fortbildungspflicht

Von Tim Günther

Die große BRAO-Reform und die Reform anderer Berufsordnungen (bspw. PAO und StBerG) sind verabschiedet und treten zum 1.8.2022 in Kraft. Hervorzuheben sind dabei besonders Neuregelungen für berufsrechtliche Pflichten und gesellschaftsrechtliche Anpassungen. Erklärtes Ziel war es vor allem, Vollständigkeit und Kohärenz der einzelnen Berufsrechte zu schaffen und ein in sich geschlossenes und modernes Gesamtsystem für Berufsausübungsgesellschaften zu entwickeln.

Daneben wurde die Reform kurz vor deren Verabschiedung genutzt, um eine Fortbildungspflicht für jeden ab dem 1.8.2022 neu zugelassenen Rechtsanwalt und jede neu zugelassene Rechtsanwältin zu schaffen.

Nachdem sodann geltenden § 43f BRAO hat der Rechtsanwalt innerhalb des ersten Jahres nach seiner erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer Lehrveranstaltung über das rechtsanwaltliche Berufsrecht teilzunehmen. Die Lehrveranstaltung muss mindestens zehn Zeitstunden dauern und die wesentlichen Bereiche des anwaltlichen Berufsrechts umfassen.

Mit dem neuen § 43f BRAO soll sichergestellt werden, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zeitnah nach ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft über die erforderlichen Kenntnisse im anwaltlichen Berufsrecht verfügen, da diese für die Sicherung der Qualität anwaltlicher Dienstleistungen von grundlegender Bedeutung sind (BT-Drs. 19/30516 S. 44). Eine rechtliche Regelung, nach der ein Nachweis von Kenntnissen im Berufsrecht eine Voraussetzung zur Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wäre, wäre als unangemessene Belastung der Absolventinnen und Absolventen vor Aufnahme ihrer Berufstätigkeit anzusehen und könnte vor allem auch das mit der deutschen Juristenausbildung verfolgte Leitbild der „Einheitsjuristin“ beziehungsweise des „Einheitsjuristen“ in Frage stellen, was nicht bezweckt ist. Der Erwerb von Kenntnissen im Berufsrecht soll daher als Berufspflicht ausgestaltet werden (BT-Drs. 19/30516 S. 45).

Wesentliche Bereiche des Berufsrechts

Der neue § 43f. Abs. 1 BRAO macht zunächst inhaltlich keine konkreten Vorgaben. In der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz wird eine gewisse Breite der geforderten Ausbildung im Berufsrecht verlangt. Deshalb wird in Satz 2 festgelegt, dass die Lehrveranstaltung die wesentlichen Bereiche des Berufsrechts umfasst haben muss. Gegenstand der Lehrveranstaltung könnte danach die Vermittlung von Kenntnissen in folgenden Bereichen sein (BT-Drs. 19/30516 S. 45):

  • Organisation des Berufs,
  • Grundpflichten des Rechtsanwalts (Unabhängigkeit, Verschwiegenheit – einschließlich der prozessualen Folgen für Zeugnisverweigerung und Beschlagnahme –, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, Pflichten beim Umgang mit anvertrauten Vermögenswerten, Fortbildung),
  • Aufklärungs- und Informationspflichten (unter anderem zur Vergütung) gegenüber der Mandantschaft,
  • Berufsaufsicht und berufsrechtliche Sanktionen sowie
  • Grundzüge des anwaltlichen Haftungsrechts.

Nähere Vorgaben sollen durch die Satzungsversammlung erfolgen, eine entsprechende Satzungskompetenz ist durch § 59a Abs. 2 Nr. 1 lit h BRAO eingeführt worden.
Von diesem Recht hat die Satzungsversammlung in ihrer Sitzung vom 29./30.4.2022 Gebrauch gemacht und die Einführung einer neuen Vorschrift, des § 5a BORA, beschlossen. Danach sind folgende Kenntnisse nachzuweisen:

  1. Organisation des Berufs als freier Beruf sowie der Rechtsanwaltskammern als Selbstverwaltungsorgane einschließlich der Berufsaufsicht und berufsrechtlicher Sanktionen
  2. Allgemeine Berufspflicht und Grundpflichten nach §§ 43, 43a BRAO, §§ 2 bis 5a BORA
  3. Überblick über die besonderen Berufspflichten nach den §§ 43b ff. BRAO, §§ 6 bis 33 BORA
  4. Berufsrechtliche Bezüge zum anwaltlichen Haftungsrecht

Regelung betrifft nur neu zugelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

Nach § 43f. Abs. 1 S. 1 BRAO soll die Verpflichtung nur bestehen, wenn eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt erstmalig nach dem 1.8.2022 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen wurde. Hatte eine Rechtsanwältin zum Beispiel ihre Zulassung zurückgegeben, ist sie bei einer erneuten Zulassung nicht verpflichtet, eine Lehrveranstaltung zu absolvieren. Als frühere Zulassung gilt dabei auch eine solche als Syndikusrechtsanwältin oder als Syndikusrechtsanwalt; will also eine Syndikusrechtsanwältin oder ein Syndikusrechtsanwalt noch als Rechtsanwältin oder als Rechtsanwalt nach § 4 BRAO zugelassen werden, bedarf es ebenfalls keines besonderen Nachweises mehr.

Zeitpunkt der Fortbildung und Ausnahme

Der Rechtsanwalt muss innerhalb des ersten Jahres nach seiner erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer zehnstündigen Lehrveranstaltung (Präsenz oder online) über das rechtsanwaltliche Berufsrecht teilnehmen. Nach § 43f Abs. 2 BRAO besteht diese Regelung hingegen nicht, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass er innerhalb von sieben Jahren vor seiner erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer entsprechenden Lehrveranstaltung nach Absatz 1 teilgenommen hat.

Die erforderlichen Kenntnisse im Berufsrecht können daher schon während des Studiums oder des Referendariats erlangt werden. Bei den in Betracht kommenden Ausbildungen kann es sich um Lehrveranstaltungen von Universitäten oder solche innerhalb des Referendariats handeln, aber auch um solche anderer Anbieter (BT-Drs. 19/30516 S. 46).

Geltungsbereich

Die Neuregelung gilt nach § 46c Absatz 1 BRAO auch für Syndikusrechtsanwältinnen und Syndikusrechtsanwälte. Durch die jeweiligen Verweisungen auf den Dritten Teil der BRAO gilt sie zudem für in Deutschland niedergelassene ausländische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach § 206 BRAO sowie für niedergelassene europäische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach Teil 2 des EuRAG (vergleiche § 6 Absatz 1 EuRAG).

Weitere Beiträge

Rechtsanwalt Tim Günther ist seit über zehn Jahren als Rechtsanwalt tätig und Partner der Jähne Günther Rechtsanwälte PartGmbB mit einem Beratungsschwerpunkt im Wirtschafts- und Berufsrecht. Er ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Versicherungsrecht.

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