Von Carmen Wolf
Das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 und damit auch die Neufassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist am 1.1.2021 in Kraft getreten, nachdem die Verkündung des Entwurfs – vom Deutschen Bundestag am 27.11.2020 angenommen – noch zum Abschluss des Jahres 2020 (29.12.2020) im Bundesgesetzblatt erfolgte. Was sollten Sie nun über die RVG-Übergangsregelungen wissen?
Was bedeutet das für die Abrechnung und wie sind die Übergangsregelungen?
Aufschluss gibt § 60 Abs. 1 RVG, der – einfach ausgedrückt – auf den unbedingten Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit (bzw. bei Anspruch gegen die Staatskasse im Falle, dass kein unbedingter Auftrag erfolgte: Wirksamwerden der Beiordnung oder Bestellung) – abstellt. Hierbei muss ganz klar differenziert werden, wann der jeweils entsprechende Auftrag erteilt wurde bzw. die Bedingung für den Auftrag eingetreten ist, insbesondere, wann Ansprüche im Rahmen mehrerer Verfahren verfolgt werden.
Beispiel:
Rechtsanwalt Erfolgreich wurde am 15.12.2020 von seinem Mandanten Rudi Reich beauftragt, eine Darlehensforderung i. H. v. 1.000,00 EUR bei Armin Schlucker einzutreiben. Rechtsanwalt Erfolgreich soll zunächst auftragsgemäß nur außergerichtlich tätig werden, aber (und auch nur dann) für den Fall, dass die außergerichtliche Zahlungsaufforderung nicht das gewünschte Ergebnis bringt, Klage einreichen und somit die Ansprüche ohne weitere Absprache gerichtlich verfolgen. In seiner Zahlungsaufforderung vom 15.12.2020 setzte Rechtsanwalt Erfolgreich eine dreiwöchige Rückzahlungsfrist, die demnach am 05.01.2021 verstrichen ist – fruchtlos. Ein paar Tage später reicht Rechtsanwalt Erfolgreich Urkundsklage ein, die mit Versäumnisurteil endet.
Welche Fassung des RVG ist nunmehr anzuwenden?
Hier ist zu differenzieren, denn es liegen zwei Angelegenheiten im Sinne des RVG vor: Zunächst der unbedingte Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit, die die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG ausgelöst hat (der Auftrag erfolgte im Dezember 2020 und somit zum Zeitpunkt der Geltung des RVG in der Fassung bis zum 31.12.2020) und sodann der Auftrag, der nach Ablauf der fruchtlosen Zahlungsfrist, somit am 06.01.2021 „entstanden“ ist, nämlich der Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung: Bedingung für den Klageauftrag war die letztlich nicht erfolgreiche außergerichtliche Tätigkeit, somit das fruchtlose Verstreichen der Zahlungsfrist. Damit sind die Gebühren des Klageverfahrens (Gebührennummern der Nrn. 3100 ff. VV RVG) nach den gesetzlichen Vorschriften des RVG in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung in Abrechnung zu bringen. Zwar lautet der Auftrag insgesamt, eine Forderung einzubringen, dieser Auftrag ist im vorliegenden Fall jedoch nur mit zwei unterschiedlichen Angelegenheiten zu erfüllen, sodass hier aufgrund der besonderen Konstellation bei der Gebührenabrechnung zwei verschiedene Gesetzesfassungen anzuwenden sind.
Und wie sieht es nun mit der Anrechnung aus?
Bekanntlich ist die Geschäftsgebühr derselben Angelegenheit auf eine entstandene gerichtliche Verfahrensgebühr in Höhe ihrer Hälfte, maximal mit 0,75, anzurechnen. Aber unter Zugrundelegung welcher Fassung des RVG hat die Anrechnung zu erfolgen?
Was auf den ersten Blick zunächst etwas schwierig erscheint, ist relativ simpel zu lösen: Es kann nämlich nur das (hälftig) angerechnet werden, was auch vorher angefallen bzw. vergütet worden ist. Angefallen im obigen Beispielsfall war die Geschäftsgebühr nach „altem“ Recht, sodass auch nur die hälftige „alte“ Geschäftsgebühr auf die „neue“ Verfahrensgebühr Anrechnung finden kann:
Die Vergütungsberechnung für beide Angelegenheiten aus obigem Beispiel sieht demnach wie folgt aus:
Gegenstandswert: 1.000,00 EUR
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG in der Fassung bis 31.12.2020
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 31 00 VV RVG in der Fassung ab 1.1.2021
abzüglich 0,65 Geschäftsgebühr, Nr. 23 00 VV RVG in der Fassung bis 31.12.2020
0,5 Terminsgebühr, Nr. 3105 VV RVG in der Fassung ab 1.1.2021
Auslagenpauschale, Nr. 702 VV RVG
(ggf. weitere Auslagen, Umsatzsteuer und Gerichtskosten)
104,00 EUR
20,00 EUR
114,40 EUR
52,00 EUR
44,00 EUR
20,00 EUR
Überblick der RVG-Übergangsregelungen
Für jetzt und demnächst anstehende Abrechnungen in gängigen Zivilverfahren mag folgende Tabelle zu den RVG-Übergangsregelungen hilfreich sein:
Ist z. B. dem außergerichtlichen und dem ordentlichen Verfahren vor dem Zivilgericht ein Mahnverfahren zwischengeschaltet, ist für diese Gebühren sowie die anrechnungspflichtigen Gebühren ebenso darauf abzustellen, wann der Auftrag erteilt wurde.
Fazit: Das jeweilige Auftragsdatum ist maßgebend
Bei den künftigen Abrechnungen ist stets ein Augenmerk darauf zu richten, wann der entsprechende (unbedingte) Auftrag erteilt wurde. Das Auftragsdatum gibt die jeweilige Fassung des anzuwendenden RVG bzw. der anzuwendenden Vergütungstabelle vor. Die Anrechnung erfolgt sodann auf Basis der Fassung des RVG, die auch der Abrechnung der anzurechnenden Gebühr zugrunde lag.
Das ändert sich bei der Berechnung der fiktiven Terminsgebühr – zum Artikel
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Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin, Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte sowie Büroleiterin der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM. Dort ist sie mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut.
Sie hat mehrere Fachbücher, wie „Arbeitshilfen für Rechtsanwaltsfachangestellte“ und „RVG für Einsteiger“ verfasst und ist Herausgeberin des „Infobriefs anwaltbüro“.