Kurzarbeit Coronakrise

Durch die Coronakrise gewinnen die Regelungen der Kurzarbeit nach den §§ 96 ff. SGB III große aktuelle Bedeutung. Der nachfolgende Beitrag soll klären, auf was Anwältinnen und Anwälte in der Beratung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Rahmen der Antragstellung auf Kurzarbeit achten sollten:

1. Einführung: Beantragung von Kurzarbeitergeld erleichtert

In einem beeindruckenden Tempo haben Bundestag und Bundesrat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass in einem begrenzten Zeitraum vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 unter erleichterten Voraussetzungen Kurzarbeitergeld beantragt werden kann, vgl. Bundesgesetzblatt 13. März 2020 & Referentenentwurf Bundesministerium für Arbeit und Soziales 23. März 2020.

2. Maßnahmen vor Antragstellung des Kurzarbeitergeld:

Es ist zunächst zu prüfen, ob individualrechtlich im Arbeitsvertrag selbst eine Regelung zur Einführung von Kurzarbeit getroffen worden ist oder ob in Betrieben mit Betriebsrat eine entsprechende Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit vorhanden ist. Fehlt eine solche Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag oder bestehen von Seiten des Arbeitgebers rechtliche Zweifel, dass diese einer AGB-Kontrolle standhalten, sollte eine Ergänzungsvereinbarung aus aktuellem Anlass mit dem Arbeitnehmer getroffen werden. Diese könnte wie folgt aussehen:

Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit

Zwischen

Name und Adresse Arbeitgeber

und

Name und Adresse Arbeitnehmer

Zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen oder der endgültigen Einstellung/Aufgabe des Betriebs/der Praxis aufgrund der Corona-Pandemie in Verbindung mit behördlich angeordneter vorübergehender Betriebsschließung und damit verbundenen Arbeitsausfalls beabsichtigt der Arbeitgeber, Kurzarbeit durchzuführen.

Der Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung kann derzeit noch nicht abschließend bestimmt werden. Im schlimmsten Fall ist es möglich, dass die Arbeit einzelner oder aller Arbeitnehmer vollständig (Kurzarbeit 0) ausfällt. Der Arbeitgeber wird alles versuchen, die Arbeitsplätze zu erhalten und wird die Dauer der Kurzarbeit so gering wie möglich halten.

Der Arbeitnehmer erklärt hiermit sein Einverständnis, dass der Arbeitgeber ab dem (Datum) bis ca. (Datum) Kurzarbeit einführt. Umfang und Lage der Arbeitszeiten während der Kurzarbeit bestimmt der Arbeitgeber. Für die Dauer der Kurzarbeit wird die Vergütung entsprechend dem Verhältnis der verkürzten zur regelmäßigen Arbeitszeit gekürzt. Im Übrigen erfolgt die Anordnung der Kurzarbeit unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen nach §§ 95 ff. SGB III.

Ort, Datum ……………………                              …………………………………

__________________________                              ________________________

Unterschrift/Stempel                                                Unterschrift

Arbeitgeber                                                            Arbeitnehmer

Hinweis:

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet eine solche Vereinbarung zur Kurzarbeit zu unterzeichnen. Er muss dann allerdings damit rechnen, dass der Arbeitgeber mindestens eine Änderungskündigung, wenn nicht gar eine betriebsbedingte Beendigungskündigung aussprechen wird. Problem ist hierbei allerdings, dass als Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung ein dauerhafter Änderungsbedarf, zum Beispiel wegen Umstrukturierung, gegeben sein muss. Dies trifft gerade in den Fällen der Kurzarbeit mit vorübergehendem Arbeitsausfall nicht zu.

Keine Einführung von Kurzarbeit ist in folgenden Fällen möglich:

  • Bei Bestehen von vertraglichen Regelungen zu Arbeitszeitkonten mit entsprechenden Flexibilisierungsmöglichkeiten, bei denen der Arbeitgeber die wöchentliche Arbeitszeit dem Arbeitsbedarf einseitig anpassen kann und darf; ABER es wird derzeit nicht verlangt, dass negative Arbeitszeitsalden aufgebaut werden.
  • positives Arbeitszeitguthaben/Überstunden. Es gilt der Grundsatz, dass diese vor Antragstellung auf Kurzarbeit abgebaut werden müssen; Ausnahmen sind denkbar und sollten je nach Sachverhalt mit der Bundesagentur für Arbeit geklärt werden.
  • Inanspruchnahme von Urlaub, insbesondere soweit dieser bereits nicht für andere Zeiträume aus persönlichen Gründen genehmigt bzw. verplant worden ist.
    • Achtung: einseitige Anordnung von Urlaub durch den Arbeitgeber ist nicht möglich!

3.Voraussetzungen

Trotz befristeter Erleichterungen während der Coronakrise sind sowohl die allgemeinen als auch persönlichen Voraussetzungen für die Kurzarbeit nach § 96 ff. SGB III zu beachten:

  • a.) Vorübergehender nicht vermeidbarer Arbeitsausfall (nicht Umsatzausfall!) mit Entgeltausfall für die Arbeitnehmer
  • b.) betriebliche Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (KUG)
  • c.) persönliche Voraussetzungen für die Gewährung von KUG
  • d.) unverzügliche Anzeige des Arbeitsausfalls

Zu a) erheblicher Arbeitsausfall nach § 96 SGB III:

Ursache für den Arbeitsausfall ist ein unabwendbares Ereignis. Während vor der Coronakrise Erkrankungen regelmäßig nicht als unabwendbares Ereignis im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III anerkannt worden sind und damit verbundene Betriebseinschränkungen bzw. Betriebsschließungen verbunden waren, stellt sich dies seit dem Ausbruch der Coronakrise für die Bundesagentur für Arbeit anders dar. So ist die Unterbrechung von Lieferketten und die dadurch bedingte vorübergehende wesentliche Verringerung der Arbeitszeit, oder staatliche Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel die Anordnung von Betriebsschließungen durch Allgemeinverfügung, ein solcher Fall, in dem nun Kurzarbeitergeld beantragt werden kann. Darunter fallen auch mittelbar betroffene Betriebe, wie zum Beispiel Hotels und Gastronomiebetriebe durch die Absage von Veranstaltungen und Kongressen.

Nach den befristet geltenden Erleichterungen gilt dies für mindestens 10 % der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer/innen mit einem Entgeltausfall von mehr als 10 %.

Zu b) betriebliche Voraussetzungen nach § 97 SGB III:

Es muss mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt sein.

Zu c) persönliche Voraussetzungen nach § 98 SGB III:

KUG-berechtigt sind:

  • Arbeitnehmer, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung nach Beginn des Arbeitsausfalles (zum Beispiel im Anschluss an eine Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses) fortsetzen oder aufnehmen
  • Fremdgeschäftsführer
  • Leitende Angestellte
  • Arbeitnehmer in der Probezeit, soweit nicht gekündigt.
  • arbeitsunfähige Arbeitnehmer mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung
  • Schwangere mit Beschäftigungsverbot außerhalb der Schutzfristen, § 18 MuSchG
  • neu auch für Leiharbeitnehmer (über den Verleiherbetrieb)
  • Arbeitnehmer im ungekündigten Arbeitsverhältnis
  • Arbeitnehmer, die keinen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben

Kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht für folgende Personenkreise:

  • geringfügig Beschäftigte
  • Beschäftigte nach Erreichen der Regelaltersgrenze
  • Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
  • Teilnehmer an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme mit Bezug von ALG I bzw. Übergangsgeld
  • Beschäftigte mit Bezug von Krankengeld
  • Schwangere während der Schutzfristen vor und nach der Entbindung, § 20 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (es bleibt bei Zahlung von Mutterschaftsgeld durch die KV mit Zuschuss des Arbeitgebers)
  • Auszubildende

zu d) unverzügliche Anzeige der Kurzarbeit

Nach § 99 SGB III muss der Arbeitsausfall unverzüglich angezeigt werden, denn nur ab dem Monat der Anzeige kann Kurzarbeitergeld geleistet werden. (Formular zum Download: https://www.arbeitsagentur.de/datei/anzeige-KUG101_ba013134.pdf)

4. Verfahrensfragen, Frist und Dauer:

a) Zuständig ist die Bundesagentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb liegt. Soweit ein Betriebsrat vorhanden ist, ist die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen.

b) Anmelden für Unternehmer, die noch nicht bei der Bundesagentur (BA) registriert sind, über eServices der BA. www.arbeitsagentur.de/Infos-für-Unternehmen

c) Nach der Anzeige des Arbeitsausfalls ist der vollständige Antrag auszufüllen (Formular hier). Es wird empfohlen, sich dabei an den fachlichen Weisungen der BA für Arbeit zu orientieren, um Verzögerungen bei der Bearbeitung und Auszahlung zu vermeiden.

d) Achtung Ausschlussfrist, drei Monate. Die Frist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem KUG beantragt wird, also bei März 2020 Beginn am 31.03.2020 und Ende am 30.06.2020.

e) Im nächsten Schritt sind dann durch den Arbeitgeber die monatlichen Abrechnungslisten bei der BA für Arbeit auf Grundlage der Lohn- und Gehaltsabrechnungen im Betrieb einzureichen (Formular hier). Sofern damit ein Steuerberater oder Lohnabrechnungsservice beauftragt ist, wird dies darüber erfolgen. Allerdings ist der Arbeitgeber in der Pflicht, das KUG korrekt zu berechnen, § 320 SGB III. Aus diesem Grund sollte er die Arbeitszeit sorgfältig dokumentieren. Die Auszahlung erfolgt zusammen mit einem Leistungsbescheid unter Vorbehalt an den Arbeitgeber. Für die Dauer der Coronakrise sind Verwaltungsvereinfachungen geplant. Es sollten bei Bedarf die aktuellen Informationen der BA für Arbeit und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales abgerufen werden.

f) Höhe und Dauer des KUG:

Das KUG wird derzeit maximal 12 Monate gezahlt. Es beträgt bei Arbeitnehmern mit unterhaltsberechtigtem Kind 67 %, sonst 60 % der pauschalierten Nettoentgeltdifferenz. Dabei wird das pauschalierte Nettoentgelt nach § 153 SGB III (Arbeitslosengeld) ermittelt. Vom Bruttobetrag abzusetzen sind dann die Sozialversicherungspauschale in Höhe von 20 % und Lohnsteuer nach jeweiliger Lohnsteuerklasse. Eine Tabelle der BA für Arbeit zur Berechnung des KUG finden Sie hier: www.arbeitsagentur.de/Tabelle-KUG.

Das Kurzarbeitergeld ist für den Arbeitnehmer steuerfrei und es fallen hierauf keine Sozialversicherungsbeiträge an.

Da der Arbeitgeber nicht zur Vorschusszahlungen des KUG verpflichtet ist, kann es zu Verzögerungen bei der Auszahlung des KUG-Anteils kommen. Hierauf sollten sich Arbeitnehmer angesichts der hohen Anzahl der KUG-Anträge einstellen.

g) Die Höhe des gezahlten KUG bedeutet für alle Arbeitnehmer zum Teil herbe Einkommensverluste. Es gibt jedoch die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber den Differenzbetrag zwischen gezahltem KUG und tatsächlichem früherem Nettoverdienst durch Zuschusszahlungen aufstockt. Diese Zuschüsse sind grundsätzlich steuerpflichtig, aber anrechnungsfrei auf das KUG bis maximal zur Höhe des normalen Nettoentgelts vor der Kurzarbeit. Die Sozialversicherungsbeiträge werden beim Zuschuss aus einem Fiktiventgelt berechnet. Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, kann dies in einer Betriebsvereinbarung zum KUG vereinbart werden, wobei die Aufstockungsbeträge variieren und zum Teil bis zu 100 % ausmachen können. Die Abrechnung des KUG-Zuschusses erweist sich zwar als aufwändig, aber es ist eine Möglichkeit für Arbeitgeber, ihr Fachpersonal in der Krise zu halten. Es empfiehlt sich daher dringend für Arbeitnehmer nach dieser Möglichkeit zu fragen, um die tatsächlichen Einkommensverluste und die Höhe der Anwartschaften in der Rentenversicherung während der Dauer des KUG so klein wie möglich zu halten.

h) Nebenverdienst des Arbeitnehmers

Hier ist zu unterscheiden zwischen einer Nebentätigkeit, die bereits vor Beginn der Kurzarbeit ausgeübt wurde und einer Nebentätigkeit, die während der Kurzarbeit aufgenommen wurde. Im ersten Fall erfolgt keine Anrechnung auf das KUG, im zweiten Fall erfolgt eine Anrechnung (Ausnahme systemrelevante Branchen und Berufe).

i) Hinweise zur Strafbarkeit und Schadenersatzpflicht

Macht der Arbeitgeber falsche Angaben bei der Anzeige des Arbeitsausfalls und im Antragsverfahren selbst, um sich dadurch rechtswidrig einen Vermögensvorteil zu verschaffen, kann dies strafrechtlich als Betrug nach § 263 StGB relevant werden.

Da die Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit regelmäßig unter dem Vorbehalt der Überprüfung stehen, kann sich der Arbeitgeber auch schadensersatzpflichtig gegenüber der Bundesagentur für Arbeit machen, wenn dieser zu Unrecht KUG erhalten hat.

Rechtsstand vom 28.03.2020, keine Haftung für Richtigkeit der Links

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