Mandatsniederlegung

Von Tim Günther

Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen werden – wenn nicht ausnahmsweise ein Gefälligkeitsverhältnis ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen vorliegt – auf der Grundlage eines Mandatsvertrages für die Mandantschaft tätig. Bei einem Anwaltsvertrag handelt es sich rechtlich um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB mit vorwiegend dienst- oder gelegentlich werkvertraglichem Inhalt. Ersteres liegt typischerweise bei Beratungen oder Vertretungen vor, letzteres bei der Erstellung juristischer Gutachten oder von Vertragsentwürfen.

Typische Gründe für eine Mandatsniederlegung

Aufgrund der besonderen Stellung sind Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen grundsätzlich frei in der Entscheidung, ob und mit wem sie einen Mandatsvertrag abschließen; lediglich in den Bereichen der Beratungshilfe (§ 49a BRAO), der Pflichtverteidigung (§ 49 BRAO) oder der Beiordnung (§ 48 BRAO) kann es in Ausnahmefällen zu einem Kontrahierungszwang kommen.

Aus dieser Abschlussfreiheit resultiert auch die Möglichkeit einer (fast) jederzeitigen Mandatsniederlegung. Typischerweise wird ein Mandat durch eine der fünf folgenden Fallgruppen beendet:

  • Erreichung des Vertragszwecks,
  • Kündigung durch die Mandantschaft oder den Berufsträger/die Berufsträgerin,
  • Tod des Berufsträgers/der Berufsträgerin,
  • Tod/Insolvenz des Mandanten/der Mandantin oder
  • Widerruf der Zulassung.

Sofern es zu einer Kündigung seitens des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin – in Form einer empfangsbedürftigen Willenserklärung – kommt, trifft diesen/diese eine nachvertragliche (nachwirkende) Pflicht zur Aufklärung, wenn der (ehemaligen) Mandantschaft bspw. ein unmittelbarer, mit der vorangegangenen Vertragserfüllung zusammenhängender Schaden – etwa infolge eines Fristablaufs – droht. Auch wirken diverse Berufspflichten nach – und es gilt, die Vergütung zu sichern.

Kündigung zur Unzeit, § 627 BGB

Eine fristlose Kündigung ist wegen der Notwendigkeit eines fortbestehenden Vertrauensverhältnisses jederzeit auch ohne das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ nach § 627 Abs. 1 BGB zulässig. Das Recht zur Kündigung ist für den Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin lediglich insoweit eingeschränkt, als diese nicht „zur Unzeit“ erklärt werden darf, wie es § 627 Abs. 2 BGB vorschreibt. Eine solche Kündigung wäre beispielsweise der Fall, wenn der Berater unmittelbar vor der Antragstellung oder Verjährungshemmung, zu der er hinzugezogen wurde, oder kurz vor einem Gerichtstermin sein Mandat niederlegt und der Mandant bzw. die Mandantin – u. U. unter dem Druck der Antrags- oder Verjährungsfrist oder des Termins – nunmehr eigenständig handeln muss, weil er, bzw. sie in der Kürze der Zeit keinen neuen Berater mehr finden kann.

Eine Ausnahme bildet der Abschluss eines dauerhaften Beratungsvertrages, in dem Fristen für die ordentliche Kündigung vorgesehen sind. Eine derartige vertragliche Beschränkung der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit ist auch bei dem auf besonderem Vertrauen beruhenden Anwaltsvertrag wirksam (BGH NJW 2010, 1520).

Kündigt der Berater bzw. die Beraterin daher sowohl zur Unzeit und ohne – insoweit dann erforderlichen – wichtigen Grund, so hat er/sie dem Dienstberechtigten/der Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Lediglich wenn ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben war (bspw. Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses durch Beleidigung, Nichtzahlung eines Vorschusses oder nachträglich bekannt gewordene Interessenkollisionen oder Tätigkeitsverbote), behält der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin seinen/ihren Vergütungsanspruch und macht sich nicht schadenersatzpflichtig.

Vergütungsanspruch, § 628 BGB

Mit der Kündigung ist die Vergütung des Rechtsanwalts bzw. der Rechtsanwältin für die bis dahin erbrachten Leistungen nach § 8 Abs. 1 RVG insgesamt fällig. Zudem besteht nach der Kündigung des Mandats eine Verpflichtung, erhaltene Vorschüsse abzurechnen und ggfs. zurückzuzahlen.

Wird nach dem Beginn der Dienstleistung das Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 BGB gekündigt, so kann der Verpflichtete nach § 628 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich einen den bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen zum Teil bedeutungslos geworden sind. Dies stellt bei Beratungsleistungen auf Stundenbasis keine großen Probleme dar. Bei einer Vergütung nach RVG kann dies im gerichtlichen Verfahren dazu führen, dass eine Vergütung gänzlich wegfällt. Hierzu anschaulich der BGH (Urt. v. 29.9.2011 − IX ZR 170/10):

  1. Kündigt der Rechtsanwalt das Mandatsverhältnis, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils dazu veranlasst zu sein, steht ihm ein Anspruch auf Vergütung insoweit nicht zu, als der Mandant einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen muss, mit dessen Vergütung auch die Tätigkeit des kündigenden Anwalts abgegolten wäre.
  2. Von einem Interessenwegfall ist auch auszugehen, soweit die auf Grund der Kündigung neu beauftragten Rechtsanwälte fristgebundene Verfahrenshandlungen nicht mehr vornehmen, fristgebundene Erklärungen nicht mehr abgeben und an vergangenen Terminen nicht mehr teilnehmen können, wenn mit der ihnen geschuldeten gesetzlichen Vergütung auch diese Handlungen abgegolten gewesen wären.

Nachwirkende Pflichten bei einer Mandatsniederlegung

Bei einer Kündigung des Auftrags durch den Berufsträger bzw. die Berufsträgerin sind zur Vermeidung von Rechtsverlusten des Auftraggebers/der Auftraggeberin in jedem Fall noch diejenigen Handlungen vorzunehmen, die zumutbar sind und keinen Aufschub dulden; gemeint sind damit insbesondere Hinweis- und Aufklärungspflichten. Hierzu gehört beispielsweise die Pflicht, dem Auftraggeber/der Auftraggeberin laufende Fristen mitzuteilen oder über entsprechende Risiken, die nur durch sofortiges Handeln vermieden werden können, aufzuklären.

Zudem hat der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin folgende berufsrechtliche Implikationen zu beachten:

  • Fremdgelder sind nach § 43a Abs. 5 BRAO i. V .m. § 4 BORA spätestens unverzüglich nach Mandatsniederlegung auszukehren bzw. – sofern möglich und zulässig – mit offenen Gebührenforderungen zu verrechnen.
  • Die anwaltliche Schweigepflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO i. V. m. § 2 Abs. 1 BORA gilt auch nach Beendigung des Mandatsverhältnisses fort.
  • Nach § 11 Abs. 1 S. 1 BORA ist die Mandantschaft über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich und ohne gesonderte Aufforderung zu unterrichten. Ihr sind alle wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücke zur Kenntnis zu geben. Diese Verpflichtung wirkt auch nach Mandatsniederlegung fort, sofern der Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin Schriftstücke erhält.
  • Insoweit empfiehlt es sich, nach Mandatsniederlegung die Gegenseite davon zu unterrichten. Allerdings besteht im Anwaltsprozess die Vollmacht so lange fort, bis ein neuer Prozessbevollmächtigter bestellt ist, § 87 Abs. 1 ZPO. Hier sind ggfs. Zustellung zu bewirken und noch Empfangsbekenntnis nach § 14 BORA abzugeben.
  • Die etwaig gewünschte Herausgabe der Handakte kann nach § 50 Abs. 3 BRAO grundsätzlich so lange verweigert werden, bis der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin wegen der von dem/der Auftraggebenden geschuldeten Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Dies gilt allenfalls dann nicht, soweit das Vorenthalten nach den Umständen unangemessen wäre, also bspw. zu einem erheblichen Rechtsverlust führen würde.
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Rechtsanwalt Tim Günther ist seit über zehn Jahren als Rechtsanwalt tätig und Partner der Jähne Günther Rechtsanwälte PartGmbB mit einem Beratungsschwerpunkt im Wirtschafts- und Berufsrecht. Er ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Versicherungsrecht.

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