Von Franziska Geusen
Man könnte meinen, dass Sie sich als Rechtanwalt oder Rechtsanwältin selbst verteidigen können, sodass der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung überflüssig wäre. In diesem Beitrag werden einige (vermeintliche) Argumente unter die Lupe genommen, die Ihnen bei der Entscheidung für oder gegen eine Rechtsschutzversicherung helfen können.
Sie wissen selbst, dass eine Spezialisierung nicht nur bei Ärzten sinnvoll ist, sondern eben auch bei Ihnen als Anwalt (im Übrigen gilt dies auch bei uns Versicherungsmaklern). Als Spezialist für Sozialrecht können Sie sicherlich eine erste Einschätzung in arbeitsrechtlichen Fragen abgeben. Sämtliche aktuelle Rechtsprechungen und Gesetzgebungen in diesem Bereich im Blick zu behalten, ist jedoch ohne entsprechende Spezialisierung nahezu unmöglich.
Als Beschuldigter, Angeschuldigter oder gar Angeklagter wird in aller Regel die für eine erfolgreiche eigene Verteidigung erforderliche, professionelle Gelassenheit stark eingeschränkt sein. Jeder Versicherer – auch im Bereich der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung – wird Ihnen von der Selbstverteidigung strickt abraten. Viele Versicherer lassen dies aus den angesprochenen Gründen erst gar nicht zu.
Gegen eine Rechtsschutzversicherung kann das eigene, dichte Netzwerk sprechen – oder?
Durch Ihr Studium und Ihre anschließende Tätigkeit kennen sich viele spezialisierte Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen untereinander und können sich im Fall der Fälle gegebenenfalls zur Seite stehen. Dies mag bei kleineren und weniger existenzbedrohenden Streitigkeiten ein Argument sein, das gegen eine Rechtsschutzversicherung spricht. Überlegen Sie jedoch, ob Sie sich auch in Ernstfällen auf einen „Freundschaftsdienst“ verlassen möchten und ob sie in den entsprechenden Bereichen gute Freunde haben.
Einer der wichtigsten Bausteine ist für Sie die Straf-Rechtsschutzversicherung. Es muss nicht immer gleich ein Cum-Ex-Skandal sein, der Sie auf den ungewollten Sitz der Anklagebank bringt. Bereits der Verkehrsunfall auf dem Weg zum Gericht oder der Vorwurf der Verletzung der Schweigepflicht kann für Sie als Beschuldigten strafrechtliche Konsequenzen haben.
Insbesondere Fachanwälte und -anwältinnen im Steuerrecht geraten regelmäßig gemeinsam mit ihren Mandanten ins Visier der Staatsanwaltschaft und benötigen sodann versierte Unterstützung durch einen Strafverteidiger oder eine Strafverteidigerin. So sah sich bereits ein Rechtsanwalt mit dem Vorwurf der bewussten falschen Sachverhaltsdarstellung vor dem Finanzgericht konfrontiert – sein Mandant war wegen des Verdachts der Bestechung und Steuerhinterziehung in ein Ermittlungsverfahren geraten. Es folgten eine Durchsuchung der Wohn- und Kanzleiräumlichkeiten sowie ein Verfahren vor dem Landgericht. Dort wurde zwar das Verfahren eingestellt und die Durchsuchung für rechtswidrig erklärt, die Kosten wurden jedoch – wie üblich – nur in geringem Umfang erstattet.
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Das Gros der entstandenen Kosten bleibt bei Ihnen – auch bei Freispruch oder Einstellung des Prozesses
Doch woran liegt das? Grundsätzlich steht jedem Freigesprochenen die Erstattung entstandener Kosten zu. Erstattet wird jedoch nur in Höhe der gesetzlichen Gebühren. Diese liegen meist weit unter den in der Praxis üblichen Honoraren, die Strafverteidiger und Strafverteidigerinnen aufrufen.
Interessant ist auch der Fall eines Rechtsanwalts, der sich nach einem emotionalen Brief an eine – aus seiner Sicht – zu mild handelnde Staatsanwältin mit einem Strafverfahren wegen Beleidigung (§185 StGB) konfrontiert sah. Von der Einsicht in die Ermittlungsakte bis zum Prozess sprechen wir hier auch schnell nicht mehr von einem Freundschaftsdienst.
Hinzu kommen mögliche Strafkautionen oder gesperrte Konten, welche die Straf-Rechtsschutzversicherung zu einem aus meiner Sicht unverzichtbaren Baustein für jeden Anwalt und jede Anwältin macht.
Warum zählen Anwältinnen und Anwälte als „unerschwünschte Berufsgruppe“?
Wenn Sie sich entschieden haben, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, stehen wir als Versicherungsmakler leider oft vor einem Problem. Viele Versicherer bieten zwar Rechtsschutzversicherungen an, Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen gehören aber nach den Zeichnungsrichtlinien zu den nicht erwünschten Berufsgruppen, die teilweise sogar einem Zeichnungsverbot unterliegen. Warum ist das so?
Hierzu müssen wir uns zunächst ansehen, wie eine Rechtsschutzversicherung aufgebaut ist. Je nach Versicherer sind unterschiedliche Bausteine wählbar. Diese können dann in unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert werden. Zu den üblichen Bausteinen zählen folgende:
Firmenrechtsschutz: Bietet Ihnen z. B. Kostenschutz bei Kündigungsschutzklagen eines Mitarbeiters oder bei Auseinandersetzungen mit einem Handwerker.
Verkehrsrechtsschutz: Versichert sind beispielsweise Streitigkeiten mit einer Werkstatt, Bußgeldbescheide oder auch Schadensersatzansprüche nach einem Unfall.
Immobilienrechtsschutz: Sie erhalten Unterstützung bei Nachbarschaftsstreitigkeiten oder der Prüfung, ob ihre Nebenkostenabrechnung korrekt ist.
Vertragsrechtsschutz: Ein Mandant zahlt seine Rechnung nicht? Dann erhalten Sie über diesen Baustein kostentechnische Unterstützung.
Strafrechtsschutz: Bei einem Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft ersetzt der Versicherer Ihnen die Kosten für einen versierten Strafverteidiger, mögliche Kautionen und Sachverständige.
Privatrechtsschutz: Im Privatbereich können wiederum diverse Bausteine abgeschlossen werden, z. B. Verkehrs-, Immobilien- oder Arbeitsrechtsschutz.
Woran liegt es nun aber, dass ein Rechtsschutzversicherer möglicherweise nur ungern einen Rechtsanwalt mit seinem mitunter sehr umfangreich ausgestatteten Deckungsschutz versieht?
Vom Kostenerstatter zum Servicedienstleister
Hierzu muss in jedem Fall berücksichtigt werden, dass sich das Angebot der Rechtsschutzversicherer in den letzten Jahren mehr und mehr von einem reinen Kostenerstatter hin zu einem echten Servicedienstleister entwickelt hat. In vielen Bausteinen ist beispielsweise eine profunde, juristische, telefonische Erstberatung integriert. Wenn Sie beispielsweise einen Bußgeldbescheid erhalten, können Sie direkt zum Telefon greifen und mit einem spezialisierten Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin erörtern, was zu tun ist.
Genau diesen Service haben Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in der Vergangenheit genutzt, um Fälle eigener Mandanten, bei denen sie nicht weiterkamen, mit einem fachlich vermeintlich versierteren Kollegen zu besprechen. Leider sprechen wir hier nicht von Einzelfällen, sondern von der systematischen Nutzung dieser kostenfreien Erstberatung durch eine Handvoll entweder am kollegialen Austausch interessierter oder wenig integrer Kollegen, die sich doch eher mit fremden Federn schmücken und hierfür Rechnung legen wollen.
Vor diesem Hintergrund gibt es daher Rechtsschutzversicherer, welche eine solche Deckung nur noch für ihnen bekannte Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen anbieten oder aber bestimmte Bausteine ausschließen. Eine reine Spezial-Strafrechtsschutzversicherung ist jedoch grundsätzlich eher kein Problem.
Was also tun? Besprechen Sie Ihr individuelles Rechtsschutzbedürfnis mit dem Versicherungsvermittler Ihres Vertrauens. Dieser kann oft durch gute Kontakte zu den Versicherern eine Lösung für Sie finden.
Franziska Geusen ist als Geschäftsführerin von ACIRIC seit vielen Jahren als Spezialistin für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen tätig. ACIRIC kümmert sich seit 1992 um die risikogerechte Absicherung von Kanzleien und unterstützt im Schadensfall durch hausinterne Volljuristen.