Gewinnverteilung Kanzlei

Von Jasmin Isphording

Der Kanzleigewinn bestimmt das persönliche Einkommen und damit den Lebensstandard von Kanzleiinhabern und -inhaberinnen. Vereinfacht gesagt – und ohne Berücksichtigung steuerlicher Aspekte, ist der Kanzleigewinn der Überschuss aus den realisierten Einnahmen und getätigten Ausgaben. Ein Inhaber einer Einzelkanzlei kann frei darüber entscheiden, wie viel des Gewinns ihm nach Abzug der Steuern als persönliches Einkommen zur Verfügung steht oder beispielsweise für weitere Investitionen in die Kanzlei verwendet werden soll. Komplizierter und vor allem auch konfliktträchtiger ist es, wenn mehrere Kanzleiinhaber und Kanzleiinhaberinnen beteiligt sind – unabhängig von der Gesellschaftsform. 

Denn eine „gefühlte“ Unfairness oder eine Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der Kanzleipartner wird zunächst eine „leise“ Unzufriedenheit, wächst zu einem unterschwelligen oder offenen Konflikt innerhalb der Kanzlei an und endet nicht selten in einer handfesten und teils gerichtlichen Streitigkeit. Eine „Kanzleischeidung“ ist eine häufige und für alle Beteiligten auf vielen Ebenen teure Folge. 

Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden und trotzdem das weitere Wachstum der Kanzlei im Blick zu behalten, können folgende Aspekte bei der Ausgestaltung der Regelung hilfreich sein.

Anforderungen an eine gute Vereinbarung

  • „Am Anfang das Ende sehen“
    Denken Sie bei Diskussionen um die Vereinbarung nicht nur an die guten Zeiten mit Wachstum und der Aufnahme weiterer Partner, sondern auch an schlechte Zeiten, beispielsweise einen Todesfall oder das Ausscheiden eines Partners.
  • Steuerlich geprüft:
    Zu Beginn sollte an der idealen Lösung gearbeitet werden; die steuerliche Prüfung und ggf. Modifizierungen erfolgen am Ende.
  • Klarheit und Verständlichkeit:
    Die Vereinbarung, ggf. als Annex und jederzeit anpassbar, sollte so formuliert und festgehalten werden, dass sie auch Jahre später durch Dritte eindeutig verstanden und gelebt werden kann.
  • Transparenz und Einfachheit:
    Idealerweise sind die jeweiligen Verteilungen leicht nachvollziehbar und ohne aufwendige Berechnungen schnell möglich – auch für einen Zwischenstand. Die Kanzleisoftware, eine einfache Tabellenkalkulation oder ein Berechnungsschema auf Papier können bei einer schnellen Erfassung helfen.
  • Messbarkeit:
    Die berücksichtigten Faktoren sollten überwiegend messbar, also objektiv sein.
  • Beeinflussbarkeit:
    Jeder Inhaber und jede Inhaberin sollte Einfluss auf die vereinbarte(n) Bemessungsgrundlage(n) haben.
  • Individuell und doch zukunftsfähig:
    Vereinbaren Sie wirklich individuelle Lösungen – die zugleich bei der Erreichung der Ziele und gemeinsamen Vision der Kanzlei helfen.

Eine gute Einigung liegt vor, wenn jeder und jede Beteiligte sich in dieser zu 100 Prozent wiederfindet!

Ebenfalls empfiehlt es sich, regelmäßig und ggf. moderiert, über die Ziele, die Einkommensverteilung etc. zu sprechen, um unterschwellige Konflikte früh aufzudecken und Modifikationen vorzunehmen oder Zusammenkünfte dieser Art für strategische oder operative Überlegungen zu nutzen. Solche Treffen sowie der Umgang mit dem dafür verbundenen nötigen Budget und zeitlichen Handhabe könnten direkt mit in den Vertrag aufgenommen werden.

Herausforderungen bei der Gestaltung von Vereinbarungen zur Gewinnverteilung

Abgesehen davon, dass in der Regel keiner gerne etwas abgibt, liegt die Herausforderung bei der Gestaltung einer guten Vereinbarung darin, die Unterschiedlichkeit der Zusammenschlüsse fair und zukunftssicher in der Einigung zu würdigen.

1. Herausforderung: Die Rechtsgebiete beeinflussen die Umsatzchancen

Es ist allgemein bekannt und nachvollziehbar, dass sich die Umsätze in den verschiedenen Rechtsgebieten teilweise sehr stark unterscheiden.

2. Herausforderung: Jede Person hat andere Vorstellungen für ihr Leben

Eine Person stellt sich eine monatliche Entnahme von 10.000 Euro oder mehr vor. Eine andere ist mit 5.000 Euro zufrieden. Welche Vorstellungen eine Person an ihr Auto, ihr Haus, Urlaube etc. hat, macht die Unterschiedlichkeit schnell sichtbar.

3. Herausforderung: Die Kosten unterscheiden sich 

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Kanzleien und auch jeweilige Referate in Bezug auf die Ausgaben für IT, Fortbildung, Marketing und Personal unterschiedlich geführt werden. Schafft es ein Inhaber mit wenig Ausgaben einen ähnlichen Umsatz zu erwirtschaften wie eine Kollegin mit hohen laufenden Kosten, ist der Umgang damit früh zu bestimmen. Ebenfalls kann es auch zu Konflikten führen, wenn ein Partner genau wegen der hohen Investitionen (Skalierbarkeit) einen deutlich höheren Umsatz macht.

4. Herausforderung: Keine Zeiterfassung in der Kanzlei

Nur sehr selten findet eine komplette Erfassung der Arbeitszeit oder zumindest die Erfassung von „Kommen“ und „Gehen“ statt. Der Vorteil einer solchen Erfassung wäre, dass am Ende der Stundenlohn der Beteiligten erfasst werden könnte. Dies würde eine effiziente Arbeitsweise sowie Work-Life-Balance fördern. Ob eine Vergleichbarkeit der Zeiten hergestellt werden soll, ist individuell zu klären. Ebenfalls könnte man über Unter- und Obergrenzen nachdenken.

5. Herausforderung: Abrechnung nach gesetzlichen Gebühren versus Abrechnung nach Stundenhonorar oder Pauschalen

Auch die Art und Weise der Abrechnung kann zu einer Nichtvergleichbarkeit und Konflikten führen.

6. Herausforderung: Abstimmungsprozesse

Teilweise findet man schwierige und damit immer wieder aufgeschobene interne Abstimmungen, um Entscheidungen zu treffen, die kanzleiübergreifend einen Einfluss haben. Auch diese Abstimmungsprozesse und Stimmverteilung sollten direkt bei der Gründung besprochen oder später angepasst werden. Für die Gewinnverteilung ist dieser Themenbereich wichtig, weil er die Grenzen der Einflussnahme jedes Kanzleipartners auf mögliche Verbesserungen und Steigerungen definiert. 

7. Herausforderung: Zuordnung von Umsätzen und Kosten

Ein häufiger Diskussionspunkt ist die Zuordnung der Umsätze und Kosten. Wem wird der Umsatz zugeordnet? Der Person, die den Mandanten akquiriert oder das Mandat bearbeitet hat? Wie ist es, wenn eine angestellte Anwältin das Mandat bearbeitet oder der Mandant über die Internetseite gekommen ist? Was ist mit Mandaten, bei denen Cross-Selling gelungen ist oder gemeinsam am Mandat gearbeitet wurde? Entsprechende Regelungen hängen erneut mit dem Konzept der Kanzlei und den jeweiligen Vorstellungen (dem Gefühl) der Beteiligten zusammen. Sie stehen und fallen jedoch mit den angebotenen Möglichkeiten der (leichten) Schlüsselung innerhalb der genutzten Kanzleisoftware oder anderer parallel geführter Listen.  

Auch für die Zuordnung der Kosten kann es keine klare Empfehlung geben. Je nach Konstellation und sonstigen Überlegungen für die Gewinnverteilung eignet sich eine andere Zuordnung – oder eben keine Zuordnung. Wegen des hohen (objektiven und subjektiven) Einflusses der Kosten auf die Zufriedenheit aller Beteiligten, ist diese detailliert zu beleuchten und ebenfalls entsprechend mit dem Kanzleicontrolling und der Buchführung zu verzahnen.  

Es gibt noch viele weitere Überlegungen, die früher oder später ein Auslöser für Diskussionen oder Frust werden können. Zwei weitere Beispiele:

  • Unabhängig von der Klärung über die Gewinnverteilung, darf ebenfalls geklärt werden, was – vor allem in der Gründungsphase – passiert, wenn für die Deckung der eigenen Lebenshaltungskosten mehr entnommen wird als zu der Zeit auf dem Konto vorhanden oder auch sonst „erlaubt” ist. Ebenfalls bedarf es Überlegungen, wie eingelegtes Kapital bzw. nicht entnommene Gelder zu bewerten sind.
  • Auch Überlegungen zu Urlaubstagen, Elternzeit, Arbeitsstunden etc. bieten sich wegen des direkten oder indirekten Einflusses auf die Umsätze an.

Das neue Nachweisgesetz

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Inkl. Bemessungsgrundlage für die Gewinnverteilung und typische Gewinnverteilungsmodelle:

  • Equal Share
  • Verteilung nach Prozentsatz 
  • Verteilung in Abhängigkeit vom Anteil des verantworteten Umsatzes oder Gewinns
  • Auszahlungen entsprechen dem jeweiligen Überschuss des selbst verantworteten Bereichs

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Dipl. Kauffrau Jasmin Isphording ist Referentin und seit über 15 Jahren Inhaberin der Kanzleiberatung Jasis Consulting. Mit einem betriebswirtschaftlichen Blick unterstützt sie kleine bis mittelgroße Anwaltskanzleien dabei, die hohen Erwartungen zu erfüllen, den Umsatz zu steigern, die Freude an der Arbeit zurückzubringen und gleichzeitig den Gewinn zu steigern. Ihr Wissen hat sie in der im FFI-Verlag erschienenen Fachinfo-Broschüre „Unternehmerisches Know-how für Anwältinnen und Anwälte“ zusammengefasst.

Bild: Adobe Stock/©Olivier Le Moal

 

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