Von Peter Schönberger

Als ich gebeten wurde, eine Rezension zu einem neuen Verhandlungsratgeber von Prof. Jörg Kupjetz zu schreiben, war ich sehr gespannt, was dieses Buch von der Vielzahl an Verhandlungsratgebern unterscheidet. Was ist das Neue, das Besondere, der „USP“? Nach Lektüre des Buches „Verträge verhandeln“ war die Antwort klar: Dem Autor ist es tatsächlich gelungen, die wichtigsten und so umfangreichen Themen der Verhandlungsführung in sehr lebendiger, fesselnder und humorvoller Sprache übersichtlich anzureißen, kurzweilig darzustellen und teilweise sogar zu vertiefen.

Der Praktiker klingt deutlich durch

Die Praxiserfahrung des Autors durchzieht das gesamte Buch, was sich zum Beispiel darin bemerkbar macht, dass er nicht die etwas „abgeschmackten“ Standardbeispiele für verschiedene Themen verwendet, sondern aus eigenen Erfahrungen berichtet. So verwendet er bei dem Grundsatz, die Interessen des Verhandlungspartners zu ergründen, nicht das Standardbeispiel der Mutter, deren zwei Töchter sich um eine Orange stritten und die diese einfach in der Mitte durchschnitt – obwohl die eine Tochter den Saft und die andere die Schale wollte. In seinem Beispiel bestand die Gegenseite auf eine notarielle Beurkundung des ausgehandelten Vertrages gleich am nächsten Tag. Bei näherem Hinsehen und Nachfragen stellte sich heraus, dass der Grund für die unverständliche Eile schlicht die Urlaubspläne des Geschäftsführers waren und man auch eine Vertretung schicken konnte.

Gute Balance zwischen Theorie und Praxis

Generell beinhaltet das Buch ein gutes Verhältnis zwischen theoretischen Grundlagen und praktischen Aussagen und Beispielen. Um Praxistipps in Erinnerung zu behalten und dauerhaft umzusetzen, sollte der Leser bzw. die Leserin auch verstehen, weshalb er oder sie sich in bestimmten Situationen wie verhalten sollte. So wird etwa das Prinzip des „Ankerns“ auch theoretisch erklärt, ebenso wie das DISG-Modell zur Einschätzung der Verhandlungstypen. Das Buch ist und bleibt ein „Ratgeber“ und keine wissenschaftliche Abhandlung – und dies ist gut so.

Übersichtliche Darstellung

Es kommt dem Autor sichtlich zugute, selbst Jurist zu sein. Er folgt der inneren Logik einer Verhandlung, beginnend mit der Vorbereitung, hin zur Eröffnung bis zur „eigentlichen“ Verhandlung. Zu Recht legt der Autor dabei besonderen Wert auf die Vorbereitung, denn diese ist schließlich mehr als die halbe Miete. So werden die wesentlichen Aufgaben einer optimalen Vorbereitung auf die Verhandlung sehr gut und kompakt erläutert. Gut und übersichtlich ist auch der Umstand, dass jeweils sofort nach Darstellung eines Verhandlungstricks der Gegenseite kurz und knapp die potenzielle Gegenmaßnahme erläutert wird.

Highlight Körpersprache

Neben der sehr lebendigen und damit kurzweiligen Sprache des Buches sind für mich die Ausführungen zur Körpersprache ein Highlight. Hier konzentriert sich der Autor nur auf die entscheidenden Punkte einer jeden Verhandlung, die es zu beachten gilt. Es ist aus meiner Sicht völlig ausreichend, die knappen Ausführungen im Buch zu verinnerlichen, um auch im Bereich der nonverbalen Kommunikation zu punkten.

Schwachstellen?

Versteht man das Buch als leicht zu lesenden Ratgeber, der einen Überblick zu Verhandlungsstrategien verschaffen soll, sind kaum Schwachstellen auszumachen. Allenfalls die entsprechenden Ausführungen zu den Verhandlungstypen sind aus meiner Sicht nur sehr beschränkt von Nutzen. Hier wurde ein Thema angerissen, welches eigentlich intensiver dargestellt werden müsste, um wirklich verstanden zu werden. Weiterhin unterscheidet der Autor nicht zwischen den unterschiedlichen Verhandlungstypen auf Leserseite. Denn die Frage, welche Verhandlungstipps jeweils angewandt werden können, hängt nicht nur von der Verhandlungssituation, sondern auch von der anwendenden Person – hier also dem Leser oder der Leserin – ab. Vielleicht würde eine solche Individualisierung allerdings den Rahmen des Buches sprengen.

Für wen ist das Buch „Verträge verhandeln“ geeignet?

Der Titel des Buches könnte den Eindruck entstehen lassen, dass es sich exklusiv an Juristen und Juristinnen wendet. Dem ist jedoch keineswegs so. Grundsätzlich eignet sich der Ratgeber für jede Person, die beruflich und privat mit Verhandlungen jeder Art zu tun hat. Es liefert einen ersten Überblick über die großen Themen der Verhandlungstaktik und macht Lust auf Mehr.

Ich kann das Buch „Verträge verhandeln“ von Jörg Kupjetz daher jedem Einsteiger in die Welt der Verhandlungstaktik sehr empfehlen und habe es selbst mit Freude gelesen.

Jörg Kupjetz, Verträge verhandeln: Tipps und Wissen für den erfolgreichen Vertragsabschluss, Redline Verlag, München 2021, 208 Seiten, ISBN: 978-3-86881-824-6, 16,99 €

Weitere Beiträge

Peter Schönberger studierte Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Nach dem Staatsexamen arbeitete er einige Jahre als Repetitor für Zivilrecht und Gesellschaftsrecht sowie in einer internationalen Kanzlei. Herr Schönberger verhandelte viele Jahre internationale M&A Deals als Leiter einer Konzernrechtsabteilung und ist heute insbesondere im Gesundheitswesen als Personalberater und Coach für Führungskräfte tätig.

 

Foto Buchcover: Redline Verlag