beA Update

Von Ilona Cosack

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) gehört seit mehr als 100 Tagen zum Alltag aller Kanzleien, die forensisch tätig sind. Denn mit Ausnahme des BVerfG müssen ausnahmslos alle Schriftsätze an die Gerichte per beA übermittelt werden. Welche Erfahrungen wurden in den vergangenen Monaten gemacht – und wo steht der Elektronische Rechtsverkehr (ERV) aktuell?

1. Bisher keine Ersatzeinreichung nach § 130d ZPO erforderlich

Die BRAK dokumentiert Störungen des beA als PDF-Dokument. Bisher war das beA maximal für etwa zwei Stunden an einem Wochentag (26.1.22) in der Zeit von 14:12 bis 16:20 Uhr teilweise nicht erreichbar. Durch Wartungsarbeiten wegen Updates fiel das beA an mehreren Wochenenden im Februar und Anfang April aus. Anwender:innen monieren immer wieder, dass es schwierig ist, sich ins beA einzuloggen. Insgesamt liegen die Probleme des ERV eher darin begründet, dass auf Seiten der Justiz die elektronische Aktenführung noch die Ausnahme darstellt, damit wird ein Medienbruch unvermeidbar.

2. Facelift nach sechs Jahren

Immer wieder wurde bemängelt „die beA-Webanwendung sei altbacken, benutzerunfreundlich und unübersichtlich. Deshalb und aus eigener Anschauung hat die BRAK Oberflächenanpassungen in Auftrag gegeben, die zu einer nutzerfreundlicheren Arbeit mit der beA-Webanwendung beitragen sollen.“ So begründete die BRAK in einem Newsletter das Re-Design des beA. Hatte man erst noch geplant, die neue Optik kurz vor Weihnachten 2021 an den Start zu bringen, wurde es dann „Rosenmontag“, bevor das Update auf die Version 3.10 quasi über Nacht die Nutzer:innen überraschte.

a) Entfall von zusätzlichen Fenstern

Bislang wurde jede Nachricht in einem zusätzlichen Fenster geöffnet, während das Hauptfenster der Nachrichtenübersicht im Hintergrund blieb und dort auch das Zeitfenster (29:59 Minuten) ablief. Nunmehr kann man nur noch eine Nachricht öffnen, diese öffnet sich anstelle der Nachrichtenübersicht – Vorteil ist, dass auch das Zeitfenster immer im Blick bleibt.

Achtung: Es gibt keinen Button „Nachricht schließen“, das Verlassen der Nachricht erfolgt durch den „Zurück-Pfeil“ oben links. Speichern Sie mit dem Button „Als Entwurf speichern“ immer, bevor Sie den „Zurück-Pfeil“ betätigen, das beA speichert nichts von selbst.

b) Funktionsbutton an neuer Stelle

Waren die Funktionsbuttons bislang oberhalb der Nachrichtenübersicht, so sind diese jetzt an den rechten Rand gewandert, wobei wichtige Funktionen oben und weniger wichtige Funktionen weiter unten platziert sind. Der Button „Spaltenauswahl“, der individuelle, benutzerbezogene Einstellungen der Ansicht jedes Ordners ermöglicht, ist jetzt direkt über den rechten Rand zu erreichen. Auch neue Unterordner lassen sich unmittelbar dort erstellen, wo sie benötigt werden.

Achtung: Auch die Nachrichten in Unterordnern werden nach § 27 RAVPV gelöscht. Einfacher ist das Erstellen von persönlichen Sichten geworden. Wer mit mehreren Postfächern arbeitet, hat einen besseren Überblick und kann z. B. auf einen Blick über alle Postfächer sehen, welche noch nicht versendeten Entwürfe sich im beA befinden.

c) Mehrere Empfänger in einer Nachricht adressieren

Konnte man bisher Nachrichten mit elektronischem Empfangsbekenntnis (eEB) nur an eine:n Empfänger:in senden, sind jetzt mehrere Empfänger:innen mit individuellen Aktenzeichen adressierbar, wobei bei Gerichten die Möglichkeit, ein eEB anzufordern, ausgeschlossen ist.

Achtung: Diese Funktion ist als BCC ausgelegt, d. h., es wird pro Empfänger:in eine Nachricht versendet. Da Gerichte häufig noch nicht in der Lage sind, elektronisch weiterzuleiten, empfiehlt sich im Schriftsatz der Hinweis, dass die Kollegin bzw. der Kollege das Dokument bereits unmittelbar per beA erhält (sofern keine Zustellung durch das Gericht erforderlich ist).

3. beA-Update 3.11

Nach dem beA Update auf 3.10 am Rosenmontag gab es in der Nacht zum 31. März ein weiteres Update auf die Version 3.11. Das führte zum Stau auf der „Datenautobahn“, weil viele Anwender:innen zeitgleich die neue Version der beA-Client Security geladen haben. Erschwerend fiel auch die Telefonanlage des beA-Supports für knapp eine Stunde aus – an diesem Tag wurde das beA sicher in vielen Kanzleien verflucht.

Achtung: Verhalten Sie sich antizyklisch. Legen Sie Zeitkorridore fest, in denen sich der Datenstau in Grenzen hält. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass man durchaus Lücken findet, in denen das Senden von Nachrichten gelingt.

a) Erhöhung der Dateimengen und Dateigrößen

Der Zeitpunkt zum 31.3.22, obwohl in der Arbeitswoche, war notwendig, um die technischen Voraussetzungen zur Erfüllung der 2. ERVB 2022, die zum 1. April in Kraft getreten ist, zu schaffen. So wurden die Dateimengen von 100 auf 200 Dateien und die maximale Dateigröße einer Nachricht von 60 auf 100 MB heraufgesetzt. Diese Vorgabe gilt bis zum 31.12.22. Ab 1.1.23 erhöht sich die Anzahl der Dateien auf 1.000 und das Volumen auf 200 MB.

Achtung: Wenn das nicht ausreicht, kann die Nachricht auf mehrere Dateien aufgeteilt oder auch eine DVD oder eine CD eingereicht werden. Ein USB-Stick ist nur im Rahmen der eAeDB 2020 Nr. 3 zulässig!

b) Kennzeichnung von Nachrichtenentwürfen als „persönlich/vertraulich“

Bislang waren Nachrichten (persönlich/vertraulich) den RAK vorbehalten. Nun gibt es neben den nur intern und nicht an die Empfänger:in zu übertragenden Kästchen „dringend“ und „zu prüfen“ (die demnächst entfallen sollen) auch ein weiteres Feld „persönlich/vertraulich“. Der beA-Support weist darauf hin: „Damit sollen zukünftig auch mit dem beA Hinweise auf Verstöße gegen Berufspflichten gemäß § 25 BORA in vertraulicher Form von Anwalt zu Anwalt übermittelt werden können.“

Achtung: Der beA-Support informiert: „In der Druckansicht nach Betätigung der Schaltfläche „Drucken“ und im Nachrichtenexport nach Betätigung der Schaltfläche „Exportieren“ ist das Kennzeichen „persönlich/vertraulich“ in der beA-Version 3.11 nicht sichtbar. Diese Funktionalitäten werden mit einer der folgenden Versionen der beA-Webanwendung zur Verfügung gestellt werden.“

c) Vorbereitung auf die neue Generation von beA-Karten

Mit Sondernewsletter hatte die BRAK im Februar mitgeteilt, dass alle beA-Karten aus technischen Gründen im Laufe des Jahres 2022 ausgetauscht werden müssen. Dies führte bei vielen Nutzer:innen zu Fragen im Hinblick auf bald auslaufende Karten und bei der Bestellung von neuen beA-Karten. So soll auch ein Fernsignaturverfahren zum Anbringen der qualifizierten elektronischen Signatur möglich werden.

Achtung: Fragen zu den beA-Karten bitte ausschließlich an die Bundesnotarkammer richten: bea@bnotk.de. Prüfen Sie die Angaben zur aktuellen Kanzleiadresse im Bundesweiten Amtlichen Anwaltsverzeichnis: rechtsanwaltsregister.org und teilen Sie ggf. Änderungen der regionalen RAK mit. Ferner soll überprüft werden, ob die bei der Bestellung der beA-Karte angegebene E-Mail-Adresse noch zutreffend ist. Änderungen der E-Mail-Adresse bitte direkt an bea@bnotk.de senden.

4. Rechtsprechung: Kanzleiorganisation auf den Prüfstand stellen

Wichtig für die Kanzleiorganisation und die Arbeitsanweisungen „rund ums beA“ ist die aktuelle Entscheidung des BGH vom 8. März: „Bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokumentes gehört es zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.“

Achtung: Die Begründung zeigt, dass Arbeitsabläufe immer wieder auf den Prüfstand gehören. Prüfen Sie bitte die Handhabung in Ihrer Kanzlei, auch und gerade dann, wenn Sie nicht über die beA-Webanwendung sondern über Ihre Kanzleisoftware versenden.

Im vorliegenden Fall wurde ein Schriftsatz mit „Berufungsbegründung“ übermittelt, der lediglich aus einer Seite bestand. Nach Mitteilung der Geschäftsstelle reichte die Kanzlei dann die vollständige, fünfseitige Berufungsbegründung ein und beantragte eine Woche später die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist:

„Zur Begründung hat der Beklagte vorgetragen, seine Rechtsanwältin habe am Morgen des 26. April 2021 ihre Sekretärin angewiesen, die fertige Berufungsbegründung zur Signierung in die Anwaltssoftware einzustellen. Unmittelbar vor dem Signierungsvorgang habe seine Rechtsanwältin das eingestellte Dokument darauf geprüft, ob es sich um das richtige Dokument gehandelt habe. Ferner habe sie den Schriftsatz, bestehend aus insgesamt fünf Seiten, auch nochmals im Hinblick auf das zuständige Gericht, Aktenzeichen, Parteibezeichnung, die gestellten Anträge und die Vollständigkeit des Schriftsatzes geprüft. Auf Seite 1 habe sie noch einen kleinen Tippfehler festgestellt und ihre Sekretärin angewiesen, diesen auszubessern und die Berufungsbegründung sodann abschließend zur Signatur einzustellen. Unmittelbar vor dem erneuten Signaturvorgang habe die Rechtsanwältin den Schriftsatz nochmals geöffnet und überprüft, ob die angewiesene Änderung auf Seite 1 übernommen worden sei. Die Rechtsanwältin habe dabei festgestellt, dass die Büroangestellte den Tippfehler weisungsgemäß ausgebessert habe, und habe anschließend das Dokument signiert. Danach habe die Büroangestellte das Dokument per beA verschickt.

Im Nachgang habe sich herausgestellt, dass die Sekretärin weisungsgemäß den Fehler auf Seite 1 ausgebessert habe. Die geänderte Seite habe sie für die Papier-Handakte ausgedruckt. Anschließend habe sie das Word-Dokument in ein PDF-Dokument umgewandelt, um es sodann in die Anwaltssoftware zur Signierung einzustellen. Bei dem Print-to-PDF-Vorgang habe das Programm die Einstellung des vorangegangenen Druckvorgangs, nämlich Ausdruck nur der Seite 1, übernommen. Das habe die sonst sehr zuverlässige, geschulte und erfahrene Sekretärin übersehen. Die Rechtsanwältin sei ihren Pflichten nachgekommen. Nach der korrekten Änderung des Tippfehlers habe sie davon ausgehen können und müssen, dass der Schriftsatz im Übrigen genau wie zuvor vollständig eingestellt worden sei. Für die Rechtsanwältin habe daher kein Anlass bestanden, den restlichen Schriftsatz nochmals bis zum Ende durchzusehen.“

Der BGH führt aus:

„1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet, weil es zu den Pflichten eines Rechtsanwalts gehöre, für einen mangelfreien Zustand des ausgehenden Schriftsatzes zu sorgen. Die Rechtsanwältin des Beklagten habe sich daher nicht darauf verlassen dürfen, dass das von ihrer Sekretärin erneut in die Anwaltssoftware zur Signatur eingestellte PDF­Dokument vollständig war […].

a) Es gehört zu den Aufgaben eines Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen (m.w.N.). Ein Rechtsanwalt handelt daher schuldhaft, wenn er eine Rechtsmittelbegründungsschrift unterschreibt, ohne sie zuvor auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen […] Dies gilt auch, wenn ein Schriftsatz zum zweiten Mal vorgelegt wird. […] Maßgebend ist […], dass der – bislang nicht unterzeichnete – Schriftsatz ein weiteres Mal in seinen eigenen Kontroll- und damit auch Verantwortungsbereich gelangt. Unterzeichnet er ihn diesmal ungeprüft, ist dies einer stets schuldhaften Blankounterzeichnung gleichzustellen […].

b) Nichts anderes kann im elektronischen Rechtsverkehr für die elektronische Signatur gelten. Eine qualifizierte elektronische Signatur hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift […] Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Signierung eines elektronischen Dokuments entsprechen daher ebenso denen bei der Leistung einer Unterschrift wie sie bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen […}.

Ursächlich dafür, dass dieses fehlerhafte Dokument per beA an das Berufungsgericht übermittelt und dadurch die Berufungsbegründungsfrist versäumt wurde, war der Umstand, dass die lnstanzbevollmächtigte des Beklagten es ungeprüft signiert hat. Damit hat sie eine neue Gefahr geschaffen.

Achtung: Damit scheidet eine Stapelsignatur m. E. zukünftig aus, weil dort nicht überprüft werden kann, ob das Dokument vollständig und richtig ist.

5. Erfahrungsaustausch auf dem Deutschen Anwaltstag in Hamburg

Auf dem Anwaltstag in Hamburg wird am Donnerstag, 23.6.2022, von 11 bis 12.30 Uhr ein Erfahrungsaustausch zum beA stattfinden. Unter der Überschrift

Praxis Review: Sechs Monate aktive beA-Nutzungspflicht

findet eine Podiumsdiskussion mit Rechtsanwältin Julia von Seltmann von der BRAK, der Präsidentin des Landgerichts Wiesbaden, Dr. Cornelia Menhofer, Rechtsanwalt und Mediator Dr. Thomas Lapp (Vorstandsmitglied des EDV-Gerichtstages), Rechtsanwalt und Notar Ulrich Volk, und der Autorin dieses Artikels statt. Moderiert wird die Diskussion von Rechtsanwältin Ulrike Silbermann, die ebenso wie Dr. Lapp und Ulrich Volk Mitglied des Ausschusses Elektronischer Rechtsverkehr des DAV ist.

Wir freuen uns, wenn Sie uns unter mail@abc-anwalt.de Ihre Erfahrungen mitteilen:

Die Gesetze und Verordnungen rund um den elektronischen Rechtsverkehr regeln den SOLLZUSTAND. Wie aber ist der ISTZUSTAND? Was ist gut und was ist weniger gut umgesetzt worden in den ersten sechs Monaten des obligatorischen ERV?

So hat die Finanzverwaltung mitgeteilt, dass sie Nachrichten, die über das beA eingehen, nicht beantworten kann und Anwält:innen als bevorzugten Weg ELSTER nutzen sollen. Offenbar haben die Finanzämter, obwohl auch hier seit dem 1.1.2022 die aktive Nutzungspflicht gilt, sich noch nicht mit dem elektronischen Rechtsverkehr  befasst. Auch die Insolvenzgerichte schlagen vor, die Anlagen zu Anmeldungen per Post zu übersenden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihren Gerichten und Behörden gemacht? Wo ist Sand im Getriebe, wo funktioniert die Korrespondenz schon digital? Schreiben Sie uns, damit wir Ihr Sprachrohr auf dem Anwaltstag sein können.

Ilona Cosack
Weitere Beiträge

Ilona Cosack, Inhaberin der ABC AnwaltsBeratung Cosack Fachberatung für Rechtsanwälte und Notare, ist eine der versiertesten beA-Expertinnen und berät und begleitet Anwaltskanzleien seit 1998 ganzheitlich als Expertin mit dem Schwerpunkt Anwältin und Anwalt als Unternehmer. Mit dem Portal bea-abc.de/ begleitet sie die Einführung des ERV und des beA bereits seit Juli 2015. Sie ist Autorin der Sonderausgaben „Das beA in der Praxis – Fit für den ERV“ und „beA: So schaffen Sie den Einstieg“ im IWW Institut sowie Mitautorin der E-Broschüren zum ERV im Deutschen AnwaltVerlag.

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Die Fachinfo-Broschüre „beA leicht gemacht“ von beA-Expertin Ilona Cosack erleichtert mit zahlreichen Anleitungen und Screenshots die Vorbereitung auf die aktive Nutzungspflicht.

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Foto: Adobe Stock/Rawpixel Ltd.

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