berufshaftpflichtversicherung

Von Tim Günther

Neben den klassischen Maßnahmen zur Haftungsprävention – Fortbildung, Mandatsbeschränkungen, Haftungsvereinbarung, Rechtsformwahl, Mandantenbelehrung und Kanzleiorganisation – ist auch der Abschluss einer entsprechenden und vor allem angemessenen Berufshaftpflichtversicherung für Sie unverzichtbar. Unabhängig von den vorgegebenen Mindestversicherungssummen für die jeweils agierenden Rechtsanwälte bzw. Kanzleiausprägungen sollte sich jeder Anwalt und jede Anwältin Gedanken darüber machen, welches konkrete Haftungsrisiko bei der Bearbeitung eines typischen Mandates bei ihm bzw. ihr vorliegt und die Höhe des Versicherungsumfangs entsprechend wählen. In diesem Beitrag erfahren Sie, was die Berufshaftpflichtversicherung beinhaltet und was Sie im Zuge der anstehenden BRAO-Reform wissen müssen.

1. Versicherungsleistung

Der Umfang der erforderlichen Versicherungsleistungen bestimmt sich im Wesentlichen nach § 51 BRAO. Danach sind Sie als Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus Ihrer Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer Ihrer Zulassung aufrechtzuerhalten. Letzteres bereits deshalb, da nach § 12 Abs. 1 BRAO die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erst mit der Aushändigung einer von der Rechtsanwaltskammer ausgestellten Urkunde wirksam wird. Diese Urkunde darf jedoch erst ausgehändigt werden, wenn die Bewerberin oder der Bewerber vereidigt ist (Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 12a BRAO) und – vor allem – den Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung nachgewiesen oder eine vorläufige Deckungszusage vorgelegt hat (Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 51 BRAO). Die Versicherung muss bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen zu den nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes eingereichten Allgemeinen Versicherungsbedingungen abgeschlossen werden und sich auch auf solche Vermögensschäden erstrecken, für die der Rechtsanwalt nach § 278 oder § 831 BGB einzustehen hat.

Der Versicherungsvertrag hat Versicherungsschutz für jede einzelne Pflichtverletzung zu gewähren, die gesetzliche Haftpflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts gegen den Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin zur Folge haben könnte. Dabei kann vereinbart werden, dass sämtliche Pflichtverletzungen bei Erledigung eines einheitlichen Auftrags – mögen diese auf dem Verhalten des Anwalts bzw. der Anwältin oder einer herangezogenen Hilfsperson beruhen – als ein Versicherungsfall gelten.

Von der Versicherung kann die Haftung nach § 51 Abs. 3 BRAO ausgeschlossen werden:

  • für Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung,
  • für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros,
  • für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht,
  • für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten,
  • für Ersatzansprüche wegen Veruntreuung durch Personal, Angehörige oder Sozien des Rechtsanwalts.

Die Vereinbarung eines Selbstbehalts bis zu einem Prozent der Mindestversicherungssumme ist nach § 51 Abs. 5 BRAO zulässig. Im Versicherungsvertrag ist der Versicherer zu verpflichten, der zuständigen Rechtsanwaltskammer den Beginn und die Beendigung oder Kündigung des Versicherungsvertrages sowie jede Änderung des Versicherungsvertrages, die den vorgeschriebenen Versicherungsschutz beeinträchtigt, unverzüglich mitzuteilen. Auch sind die Anschrift und der räumliche Geltungsbereich im Impressum aufzuführen (§ 2 Abs. 1 NR. 11 DL-InfoV). Die Rechtsanwaltskammer erteilt Dritten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf Antrag Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin sowie die Versicherungsnummer, soweit der Anwalt oder die Anwältin kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat. Dies gilt auch, wenn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erloschen ist.

2. Umfang der Versicherung

In Bezug auf den Umfang der entsprechenden Versicherung gilt sodann noch Folgendes: Die Berufshaftpflichtversicherung greift bei privatrechtlichen Schadenersatzansprüchen, die sich aus einer Pflichtwidrigkeit bei Ausübung des Anwaltsberufes, einschließlich der jeweiligen Verantwortlichkeit für Mitarbeitende, ergeben. Dabei werden auch die den jeweiligen Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin treffenden Kosten des Rechtsstreits erfasst. Gedeckt werden aber nur Vermögensschäden, also keine Schäden, die an Personen oder Sachen entstanden sind.

Ausgeschlossen ist der Versicherungsschutz bei:

  • Vorsatztaten und
  • Fällen wissentlicher Pflichtverletzung, beispielsweise bei einer bewussten Abweichung von den Gesetzen, Vorschriften, Anweisungen oder Bedingungen des Mandanten.

Eine wesentliche Pflichtverletzung wird z. B. angenommen, wenn eine Rechtsanwältin von Vorgaben des Mandanten abweicht – weil sie sie entweder für nachteilig oder für irrelevant hält –, wenn sie Klage erhebt, bevor die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vorliegt oder wenn sie eine Sache in Kenntnis drohender Fristversäumnis unbearbeitet lässt.

Der Versicherungsschutz gilt zunächst für den zugelassenen Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin, umfasst aber auch solche Ansprüche, die unmittelbar gegen Mitarbeitende (seien es handelnde Berufsträger oder Erfüllungsgehilfen aus dem Sekretariat) geltend gemacht werden. Die Berufsausübungsgesellschaft muss sich – da sie zumeist selbst Auftragnehmerin im Rahmen des Mandatsverhältnisses ist – selbst gegen die Gefahren der Inanspruchnahme aus anwaltlicher Tätigkeit versichern.

Die Versicherung schützt Sie grundsätzlich bei der Ausübung Ihrer beruflichen Tätigkeit, wovon meist sämtliche Beratungen und Vertretungen in Rechtsangelegenheiten erfasst werden. In den üblichen Versicherungsbedingungen werden darüber hinaus die Tätigkeit als Insolvenzverwalter, gerichtlich bestellter Liquidator, Gläubigerausschussmitglied, Treuhänder, Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger, Vormund, Betreuer, Pfleger und Beistand, Schiedsrichter, Schlichter, Mediator, Praxisabwickler und Notarvertreter mit einbezogen. Der Versicherungsschutz bezieht sich dabei nicht auf Haftpflichtansprüche wegen etwaiger Schäden aufgrund einer kaufmännischen Tätigkeit. Insbesondere bei Insolvenzverwaltern ergeben sich insoweit Abgrenzungsschwierigkeiten, sodass hier eine erweiterte Deckung für die (gewerbliche) Tätigkeit des Insolvenzverwalters anzuraten ist. Die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter wird von den meisten Versicherungsbedingungen nicht umfasst und bedarf daher ebenfalls einer gesonderten Vereinbarung.

Bei der Auswahl der entsprechenden Versicherung ist zudem eine mögliche Beratungstätigkeit mit Bezug zu ausländischem Recht (sei es geographischer oder inhaltlicher Art) zu bedenken. In zeitlicher Hinsicht ist gegebenenfalls das Thema der Rückwärtsversicherung von Bedeutung.

Im Schadensfall haben Sie dann einen Anspruch gegen Ihren Versicherer auf Freistellung von Schadenersatzansprüchen des Geschädigten sowie auf die Abwehr unbegründeter Ansprüche. Dabei ist zu beachten, dass der Versicherer grundsätzlich Vorgaben zur Auswahl des entsprechenden Prozessvertreters als auch in Bezug auf den Abschluss von Vergleichen oder etwaiger Anerkennung von Ansprüchen machen kann.

Liste der Auswahlkriterien für eine Berufshaftpflichtversicherung:

  • Umfang der Deckung für Berufsfehler
  • Deckung bei Nebentätigkeit (z. B. als Insolvenzverwalter oder Datenschutzbeauftragte)
  • Räumlicher und sachlicher Geltungsbereich
  • Höhe der Selbstbeteiligung
  • ggfs. Deckelung durch Maximierung
  • Höhe der Versicherungsprämie

3. Mindestversicherungssummen

Die Vorschrift zu den Mindestversicherungssummen wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe neu geregelt; das Gesetz tritt am 1.8.2022 in Kraft (BGBl. I Nr. 41 vom 12.7.21, S. 2363).

Danach ist künftig jede Berufsausübungsgesellschaft nach § 59n Abs. 1 BRAO n.F. verpflichtet, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und während der Dauer ihrer Betätigung aufrechtzuerhalten. Dies bedeutet, dass künftig auch jede Personengesellschaft, wie die GbR, für die bisher keine Versicherungspflicht besteht, welche jedoch trotzdem stets Auftragnehmerin des Mandatsvertrages ist, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abschließen muss. Die jeweilige Höhe der Mindestversicherungssumme der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung hängt von den rechtsformbedingten und persönlichen Haftungsverhältnissen der Berufsausübungsgesellschaft ab.

  • Bei Berufsausübungsgesellschaften, bei denen rechtsformbedingt für Verbindlichkeiten der Berufsausübungsgesellschaft aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung keine natürliche Person haftet oder bei denen die Haftung der natürlichen Person beschränkt wird (wie für eine als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassene GmbH, AG und – künftig möglich – GmbH & Co.KG) beträgt die Mindestversicherungssumme nach § 59o Abs. 1 BRAO n.F.  2,5 Mio. Euro für jeden Versicherungsfall.
  • Für Berufsausübungsgesellschaften nach Absatz 1, in denen jedoch nicht mehr als zehn Personen anwaltlich oder in einem Beruf nach § 59c Abs. 1 S. 1 BRAO tätig sind, beträgt die Mindestversicherungssumme 1 Mio. Euro; § 59o Abs. 2 BRAO.
  • Für Berufsausübungsgesellschaften, die keinen rechtsformbedingten Ausschluss der Haftung und keine Beschränkung der Haftung der natürlichen Person vorsehen (wie bspw. die Partnerschaftsgesellschaften ohne eine Beschränkung der Berufshaftung oder die GbR), beträgt die Mindestversicherungssumme nach § 59o Abs. 3 BRAO n.F. 500.000 Euro für jeden Versicherungsfall.

Die Leistungen des Versicherers können dabei nach § 59o Abs. 4 BRAO n.F. für alle innerhalb eines Versicherungsjahres verursachten Schäden auf den Betrag der jeweiligen Mindestversicherungssumme, vervielfacht mit der Zahl der Gesellschafter und mit der Zahl der Geschäftsführer, die nicht Gesellschafter sind, begrenzt werden. Ist eine Berufsausübungsgesellschaft Gesellschafter, so ist bei der Berechnung der Jahreshöchstleistung nicht die beteiligte Berufsausübungsgesellschaft, sondern die Zahl ihrer Gesellschafter und der Geschäftsführer, die nicht Gesellschafter sind, maßgeblich. Die Jahreshöchstleistung muss sich jedoch in jedem Fall mindestens auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme belaufen.

4. Mitwirkungspflichten von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten

Um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden, treffen den Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin vereinzelte Obliegenheiten. Zunächst müssen Sie dem Versicherer im vorvertraglichen Stadium alle Ihnen bekannten Umstände anzeigen, nach denen der Versicherer entsprechend in Textform gefragt hat. Treten nach Abgabe der entsprechenden Vertragserklärung Umstände ein, die für die Übernahme des Versicherungsschutzes Bedeutung hatten (beispielsweise die Einstellung neuer Mitarbeitender oder die Übernahme einer Nebentätigkeit), haben Sie diese Umstände unverzüglich der Versicherung zur Kenntnis zu bringen.

Im Falle eines Versicherungsfalles hat der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin diesen Versicherungsfall unverzüglich (spätestens innerhalb einer Woche) in Textform anzuzeigen. Ein Versicherungsfall ist bereits der Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte – nicht erst der Eintritt oder die Geltendmachung des (vermeintlichen) entsprechenden Schadens.

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Rechtsanwalt Tim Günther ist seit über zehn Jahren als Rechtsanwalt tätig und Partner der Jähne Günther Rechtsanwälte PartGmbB mit einem Beratungsschwerpunkt im Wirtschafts- und Berufsrecht. Er ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Versicherungsrecht.

Bild: Adobe Stock/©only_kim

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