Seit dem 1.2.2022 müssen Berufsträger:innen Schriftsätze an Gerichte als elektronisches Dokument versenden. Vor diesem Hintergrund möchten wir Ihnen in diesem Beitrag die Zustellung von Anwalt zu Anwalt per beA nach § 195 ZPO vorstellen und sieben wichtige Fragen rund um das Thema beantworten:
1. Vorbemerkungen
Dieser Beitrag geht von folgenden Grundvoraussetzungen beim Versand von Nachrichten von Anwalt zu Anwalt per beA aus:
- Berufsträger:innen haben die notwendigen Hard- und Softwarevoraussetzungen für den Betrieb des beA geschaffen. Kenntnisse bezüglich der Anwendung des beA und bezüglich der formalen Voraussetzungen für elektronische Dokumente nach den §§ 2 bis 5 ERVV setzen wir daher voraus.
- Feinheiten oder Meinungsstreitigkeiten bezüglich der grundlegenden Zustellung von Anwalt zu Anwalt deckt dieser Beitrag nicht ab.
- Nach § 195 Abs. 1 S. 5 i. V. m. § 175 Abs. 2 S. 1 ZPO können Schriftstücke auch per Telekopie (= Telefax, vgl. § 130 Nr. 6 ZPO) übermittelt werden. Dieser Beitrag behandelt ausschließlich die Besonderheiten beim Versand per beA.
2. Grundsätzliches zur Zustellung von Anwalt zu Anwalt
2.1 Nach § 195 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass die zustellenden Berufsträger:innen das Dokument den anderen Berufsträger:innen übermitteln (Zustellung von Anwalt zu Anwalt).
§ 195 Abs. 1 S. 2 ZPO stellt klar, dass Schriftsätze, die vom Amts wegen zugestellt werden könnten, auch von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden können, wenn nicht gleichzeitig dem Gegner eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist. Es können somit Schriftsätze mit Sachvortrag sowie Rechtsäußerungen oder beispielsweise auch eine Widerklage nach § 253 ZPO, eine Klageänderung oder Klageerweiterung nach §§ 263, 264 ZPO von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden.
Dagegen kann beispielsweise eine Klageschrift, eine Rechtsmittelschrift oder eine Rechtsmittelbegründungsschrift nicht von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden. In diesen Fällen müsste das Gericht Anordnungen kraft Gesetzes erlassen oder einen Termin bestimmen.
2.2 Nach § 195 Abs. 1 S. 3 ZPO soll im Schriftsatz die Erklärung enthalten sein, dass von Anwalt zu Anwalt zugestellt wird. Dieser Hinweis ist nicht zwingend, aber sinnvoll. Wenn dieser Hinweis fehlt, bleibt die Zustellung von Anwalt zu Anwalt dennoch wirksam.
2.3 Die Zustellung des Dokuments müssen die zustellenden Berufsträger:innen dem Gericht nach § 195 Abs. 1 S. 4 ZPO nachweisen. Nach § 133 Abs. 2 ZPO müssen sie sofort nach der Zustellung an die gegnerischen Berufsträger:innen ihren Schriftsatz auch dem Gericht übersenden.
3. Besonderheiten der Zustellung von Anwalt zu Anwalt per beA
Nachfolgend listen wir Ihnen einige Fragen und Konstellationen auf, die bei der Zustellung eines Schriftstückes von Anwalt zu Anwalt über das beA relevant sind:
3.1 Müssen Sie für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt das beA nutzen?
Die Antwort lautet: nein!
§ 195 Abs. 1 S. 5 ZPO lässt Berufsträger:innen die Wahl, ob sie die Zustellung als elektronisches Dokument gemäß § 173 ZPO oder als Telefax nach § 175 Abs. 2 ZPO vornehmen wollen.
Es dürfte allerdings empfehlenswert sein, eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt grundsätzlich per beA vorzunehmen.
Zum einen vereinheitlichen Sie Ihre Arbeitsabläufe weiter. Seit dem 1.1.2022 sind Berufsträger:innen nach §§ 130a ZPO, 130d ZPO ohnehin verpflichtet, Schriftsätze an Gerichte ausschließlich als elektronisches Dokument zu versenden. Die Zustellung von Anwalt zu Anwalt stellt an Sie keine anderen Anforderungen, als der Versand von Schriftsätzen an Gerichte. Eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt per Telefax dürfte Ihre Arbeitsabläufe beeinträchtigen, und würde zudem einen „Medienbruch“ darstellen. Eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt per Telefax wäre als „Notfallmaßnahme“ natürlich denkbar.
Zum anderen profitieren Sie von einem zuverlässigen Versand der beA-Nachrichten, von einer verlässlichen Eingangsbestätigung und von einer hohen technischen Qualität der übersandten Schriftsätze.
3.2 Welche formalen Besonderheiten müssen Sie bei der Erstellung und dem Versand von Nachrichten beachten?
Bei einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt gelten grundsätzlich dieselben formalen Voraussetzungen wie bei der Übermittlung von beA-Nachrichten an Gerichte. Bitte lesen Sie hierzu auch den Beitrag zum Erstellen und Versenden von Nachrichten unter: beA-Nachrichten versenden.
Eine Besonderheit gibt es allerdings:
Nach § 173 Abs. 1 ZPO kann ein elektronisches Dokument nur auf einem sicheren Übermittlungsweg, d. h. über das beA zugestellt werden. Es ist somit nicht möglich, die zuzustellenden Schriftstücke qualifiziert elektronisch zu signieren und dem Zustellungsgegner z. B. per E-Mail oder auf einem Datenträger zukommen zu lassen. Letztere Möglichkeit lässt § 130a Abs. 3 ZPO nur bei Schriftsätzen an das Gericht zu.
Die vorgenannte Situation dürfte praktisch kaum eintreten. Sie sollten die Gefahr allerdings gar nicht aufkommen lassen und elektronische Dokumente ausschließlich über das beA versenden.
3.3 Müssen Nachrichten bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt qualifiziert elektronisch signiert werden?
Die Antwort lautet: nein!
Nachrichten können auch bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt mit oder ohne qualifizierte elektronische Signatur versandt werden. Beachten Sie allerdings die einschlägigen rechtlichen Voraussetzungen für den wirksamen Versand von beA-Nachrichten ohne qualifizierte elektronische Signatur. Bitte lesen Sie hierzu auch den Beitrag zur Verwendung von Signaturen unter: mkg-online.de: Signaturen beim Einsatz des beA.
3.4 Müssen Sie die Abgabe eines elektronischen Empfangsbekenntnisses (eEB) anfordern?
Die Antwort lautet: ja!
Wenn Sie ein elektronisches Dokument per beA von Anwalt zu Anwalt zustellen wollen, müssen Sie nach § 195 Abs. 2 S. 3 ZPO ein eEB anfordern.
Mehr zum Thema eEB können Sie im MkG-Magazin 1/20 nachlesen.
3.5 Wie gehen Sie beim Versand von Nachrichten bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt praktisch vor?
Zunächst sollten Sie in Ihrem Schriftsatz vermerken, dass von Anwalt zu Anwalt zugestellt wird.
Sodann erstellen Sie eine beA-Nachricht, geben den oder die Empfänger:in ein und fügen den zuzustellenden Schriftsatz sowie eventuelle Anlagen hinzu. Ferner müssen Sie die Zustellung gegen (elektronisches) Empfangsbekenntnis wählen. Schließlich müssen Sie entscheiden, ob Sie die beA-Nachricht qualifiziert elektronisch signieren oder nicht.
Entsprechend der Vorschrift in § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO müssen Sie Ihrer beA-Nachricht Abschriften Ihres Schriftsatzes nicht beifügen.
Auch wenn Sie nach § 133 Abs. 2 ZPO verpflichtet sind, sofort nach der Zustellung Ihren Schriftsatz auch dem Gericht zukommen zu lassen, können Sie dies nicht bereits in der beA-Nachricht an die Berufsträger:innen tun. Sie könnten das Gericht als Empfänger zwar zusätzlich hinzufügen. In diesem Fall könnten Sie aber das Feld „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ nicht mehr auswählen. Eine Zustellung gegen eEB ist jedoch nach § 195 Abs. 2 S. 3 ZPO verpflichtend.
Versenden Sie Ihren Schriftsatz an die Berufsträger:innen und anschließend wie gewohnt per beA an das Gericht.
3.6 Wie weisen Sie die Zustellung des Schriftsatzes gegenüber dem Gericht nach?
Nach § 195 Abs. 1 S. 4 ZPO müssen Sie dem Gericht die Zustellung Ihres Schriftsatzes unverzüglich nachweisen.
Sie müssen dem Gericht jedenfalls das eigentliche eEB zuleiten, idealerweise die gesamte beA-Nachricht der Gegenseite, die das eEB enthält. Zu diesem Zweck sollten Sie unbedingt wissen, wie Sie beA-Nachrichten exportieren. Bitte lesen Sie hierzu unseren Artikel über den Export von Nachrichten: mkg-online.de: Export von beA-Nachrichten.
3.7 Was müssen Sie noch wissen?
Nach § 195 Abs. 2 S. 4 ZPO müssen zustellende Berufsträger:innen den empfangenden Berufsträger:innen auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zustellung erteilen. Inhaltlich gibt es hier keine gesetzlichen Vorgaben. Letztlich können sich Berufsträger:innen an den Inhalt des eEB halten und mitteilen, dass die dort bezeichneten Dokumente an dem angegebenen Datum zugestellt wurden.
4. Fazit
- Nutzen Sie das beA für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt.
- Verwenden Sie idealerweise eine qualifizierte elektronische Signatur.
- Versenden Sie zwei beA-Nachrichten. Eine an die Berufsträger:innen, eine weitere an das Gericht.
- Exportieren Sie die beA-Nachricht, die das eEB der Gegenseite enthält. Diese beA-Nachricht – einschließlich des eEB – übersenden Sie dann dem Gericht.
- Auf Verlangen müssen Sie den empfangenden Berufsträger:innen eine Bescheinigung über die Zustellung erteilen.
Julius Oberste-Dommes, LL.M. (Informationsrecht) ist Rechtsanwalt bei einer auf IT-Recht spezialisierten Kanzlei aus Wuppertal. Sein fachlicher Schwerpunkt ist seit über sechs Jahren das IT-Recht, hier insbesondere IT-Vertragsrecht und Datenschutzrecht.
Kennen Sie schon unser MkG-Magazin?
Im Magazin finden Sie weitere spannende Beiträge u. a. zur BRAO-Reform
und Berufshaftpflicht.