anwaltliches Berufsrecht

Glückwunsch! Die Zulassungsurkunde in der Hand wird es Zeit, sich mit dem Berufsrecht für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen auseinanderzusetzen. Im Folgenden finden Sie einen kurzen Überblick über die fünf wichtigsten Dos und Don’ts des anwaltlichen Berufsrechts.

Don‘ts

1. Die Verschwiegenheitspflicht nach § 2 Abs. 1 BORA

Eine der wohl essenziellsten Gebote unseres Berufsstandes ist das Gebot zur Verschwiegenheit, u.a. geregelt in § 2 Abs. 1 BORA, wo es auf Seite 1 heißt: „Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit berechtigt und verpflichtet.“ Auf S. 2 folgt dann der Hinweis, dass dies auch über den Zeitpunkt der Beendigung des Mandats hinaus gilt. Eine noch ausdifferenziertere Regelung findet sich in § 43a BRAO. Entscheidend jedenfalls ist, dass der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin den Anforderungen an die Verschwiegenheit nicht schon dadurch genügt, dass er oder sie nicht Mandatsgeheimnisse offenbart. Er oder sie muss auch geeignete Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass Dritte hierin Einblick erhalten, also präventiv tätig werden. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit wurzelt in dem Erfordernis des unbedingten Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant.

Schwierigkeiten ergeben sich in der Praxis teilweise daraus, dass die Verschwiegenheitspflicht an die berufliche Kenntniserlangung anknüpft. Klar ist aber, dass dies schon bei der Anbahnung eines Mandats der Fall ist, auch wenn dies im Nachgang nicht begründet wird. Offenkundige und bedeutungslose Tatsachen unterliegen nicht der anwaltlichen Schweigepflicht.

Wichtig ist, dass die Verschwiegenheitspflicht – insoweit stößt sie in der Praxis wohl häufig an ihre Grenzen – auch gegenüber Familienangehörigen und Kollegen/innen gilt. Unproblematisch ist aber die Preisgabe von Mandanteninformationen gegenüber Sozien. In diesem Fall wird die Verschwiegenheitspflicht nicht verletzt.

Wird die anwaltliche Schweigepflicht verletzt, droht eine anwaltsgerichtliche Maßnahme, bei Vorsatz sogar eine strafrechtliche Verurteilung.

2. Das Umgehungsverbot nach § 12 BORA

  • 12 Abs. 1 BORA lautet: „Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln.“

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem arbeitsrechtlichen Verfahren mandatiert und vertreten den Arbeitnehmer, der mit der Arbeitgeberin über einen Aufhebungsvertrag verhandelt. Nachdem der Mandant bei Ihnen war, greifen Sie zum Telefon und kontaktieren die Arbeitgeberin, um mit dieser die weiteren Verhandlungen zu führen. Das dürfen Sie solange tun, bis sich für die Arbeitgeberin ein/e Kollege/in legitimiert. Sobald dies der Fall ist, dürfen Sie als Rechtsanwalt die Arbeitgeberin nicht mehr direkt kontaktieren. Dahinter steckt zum einen der Gedanke, dass der bilaterale und ausschließliche Austausch unter Rechtsanwälten das Verfahren fördert, zum anderen der Gedanke, dass eine Partei davor bewahrt werden soll, durch direkte Kontaktaufnahme durch einen Rechtsanwalt überrumpelt und überfordert zu werden. Um genau das zu verhindern, wurde eine Anwältin bzw. ein Anwalt mandatiert. Der bezweckte Schutz des Mandanten lässt sich aber effektiv nur dann erreichen, wenn er auch mit einer entsprechenden Sanktionsnorm belegt ist, in diesem Fall dem § 12 Abs. 1 BORA.

Bei einem Verstoß drohen nämlich berufsrechtliche Sanktionen, die von der Rüge bis zur anwaltsgerichtlichen Maßnahme reichen.

3. Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

Geregelt in § 43a Abs. 4 BRAO ist das Verbot widerstreitender Interessen. Die Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO ist in der gesetzlichen Formulierung leider etwas zu knapp geraten und unterschlägt zwei wichtige ungeschriebene Tatbestandsmerkmale: die Vertretung erfolgt im Rahmen eines Mandatsvertrags bzw. es liegt eine berufliche Vorbefassung vor und die Vertretung widerstreitender Interessen bezieht sich auf dieselbe Rechtssache.

So kann man also nicht Käufer und Verkäufer gleichermaßen vertreten, weil beide völlig gegensätzliche Interessen haben. Anders kann es aber bspw. im Gesellschafterstreit sein, wo es Konstellationen geben mag, in denen der Rechtsanwalt auf Seiten eines Gesellschafters aber auch einmal als Prozessbevollmächtigter der Gesellschaft auftritt, bspw. bei der Anfechtungsklage des verfeindeten Gesellschafters.

Bei einem Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BORA ist der Anwalt verpflichtet, alle betroffenen Mandate niederzulegen. Die Kammer kann zudem eine missbilligende Belehrung aussprechen. Wird das Mandat trotz Kenntnis fortgeführt, erfüllt dies den Straftatbestand des Parteiverrats nach § 356 StGB.

Dos

1. Mandatsbearbeitung in angemessener Zeit, § 11 BORA

Nach § 11 BORA ist die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt verpflichtet, das Mandat in angemessener Zeit zu bearbeiten und den Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten.

Bei der Frage was angemessen ist, lassen sich naturgemäß keine klare Grenze ziehen. Schließlich hat jedes Mandat einen anderen Umfang in der Bearbeitung. Bei einem hochkomplexen Fall ist die Begutachtung in einem Zeitfenster von vier Wochen angemessen, während dies für einen einfachen Kündigungssachverhalt – schon aufgrund der gerichtlichen Frist – naturgemäß nicht gilt. Angemessen ist also der Zeitrahmen, den ein gewissenhafter idealer Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin benötigen würde. Hier kann es jedoch auch aus taktischen Erwägungen durchaus angezeigt sein, verzögert im Außenverhältnis zu reagieren – dies jedoch aber in Abstimmung mit dem Mandanten. Der Mandant ist auch ohne dazu auffordern zu müssen, über alles Wesentliche zu unterrichten. Die Frage, was wesentlich ist, ist dabei aus der Perspektive des Mandanten zu beantworten.

Anfragen des Mandanten sind zu beantworten. Die Grenze findet diese Pflicht dort, wo die Anfragen querulatorischen Charakter haben. Ansonsten ist aber der Mandant zurückzurufen und nicht dauerhaft durch das Sekretariat zu vertrösten. Es empfiehlt sich, Telefonlisten zu führen und regelmäßig, spätestens am Folgetag, abzuarbeiten.

2. Weiterleitung von Fremdgeldern, § 4 Abs. 2 BORA

In § 4 Abs. 2 BORA heißt es: Fremdgelder [….] sind unverzüglich an den Berechtigten weiterzuleiten.

Gleichermaßen formuliert es auch der § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO. Der Anwalt bzw. die Anwältin ist Organ der Rechtspflege. Aus dieser staatlichen Erwartungshaltung, die auch der Mandant an den Anwalt bzw. die Anwältin stellt, ist die Vorschrift erwachsen. Deswegen ist die Veruntreuung und Unterschlagung von Fremdgeldern auch ein schwerer Verstoß, der in der Regel zum Ausschluss aus der Anwaltschaft führt.

Bei der Frage, wann die Schwelle der Unverzüglichkeit überschritten ist, soll es nach umstrittener Ansicht u. a. auf die Größe der Sozietät ankommen. Bei einer kleinen Sozietät wird ein Zeitfenster von zwei bis drei Tagen zugebilligt, bei größeren Sozietäten soll sich dieses nochmals um zwei bis drei Tage, also auf denkbar sechs Tage, verlängern. Diese Fristen laufen aber erst ab dem Zeitpunkt, ab dem buchhalterisch erkannt ist, dass es sich bei dem eingegangenen Geld um Fremdgeld handelt. Insgesamt kann daher durchaus eine bis zu dreiwöchige Verzögerung nach Fremdgeldeingang noch innerhalb der Grenzen der Unverzüglichkeit liegen.

Die Aufrechnung mit eigenen Honorarforderungen ist übrigens grundsätzlich zulässig, sofern der Anspruch des Anwalts bzw. der Anwältin fällig ist.

Das anwaltliche Berufsrecht fristet ein Schattendasein im Rahmen des Referendariats. Umso wichtiger ist es deswegen, sich spätestens mit dem Start in den Anwaltsberuf mit dieser Materie auseinanderzusetzen.

Foto: Adobe.Stock/©Pixel-Shot

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