Karriereweg Wirtschaftsjurist

Von Patrick

Vor zwei Jahren hatte die Redaktion von MkG mich darum gebeten, dass ich meine Erfahrungen mit dem nicht bestandenen Staatsexamen und meinem anschließenden alternativen Karriereweg als Wirtschaftsjurist teile. Das habe ich sehr gerne gemacht und ich erinnere mich auch sehr gerne daran, wie froh ich damals über meinen „alternativen Weg“ war, bei dem mich die Beratungsagentur Staatsexamen Plan B unterstützt hat.

Bin ich heute noch froh darüber? Um ehrlich zu sein – ich bin mehr als zufrieden mit meinem Karriereweg – mehr als glücklich! Welche Möglichkeiten sich mir nach meinem Bachelor of Laws eröffnet haben, was ich heute genau mache und welche Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten ich damit habe, möchte ich in diesem Erfahrungsbericht teilen.

Zuvor möchte ich kurz rekapitulieren, wo meine Story im Dezember 2020 aufgehört hatte.

Mein Aufgabenbereich als Contract Manager

Mein damaliger Arbeitgeber war bzw. ist ein Private Equity geführtes Softwareunternehmen, das durch zwei Übernahmen auf knapp 210 Mitarbeiter angewachsen war.

Ich war dort als einziger Jurist (Legal Counsel) in der Verwaltung eingegliedert und mein Hauptaugenmerk lag auf den Vertragsverhandlungen mit den Kunden und Kundinnen, der Überarbeitung der bestehenden Vertragswerke und vor allem der Rolle des Informationssicherheitsbeauftragten (ISB), in welcher ich dafür verantwortlich war, dass das ISO 27001 Zertifikat aufrecht erhalten wird – also die Prozesse eingehalten werden. Durch die Einbindung in die Verwaltung kamen aber auch arbeits- und gesellschaftsrechtliche Aufgaben hinzu, die mich regelmäßig begleiteten.

Dort erhielt ich schon Anfragen von anderen Unternehmen, welche mich aktiv abwerben wollten. Das ist in der damaligen und auch in der aktuellen Lage wahrlich nichts Besonderes. Wer aktuell im Bereich Legal, Vertrieb oder im IT-Sektor tätig ist, sollte sich darauf einstellen, regelmäßig solche Anfragen via den gängigen Job-Socials zu bekommen. Dementsprechend habe ich dem nicht viel beigemessen, vor allem weil ich mit meinem Arbeitgeber wirklich zufrieden war.

Arbeitnehmermarkt ermöglicht es, die Anforderungen hochzufahren

Aber dann erreichte mich im Sommer 2021 eine Anfrage eines anderen Softwareunternehmens, welche wirklich sehr interessant klang. Ich war wie gesagt jedoch zufrieden mit meinem Job, also habe ich dementsprechend die Hürden für das Unternehmen sehr hoch angesetzt. Und ja, ich habe hier (An)Forderungen an das Unternehmen gestellt.

Kurzes Off Topic:

Ein Arbeitgeber, welcher noch nicht verstanden hat, dass wir aktuell einen Arbeitnehmermarkt haben, und er etwas dafür tun muss, um gute und motivierte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu bekommen und zu halten, ist für mich persönlich erst gar nicht interessant.

Dieses Softwareunternehmen war und ist sich der aktuellen Lage aber vollends bewusst und meine „Forderungen“ – komplett flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, entspannte und dennoch seriöse Atmosphäre („Ich lebe nicht um zu arbeiten“), ggf. Mitbringen des Hundes ins Büro – waren und sind hier selbstverständlich.

Auch meine monetären Forderungen, in Höhe von 88.000 Euro brutto jährlich, wurden erfüllt. Aber der monetäre Aspekt war nicht (!) der Hauptgrund für meinen Wechsel. Der Hauptgrund war die Perspektive – meine persönliche, als auch die des Unternehmens.

Mein Aufgabenbereich als Senior Legal Counsel: Ansprechpartner für alle juristischen Fragestellungen

Das Unternehmen, für das ich nun tätig bin, wächst stetig und ist mit zwei verschiedenen Arten von Software noch solider aufgestellt. Und so bin ich nun seit November 2021 für das neue Unternehmen als Senior Legal Counsel tätig.

Mein Aufgabenfeld hat sich ebenfalls verändert. Ich bin im Organigramm als „Satellit mit Sonderrolle“ nun direkt im Vertrieb angesiedelt und ich berichte zum einem direkt an den Vorstand und auch „hilfsweise“ an den Leiter des Vertriebs.

So bin ich nun für alle Verhandlungen mit den Kunden und Kundinnen verantwortlich und führe diese. Hier sind auch Ausschreibungen ein wichtiges Thema. Da komme ich auch ab und zu mit zu Präsentationen, wo es oftmals schon um Vertragsdetails geht – und natürlich um das Thema Datenschutz.

Datenschutz allgemein ist wichtiger Teil meiner Arbeit. Da unsere Software auch etwas „datenhungriger“ ist, ist dies ein Feld, das mich wirklich sehr einnimmt. Ansonsten bin ich aber weiterhin der Ansprechpartner für das gesamte Unternehmen, wenn es um juristische Fragestellungen geht.

Allgemein merke ich hier, dass die Stelle sehr viel (mehr) Verantwortung mit sich bringt, da das Ganze schlicht ausgedrückt „eine Nummer größer ist“ als meine vorherige Tätigkeit.

Mein jetziges Unternehmen hat knapp 250 Mitarbeiter. Es wächst stetig weiter und aufgrund der Komplexität der Software habe ich bedeutend mehr zu tun. Es ist auch angedacht, dass ich bald eine oder einen Junior Legal Counsel dazu bekomme. Hier wäre ich dann für die Entwicklung der jeweiligen Person verantwortlich – und sie würde mir etwas Arbeit im Datenschutzbereich abnehmen, welcher wirklich viel Zeit in Anspruch nimmt.

Auch sind viele kleine Aufgaben dabei wie „Softwareeinführungsprozesse“, wo man dann bei neuen Komponenten der Software oder auch einfach bei Tools, die IT für interne Prozesse nutzen wollen, den Datenschutz und die Lizenzen prüfen muss.

Einzig das Arbeitsrecht ist komplett weggefallen. Dies haben wir gemeinsam entschieden, denn ich soll „der Freund der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ sein und nicht der „potenzielle Gegner“, der auf Seiten des Vorstands bzw. des Arbeitgebers ist. Ebenfalls bin ich nicht mehr der ISB, sondern nur noch für die Compliance im Rahmen des ISO27001 Zertifikat zuständig.

Da sich nach sechs Monaten aber schon herausstellte, dass die Stelle etwas größer wird, als anfänglich besprochen wurde, habe ich im Halbjahresgespräch direkt angemerkt, dass man sich nach einem Jahr nochmals über das Gehalt unterhalten sollte. Nun ist zum 1.1.23 mein Gehalt auf 100.000 Euro brutto gestiegen.

Meine geplante Weiterbildung

Ebenfalls werde ich ab diesem Jahr auch noch meinen Master in Wirtschaftsrecht machen, da ich gemerkt habe, dass größere Unternehmen, gerade und vor allem in Deutschland, noch sehr erpicht darauf sind, was man für einen Abschluss hat – unabhängig davon wie viel Berufserfahrung man hat. Aufgrund der Berufserfahrung kann ich einen LL. M.-Studiengang absolvieren, welcher auf zwölf Monate angelegt ist.

Volljurist vs. Wirtschaftsjurist: Gehalt, Work-Life-Balance, Arbeitsklima

Gehalt

Natürlich kann ich mich über mein Gehalt wahrlich nicht beklagen – ganz im Gegenteil bin ich sehr stolz darauf, dass ich nun die 100.000er-Marke geknackt habe. Dabei ist zu beachten, dass natürlich jeder andere Prioritäten setzt und sich manche Wirtschaftsjuristinnen und -juristen bewusst für kleinere Unternehmen entscheiden, die in der Regel auch geringere Gehälter zahlen. Meine Erfahrung soll nur zeigen, dass es durchaus möglich ist, mit einem Bachelor of Laws ein sehr gutes Gehalt zu erzielen.

Von meinen Bekannten, die ebenfalls Jura studiert haben und beide Staatsexamina haben, kenne ich nur einen im Alter bis 35, der dies ebenfalls geschafft hat. Die Bekannten, die im Staatsdienst tätig sind, kommen mit ihren Bezügen auch nicht ganz an mein Gehalt ran, haben aber eine etwas entspanntere Sicht auf das Thema Altersvorsorge. Also hier sei angemerkt: Sorgt vor.

Natürlich hört man hier immer mal wieder, dass jemand jemanden kennt, der in einer Großkanzlei arbeitet – hier liegen ja bereits die Einstiegsgehälter nicht unter 100.000 Euro, aber die Betreffenden leben dann auch, um zu arbeiten – und eine 70-Stunden-Woche stellt hier bestimmt die Regel dar.

Work-Life-Balance

Ich komme selten über meine 40-Stunden-Arbeitswoche und falls ich doch mal 50 Stunden arbeiten muss, habe ich dann zum Ausgleich durchaus auch mal eine Arbeitswoche mit 30 Stunden. In dem Umfeld, in dem ich arbeite, wird sehr darauf geachtet, dass man nicht „ausbrennt“. Ich kann „kommen und gehen, wann ich will“, solange meine Arbeit erledigt ist. In der Regel beginne ich um 7 Uhr morgens mit der Arbeit – mein Laptop ist dann um 16 Uhr aus und ich kann mich Sport und Freizeitaktivitäten widmen. Ich kann frei entscheiden, wann ich meine Aufgaben erledige. Gleichwohl bin ich im Zweifel – auch nachdem mein Laptop aus ist – noch erreichbar und stehe meinen Kolleginnen und Kollegen mit Rat und Tat zur Seite. Auch im Urlaub sage ich immer: Wenn es „brennt“ oder ein wichtiger Abschluss bevorsteht – ruft mich an!

Es ist schlicht ein „Geben und Nehmen“.

Arbeitsatmosphäre

Wenn ich meinen Freunden erzähle, was für eine tolle Arbeitsatmosphäre wir haben, werden viele neidisch. Hier gibt es keine Lästereien, sondern schlicht Akzeptanz der anderen Kolleginnen und Kollegen und vor allem auch Interesse an den anderen. Das lebt der Vorstand und die Führungsriege ebenfalls genauso vor. Hier wird das Arbeitszeitmodell vorgelebt, aber auch „Gleiche unter Gleichen“ – was so viel bedeutet, dass es nach außen hin natürlich Hierarchien gibt und die Leitung natürlich Ergebnisverantwortung trägt, sich aber intern nicht so verhalten (müssen). Auch sind hier stets alle offen für Kritik, da auch die Führungsriege weiß, dass sie nicht unfehlbar ist und sich weiterentwickeln muss.

Hier rate ich jedem, dass im Bewerbungsprozess die Frage nach der „Fehlerkultur“ gestellt werden sollte. Dies sagt – so finde ich – sehr viel über ein Unternehmen oder über den potenziellen Vorgesetzten aus. Ich kenne persönlich leider auch Negativbeispiele und weiß wie wichtig es ist, dass konstruktiv mit Fehlern umgegangen wird und eben nicht vorwurfsvoll. Sodann spielt auch die Digitalisierung eine bedeutende Rolle. Während ich eigentlich nie mit Papier in Berührung komme, schicken mir befreundete Richterinnen oder Richter, immer wieder Bilder von sich, wie sie mit Aktenkartons im Aufzug stehen, weil sie diese von A nach B transportieren müssen.

Bei mir ist es zudem so, dass ich Entscheidungen alleinverantwortlich in Verhandlungen treffe. Natürlich weiß ich grob, wo unsere „Grenzen“ sind und im Zweifel hole ich mir auch das „OK“ des Vorstands, aber sofern es nicht um betriebswirtschaftliche Aspekte geht oder wenn eine Forderung des Kunden neue interne Prozesse zur Folge hätte, bekomme ich in der Regel die Antwort: „Du bist der Experte – also entscheide du, wir vertrauen dir“.

Hier klingt vielleicht aber auch ein negativer Aspekt durch – ich habe (noch) niemanden, mit dem ich mich intern über rechtliche Fragestellungen austauschen kann. Ich bin schlicht der einzige Jurist im Haus und kann natürlich immer auch externe Rechtsberatung hinzuziehen. Das tue ich auch in Situationen, in denen ich nicht genug Ahnung habe – dann nutze ich auch mein persönliches Netzwerk, um mir in einzelnen Fragen Feedback bzw. eine zweite fundierte juristische Meinung zu hören.

Fazit: Alternative Karrierewege nicht ignorieren

Mein Erfahrungsbericht soll deutlich machen, dass das starre Festhalten an einem Karriereziel dazu führen kann, dass man alternative Wege – die einen vielleicht sogar glücklicher machen würden – komplett ignoriert. Durch mein damaliges Nichtbestehen des Examens habe ich gelernt, dass etwas vermeintlich recht Niederschmetterndes bei weitem noch kein k.o. ist und ich sogar gestärkt daraus hervorgehen kann. Denn ich werde nun immer auf diese Erfahrung zurückgreifen können. Für mich persönlich hat sich die Entscheidung, Wirtschaftsrecht zu studieren, am Ende sogar als der bessere Weg herausgestellt. In diesem Sinne kann ich allen Leserinnen und Lesern, die sich über ihren Karriereweg manchmal unsicher sind, empfehlen, über Alternativen nachzudenken. Gerade heute bietet der Arbeitsmarkt uns tolle Möglichkeiten.

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Patrick ist Wirtschaftsjurist und Senior Legal Counsel in einem Softwareunternehmen.

Bild: Adobe Stock/©Thomas Reimer

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