Von Carmen Wolf
Das Fristenmanagement in der Anwaltskanzlei ist schwieriger geworden: Abgesehen von den ohnehin bestehenden Anforderungen, wie
- Fristenkontrolle nur routinemäßiger Fristen durch geschultes Fachpersonal,
- stichpunktartige Kontrollen durch die Berufsträgerinnen und Berufsträger generell,
- besondere Kontrollen durch Berufsträgerinnen und Berufsträger bei Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen sowie bei nicht alltäglichen Fristen,
- Vorherrschen klarer Organisationsanweisungen im Fristenmanagement (inklusive Tagesendkontrolle),
ist dem Anwalt bzw. der Anwältin mit der Verpflichtung zur Nutzung des beA eine hohe Eigenverantwortung beim Signieren/Versenden von Schriftsätzen auferlegt worden: Verlässt die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt sich dabei zu sehr auf das Personal, kann das fatale Folgen haben. Denn auch in der digitalen Welt haben Anwältinnen und Anwälte – ebenso wie bei der zumindest im Rahmen der aktiven Kommunikation mit Gerichten „verabschiedeten“ Papierform – besondere Sorgfaltspflichten walten zu lassen, um die Einhaltung von Fristen abzusichern. Doch: Der digitale Weg ist vielen neu und der Umgang mit der Technik oft zu lax.
Aber gerade im digitalen Zeitalter und der unausweichlichen Pflicht zur Nutzung des beA können Ungenauigkeiten oder Oberflächlichkeiten zum Verlust des Rechtsstreits führen: Denn Berufsträgerinnen und Berufsträger müssen aktiv und höchstpersönlich signieren oder aber höchstpersönlich aus dem eigenen Postfach versenden.
Da das Versenden oder Signieren von ungeprüften Schriftsätzen einer Blind- oder Blanko-Unterschrift gleichkommt, kann ein Anwalt im Falle eines Falles die Schuld für die Fristversäumnis kaum noch mit einem Versehen seines „langjährigen, gut geschulten Fachpersonals“ begründen: Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist damit in vielen Fällen kaum noch möglich. Deshalb sind Anwältinnen und Anwälte im Rahmen des Fristenmanagements neben dem Fachpersonal, das natürlich nach wie vor in der Pflicht ist, besonders gefordert.
Verantwortung beim Versand per beA nicht auf Mitarbeitende übertragbar
Ein Beispiel aus der – tatsächlich erst kürzlich erlebten – Praxis mag hier Aufklärung bringen bzw. aufzeigen, wie oder welche Fehler vermeidbar sind:
Rechtsanwalt A hat einen Schriftsatz an das Oberlandesgericht diktiert, der aber nach seinem Vortrag von seinem geschulten Fachpersonal fehlerhaft an das Landgericht adressiert und auch entsprechend fehlerhaft (via beA) versendet wurde. Da es sich bei dem Fachpersonal um eine langjährige, gut geschulte und im Übrigen seit vielen Jahren fehlerfrei arbeitende Mitarbeiterin handelte, handele es sich seiner Auffassung nach insoweit nicht um ein Verschulden, das der Partei zuzurechnen sei.
Kommt der Anwalt mit „dieser Nummer“ durch? Wohl kaum, und das liegt nicht daran, wer oder wie das Hochladen bzw. Versenden der Datei – zu dem Rechtsanwalt A im Übrigen nicht vorgetragen hat – vorgenommen hat.
Hier gibt es zwei Möglichkeiten:
Entweder der den Schriftsatz verantwortende Rechtsanwalt bzw. die zu verantwortende Rechtsanwältin lädt den Schriftsatz selbst hoch, wählt das Empfängergericht und versendet höchstpersönlich aus dem eigenen Postfach: Er oder sie hat dann das Versenden selbst vorgenommen und trägt damit – naturgemäß – auch die Verantwortung dafür, wenn etwas „schiefgelaufen ist“.
Erkennbar ist dieser Vorgang daran, dass in der Exportdatei die Angaben unter „Absender:“ und „Letzte Änderung:“ identisch sind und – wenn nicht signiert wurde (was in der Regel nicht erforderlich ist, wenn der Anwalt oder die Anwältin aus dem eigenen Postfach versendet) – unter den Anhängen keine Signaturdatei aufgeführt ist:
Oder aber das Fachpersonal lädt die Datei hoch, wählt das Empfängergericht aus, speichert die Nachricht als Entwurf und der Anwalt bzw. die Anwältin signiert und lässt das Versenden wiederum vom Fachpersonal vornehmen. Erkennbar ist die Tatsache der Mitwirkung des Fachpersonals dann an den unterschiedlichen Angaben bei „Absender:“ und „Letzte Änderung“. Die in diesen Fällen zwingend notwendige Signatur ist an der zusätzlichen Signaturdatei unter der Rubrik „Anhänge“ zu sehen:
Beiden Varianten ist gemein, dass der Schriftsatz in Absendereife in den Verfügungsbereich des verantwortlichen Rechtanwaltes bzw. der verantwortlichen Rechtsanwältin gelangt, was zugleich bedeutet, dass ein Fehler erkannt werden kann bzw. muss.
Denn mit dem eigenen Hochladen sowieso, aber auch mit der Notwendigkeit, das Schriftstück zu signieren, liegt die Verantwortung für die Prüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit von Schriftsätzen – und dazu gehört neben der inhaltlichen Prüfung auch die Prüfung, ob der Schriftsatz an das richtige Gericht versandt wird – gerade bei Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungen abschließend in den Händen der Rechtsanwältin bzw. des Rechtsanwalts und nicht beim Fachpersonal.
Das bestätigt auch der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 08.03.2022, VI ZB 78/21, in dem u. a. ausgeführt ist:
Es gehört zu den Aufgaben eines Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom 05.05.2021 – XII ZB 552/20, NJW-RR 2021, 998 Rn. 14; vom 16.09.2015 – V ZB 54/15, NJW-RR 2016, 126 Rn. 9; vom 22.07.2015 – XII ZB 583/14, WM 2016, 142 Rn.12). Ein Rechtsanwalt handelt daher schuldhaft, wenn er eine Rechtsmittelbegründungsschrift unterschreibt, ohne sie zuvor auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 06.05.1992 – XII ZB 39/92, VersR 1993, 79, Juris Rn. 2).
(…)
Unterzeichnet er ihn (diesmal) ungeprüft, ist dies einer stets schuldhaften Blankounterzeichnung gleichzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 06.05.1992 – XII ZB 39/92, VersR 1993,79, Juris Rn. 2).
In seinem Beschluss vom 08.03.2022 führt der BGH des Weiteren aus, dass im elektronischen Rechtsverkehr für die elektronische Signatur nichts anderes gelten kann. Eine qualifizierte elektronische Signatur hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift. Daher gehört es beim Signieren eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokumentes (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.
Demzufolge hätte der Rechtsanwalt A in dem Fall, dass das Hochladen/Versenden über eine Mitarbeiterkarte bzw. ein Zertifikat erfolgt sein sollte, die Rechtsmittelschrift quasi „blind“ oder „blanko“ signiert, wenn er diese nicht vorher selbst sorgfältig auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft hat. Es ist demgemäß das Verschulden des Rechtsanwalts, das sich die Partei zurechnen lassen muss.
(Anmerkung: Rechtsanwalt A hat die Berufung auf unsere Erwiderung zu seinem Wiedereinsetzungsantrag, bei dem das vorstehende Urteil in Bezug genommen wurde, und den dann ergangenen Hinweisen des Gerichts zurückgenommen.)
Das Fazit? Vertrauen ist gut – Kontrolle ist hier aber zwingend erforderlich!
Kontrollschritte beim Versand per beA
Um sich vor nicht mehr korrigierbaren Fehlern beim Versand fristgebundener Schriftsätze über das beA zu schützen, sollten folgende Kontrollschritte nach dem Hochladen (unabhängig von wem dieser Schritt erledigt wird), aber vor dem Signieren von dem Anwalt oder der Anwältin durchgeführt werden:
- Prüfung und Abgleich des Empfängergerichts mit den Daten in der E-Akte sowohl im Schriftsatz als auch im Empfängerfeld des beA,
- Prüfung des Schriftsatzes auf Vollständigkeit und Richtigkeit,
- Abgleich des Gerichtsaktenzeichens,
- Prüfung, ob der Schriftsatz eine einfache Signatur (lesbare Unterschrift im Schriftsatz – maschinengeschriebener Name reicht aus) enthält,
- Signatur bei Versand über Mitarbeiterkarte.
Dass im Vorfeld schon überprüft worden ist, ob das hochgeladene Schriftstück beA-konform ist, wird unterstellt und sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Maßnahmen zur rechtkonformen Fristenkontrolle
Damit ist die rechtskonforme Fristenkontrolle beim Versand via beA allerdings noch nicht beendet: Denn die Frist darf erst als erledigt gekennzeichnet werden, wenn der Nachweis des korrekten Zugangs der vollständigen Nachricht heruntergeladen und (positiv) geprüft worden ist. Das kann und sollte aber in der Regel dem Fachpersonal übertragen werden. Wie der BGH in seinem Beschluss vom 11.05.2021 – VIII ZB 9/20 – klargestellt hat, reicht das Drücken des Sendebuttons – auch nach vollständiger Prüfung – nicht aus. Zur tatsächlichen Erledigung der Frist ist der Versendevorgang dahingehend zu überprüfen, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO erteilt wurde. Nur dann, wenn eine entsprechende Eingangsbestätigung vorliegt, besteht Sicherheit, dass der Sendevorgang erfolgreich war.
Dazu ist ein Einloggen im beA, das Aufrufen der entsprechenden Datei unter „Gesendet“ und das Exportieren der Datei über die Menüleiste oben rechts erforderlich. In der so heruntergeladenen ZIP-Datei befinden sich alle relevanten Daten und Dateien – so auch der entsprechende Schriftsatz, der durch Öffnen nochmals kurz überprüft werden sollte –, insbesondere eine Datei mit der Endung _export.html. Durch Doppelklick hierauf kann das Prüfprotokoll eingesehen und – sinnvollerweise – dann zum späteren Nachweis zur Akte gespeichert werden.
Bei einer korrekten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zeigt das beA im Übermittlungsprotokoll unter dem Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ folgendes Bild:
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei fehlerhaftem Versand kaum mehr möglich
Ein Fehler oder der fehlende Hinweis des ausgeführten Auftrages erfordert einen nochmaligen Versand mit den entsprechenden Prüfungsschritten, und zwar auch dann, wenn ein eigentlich schon einmal hochgeladener Schriftsatz, der sich nach Prüfung als nur an einer Stelle fehlerbehaftet herausstellte, neu hochgeladen werden soll.
Warum das so ist, zeigt nachfolgende Gegenüberstellung der digitalen Bearbeitung und der Papierform, auch im Hinblick auf das „Verschulden“. Diese bezieht sich auf folgenden Sachverhalt:
Der diktierte Schriftsatz sollte an das Landgericht gehen; im Sekretariat wurde das im System falsch hinterlegte Amtsgericht in den Schriftsatz übertragen.
Mit vorstehender Gegenüberstellung wird sehr deutlich, warum bei der Nutzung des beA besondere Sorgfalt in Bezug auf Fristen angezeigt ist: Da die letztliche Verantwortung bei der Nutzung des beA nicht beim Personal liegt, dürfte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu dieser Thematik kaum möglich sein.
Nur dann, wenn alle Prüfungen erfolgreich abgeschlossen sind, kann die Frist endlich gestrichen werden.
Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin, Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte sowie Büroleiterin der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM. Dort ist sie mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut.
Sie hat mehrere Fachbücher, wie „Arbeitshilfen für Rechtsanwaltsfachangestellte“ und „RVG für Einsteiger“ verfasst und ist Herausgeberin des „Infobriefs anwaltbüro“.