endes kann ich das aber, wenn jemand im Homeoffice arbeitet, remote arbeitet, an den Ergebnissen messen.

Arno Lampmann: Genau, auf Arbeitgeberseite sehe ich das genauso. Auf Arbeitnehmerseite, glaube ich, dass die Arbeitnehmer Angst haben, dass sie sich transparent machen. Weil es natürlich den Fokus auf die Anwesenheit wegnimmt. Wenn der Faktor Präsenz wegfällt, dann bleibt ja nur das Ergebnis. Dann kriegt der Arbeitnehmer eben Angst, dass es jetzt heißt: Nur noch Ergebnisse, kein Witz mehr an der Kaffeemaschine, kein Spruch, wenn man morgens reinkommt. Diese Angst, die muss man einfach ausmerzen und dann kommt man auch ganz gut zurecht.

Alle Folgen des Podcast sind auf anchor.fm, Spotify, und iTunes abrufbar.

Tool-Empfehlungen von Arno Lampmann:

  • iPhone
  • WhatsApp
  • Skype
  • Sipgate (Telefonie)
  • Besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA)
  • Slack (Kollaborationstool)
  • OneDrive (Dateiaustausch)
  • Calendly (Terminsvereinbarung, Link zu meiner Seite: calendly.com/arno-lampmann)
  • Dragon Dictation

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Foto: Adobe Stock/langstrup

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