Bürogemeinschaft Berufsrecht

Von Tim Günther

Die Bürogemeinschaft ist ein Zusammenschluss (zumeist) von Berufsträgern und Berufsträgerinnen zur gemeinsamen Nutzung von Betriebsmitteln. Die Gründe für diese Form der Zusammenarbeit liegen häufig in der Kostenteilung bspw. von Räumlichkeiten und der Außenwirkung im Sinne der Kanzleigröße. Welche Spielregeln dabei zu beachten sind, zeigen wir nachfolgend auf.

Die Bürogemeinschaft – mit wem möglich?

Nach – dem zum 1.8.2022 neu geschaffenen – § 59q Abs. 1 BRAO können sich Rechtsanwälte zu einer Gesellschaft verbinden, die der gemeinschaftlichen Organisation der Berufstätigkeit der Gesellschafter unter gemeinschaftlicher Nutzung von Betriebsmitteln dient, jedoch nicht selbst als Vertragspartner von rechtsanwaltlichen Mandatsverträgen auftreten soll (sog. „Bürogemeinschaft“). Die Berufsträger agieren demnach als selbstständige Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen und haben mit den gegenseitigen Mandatsverhältnissen keine Berührungspunkte. Lediglich im Außenauftritt agieren die Kollegen und Kolleginnen als Bürogemeinschaft und haben sich auch – insb. zur Vermeidung einer Scheinsozietät – als solche zu kennzeichnen.

Im Innenverhältnis ist die Bürogemeinschaft zumeist eine Innen-GbR (aber auch andere gesellschaftsrechtliche Formen wären denkbar), welche bspw. Räumlichkeiten, Personal oder Infrastruktur (bspw. EDV) gemeinsam anmietet bzw. nutzt. Bürogemeinschaften dienen damit nicht der gemein­schaftlichen Berufsausübung, sondern einer gemeinsamen Organisation des Berufs, bei der Betriebsmittel wie Räume, EDV-Anlagen und gegebenenfalls personelle Ressourcen geteilt werden (BT-Drs. 19/27670, S. 199). Im Gegen­satz zur Berufsausübungsgesellschaft wird die Bürogemeinschaft daher nicht Vertragspartnerin des Mandatsver­trages und kann auch nicht zugelassen werden.

Eine Bürogemeinschaft können Rechtsanwälte nach § 59q Abs. 2 BRAO auch mit Personen eingehen, die nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind, es sei denn, die Verbindung ist mit dem Beruf des Rechtsanwalts – insbesondere seiner Stellung als unabhängigem Organ der Rechtspflege – nicht vereinbar und kann das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden.

Anders als bei der Berufsausübungsge­sellschaft ist der Personenkreis, mit dem eine Bürogemeinschaft eingegangen werden kann, nicht auf einen be­stimmten Kreis von Berufen begrenzt. Da die Berufsausübung selbst nicht gemeinschaftlich erfolgt, hat die Bü­rogemeinschaft nicht grundsätzlich Einfluss auf die Unabhängigkeit der in ihr tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (BT-Drs. 19/27670, S. 199).

Ein Ausschluss wäre bei einem makelnden Beruf (Versicherungs- oder Immobilienmakler) anzunehmen oder sofern das potenzielle Mitglied der Bürogemeinschaft

  • sich in Vermögensverfall befindet,
  • erheblich wegen Vermögensdelikten vorbestraft ist,
  • den Entzug der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu übernehmen, betrifft,
  • ein Grundrecht verwirkt oder die freiheitlich demokratische Grundordnung bekämpft oder
  • schlicht aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben.

Geltung der Berufspflichten

Nach § 59q Abs. 4 BRAO gelten für die Gesellschafter einer Bürogemeinschaft, die nicht selbst Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte sind, die Regelungen des § 59d Absatz 1, 2, 4 und 5 BRAO entsprechend.

Daraus folgt, dass auch nicht anwaltliche Mitglieder einer Bürogemeinschaft bei ihrer Tätigkeit in der Bürogemeinschaft die in der BRAO und BORA bestimmten Pflichten der in der Bürogemeinschaft tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu beachten haben. Sie sind insbesondere verpflichtet,

  • die anwaltliche Unabhängigkeit der tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu wahren sowie
  • die anwaltliche Schweigepflicht zu beachten (diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Bürogemeinschaft im Zusammenhang bekannt geworden ist).

Zudem muss der Vertrag über die Bürogemeinschaft nach § 59d Abs. 4 und 5 BRAO den Ausschluss von Gesellschaftern und Gesellschafterinnen vorsehen, die in schwerwiegender Weise oder wiederholt gegen Pflichten aus der BRAO oder BORA verstoßen.

Eine Anzeigepflicht des Eingehens einer Bürogemeinschaft gegenüber der zuständigen Rechtsanwaltskammer lässt sich weder dem § 59q BRAO noch dem § 24 BORA entnehmen.

Maßnahmen zur Einhaltung der Berufspflichten in der Bürogemeinschaft

Nach § 59q Abs. 3 BRAO sind die in der Bürogemeinschaft tätigen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen verpflichtet, angemessene organisatorische, personelle und technische Maßnahmen zu treffen, die die Einhaltung ihrer Berufspflichten gewährleisten. Der BGH (NJW 2018, 1095) geht dabei von der Geltung der Verschwiegenheitspflicht für alle Beschäftigten in der Bürogemeinschaft aus: „Zwar unterscheidet sich eine Bürogemeinschaft von einer Sozietät. Erstere stellt nur eine Betriebsgemeinschaft mit gemeinsam genutzten Sach- und Personalmitteln dar. Seinen Beruf übt jedes Mitglied der Bürogemeinschaft dagegen getrennt und eigenständig aus. Hieraus folgt, dass ein Rechtsanwalt, der mit einem anderen Rechtsanwalt oder dem Angehörigen eines anderen Berufs eine Bürogemeinschaft gründet, auch diesem gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet ist“.

Folgende Maßnahmen muss der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin demnach erfüllen:

  • Gemeinsame Beschäftigte sind vertraglich zu Verschwiegenheit insgesamt und vor allem auch gegenüber dem/den anderen Mitgliedern der Bürogemeinschaft zu verpflichten.
  • Post und eingehende Faxe dürfen insoweit nur von diesem zur Verschwiegenheit verpflichteten Personal geöffnet und bearbeitet werden.
  • Mandatsakten und -unterlagen sind in den jeweiligen Büros zu verwahren und unter Verschluss zu halten.
  • Es bedarf insbesondere einer Trennung der Arbeitssphären und EDV-Zugriffsrechte, um die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht abzusichern (BT-Drs. 19/27670, S. 199); d. h. die Gesellschafter können zwar eine Kanzleisoftware gemeinsam nutzen, sofern sodann die Zugriffsrechte jedoch nur und ausschließlich auf die eigenen Mandate bestehen.
  • Aktenarchive müssen räumlich getrennt sein.
  • Kenntlichmachung der Bürogemeinschaft an dem Kanzleischild (und anderen Außenauftritten wie etwa Briefbogen und Kanzleiwebseite).

Bei Nichterfüllung der Maßnahmen nach § 59q Abs. 3 und 4 BRAO drohen im schlimmsten Falle berufsaufsichtsrechtliche Maßnahmen der Rechtsanwaltskammern (bspw. eine Rüge oder Abhilfemaßnahme). Zivilrechtlich könnte – bei nicht hinreichend deutlicher Kenntlichmachung – der Eindruck einer Scheinsozietät entstehen, was zu Mithaftungen für Pflichtverletzungen der Mitglieder der Bürogemeinschaft führen könnte.

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Rechtsanwalt Tim Günther ist seit über zehn Jahren als Rechtsanwalt tätig und Partner der Jähne Günther Rechtsanwälte PartGmbB mit einem Beratungsschwerpunkt im Wirtschafts- und Berufsrecht. Er ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Versicherungsrecht.

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Bild: Adobe Stock/©Gorodenkoff Productions OU

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