Kanzleinachfolge

Von Jasmin Isphording

Im ersten Teil der Artikelreihe zur Kanzleinachfolge wurden die Vorteile sowie Tipps für die erfolgreiche Kanzleiübernahme genannt. Im zweiten und finalen Teil der Artikelreihe erfahren Sie, wie Sie eine Kanzlei finden, die sich für die Kanzleinachfolge eignet und wie Sie den Kanzleiwert und Kaufpreis bestimmen. 

Unter der Annahme, dass eine Kanzleigründung häufig mit der Zulassung oder nach einigen Jahren Berufserfahrung erfolgt, sind die Übergebenden heute mindestens 60-jährig und haben vor dem Jahr 1990 ihre Zulassung erhalten.

Die Recherche im Internet, in Suchverzeichnissen und Registern kann auf die Internetseiten dieser „älteren“ Kolleg:innen führen – oder man fragt bei den Ortvereinen oder Anwaltskammern, ob jemand bekannt ist. Manchmal inserieren diese oder die Suchenden auch. Über eine freundliche schriftliche Kontaktaufnahme kann man ins Gespräch kommen.

Inwieweit die Kanzlei für die Kanzleinachfolge geeignet ist, kann man aber unmöglich von außen und nur auf Basis der Umsatzzahlen etc. einschätzen.

Bei der Betrachtung ist es wichtig, dass alle Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken aufgelistet werden – und ob diese durch besonderen Aufwand oder Investitionen positiv beeinflusst werden können. Doch nicht nur dies oder die sonstigen Modalitäten entscheiden, ob eine Übergabe erfolgreich wird. Überzogene Preisvorstellungen des Überlassers/der Überlasserin können die Verhandlungen schnell beenden.

Bei den Preisvorstellungen gilt es zu beachten, dass es noch Kanzleiinhaber:innen gibt, die sich damals gegen einen Eintritt ins Versorgungswerk entschieden hatten und im Alter auf den Kaufpreis angewiesen sind. Aber auch wegen der hohen Identifikation mit der Kanzlei, den vielen dort verbrachten Arbeitsstunden und einem vernachlässigten Controlling liegen die Vorstellungen häufig oberhalb dessen, was eine Kanzlei wert ist.

Kanzleiwert ist nicht gleich Kaufpreis

Kanzleiwert

Was genau die wert ist, entscheidet jedoch nicht der Umsatz (wenngleich dieser häufig noch als Grundlage dient), sondern, was der Übernehmer mit der Kanzlei in Zukunft erwirtschaften kann (Ertragswert). Bei dieser Betrachtung spielen auf der einen Seite die laufenden Kosten, die kurzfristig und mittelfristig zu tätigenden Investitionen in Marketing, IT, Mobiliar, Qualifizierung und ggf. Umzugskosten etc., auf der anderen Seite die zu erwartenden Umsätze eine Rolle. Hat eine Überlasserin/ein Überlasser nie investiert, führt dies somit für einen Übernehmer/eine Übernehmerin z. B. zu höheren Ausgaben in der Zukunft und reduziert den Kaufpreis.

Kaufpreis

Für die Festsetzung des Preises gelten die gleichen Regeln wie bei anderen Investitionen:

  1. Verhandlungsgeschick (bei aller Fairness) kann den Preis beeinflussen.
  2. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.
  3. Je höher das Risiko, desto niedriger der Preis. Für eine Kanzlei in einem „schlechteren“ Zustand, viel Handlungsbedarf und auch sonst schlechteren Rahmenbedingungen müsste somit weniger gezahlt werden.
  4. Je besser die Ausgangslage ist, desto höher darf der Kaufpreis sein.
  5. Den Kauf muss man sich „leisten“ können.
  6. Die Zahlungsbedingungen sind ein Gestaltungselement: Einmalzahlung, Ratenzahlung oder Rentenzahlung? Fälligkeiten; Haftungen; Anrechnungen?

Kredit und Liquidität

Wie bei jeder anderen Unternehmung auch, sollte vor allem die Liquidität mithilfe einer Liquiditätsrechnung sichergestellt sein. Dieser kann direkt entnommen werden, welcher Kapitalbedarf für die Übernahme nötig ist, um trotz der nötigen Investitionen keine Liquiditätsprobleme zu bekommen. Ebenfalls kann abgelesen werden, welche Höhe der Kaufpreis haben darf und ob Zinsen und Tilgung durch den Überschuss gedeckt werden können.

Eine Liquiditätsplanung ist eine der Ausführungen, die zu den typischen Ausarbeitungen eines Businessplans gehören. Nebst einer positiven Bonität ist ein solcher Businessplan unvermeidbar und besonders empfehlenswert, wenn ein höherer Geldbetrag investiert werden soll oder bei der Bank als Kredit beantragt wird.

Fazit: Ein oft vernachlässigter Weg in die Selbstständigkeit

Insgesamt ist eine Kanzleinachfolge eine viel zu oft vernachlässigte Möglichkeit, um sich selbstständig zu machen.

Welche Kanzlei übernommen werden soll, bestimmt die sorgfältige Prüfung im Vorfeld. Sofern man selbst, andere oder eine Bank bereit sind, die Kanzleiübernahme mit dem nötigen Kapital zu unterstützen, findet sie statt.

Ob die Übernahme dann erfolgreich sein wird, hängt besonders vom gelungenen Übergang des Vertrauens der Mandantschaft ab, sowie vom behutsamen, aber konsequenten Umsetzen der geplanten Schritte und Investitionen.

Weitere Beiträge

Dipl. Kauffrau Jasmin Isphording ist Referentin und seit über 15 Jahren Inhaberin der Kanzleiberatung Jasis Consulting. Mit einem betriebswirtschaftlichen Blick unterstützt sie kleine bis mittelgroße Anwaltskanzleien dabei, die hohen Erwartungen zu erfüllen, den Umsatz zu steigern, die Freude an der Arbeit zurückzubringen und gleichzeitig den Gewinn zu steigern. Ihr Wissen hat sie in der im FFI-Verlag erschienenen Fachinfo-Broschüre „Unternehmerisches Know-how für Anwältinnen und Anwälte“ zusammengefasst.

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Foto: Adobe Stock/treety

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