Die Unterschrift der Rechtsanwältin bzw. des Rechtsanwalts ist wiederholt Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen vor Gerichten. Anlass dazu gibt meistens eine Nachlässigkeit bei der Unterzeichnung von fristgebundenen Schriftsätzen (wie bspw. der Berufungseinlegung). Gegner und Gerichte schauen dann genauer hin, wer den (noch) fristwahrenden Schriftsatz unterzeichnet hat – und wie.
Vertreterunterzeichnung
Es war jahrelang gängige Praxis, dass die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt seinen gerichtlichen Schriftsatz nicht „in Vertretung“ („i.V.“) unterschreiben lassen darf. Man genügte damit nicht der Verpflichtung, dass die Unterschrift die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen soll und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen soll, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist.
BGH lockert die Anforderungen an die anwaltliche Unterschrift
Der BGH hat die Anforderungen an eine wirksame und zulässige Unterschrift jetzt (wiederholt) gelockert. In seinem Beschluss vom 22.10.2019 (Az. VI ZB 51/18) hat der für Haftungssachen zuständige sechste Zivilsenat nun klargestellt, dass durch die Hinzufügung des Zusatzes „i.V.“ die unterzeichnende Person regelmäßig zu erkennen gebe, dass sie als Unterbevollmächtigte des Prozessvertreters der Partei die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernehme. Das setzt lediglich voraus, dass es sich beim Unterzeichnenden um eine/n postulationsfähige/n Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt handelt.
Was war geschehen? Ein Berufsbegründungsschriftsatz der Rechtsanwaltskanzlei „G./S.“ ging beim Berufungsgericht fristgerecht ein. Der Schriftsatz war über einer maschinenschriftlichen Namenswiedergabe „E.G. Rechtsanwalt“ mit dem Zusatz „i.V.“ handschriftlich unterzeichnet. Die Unterschrift der Berufungsbegründung stamme von Rechtsanwalt H., der – wie sich aus dem verwendeten Briefbogen ergebe – Mitglied der Bürogemeinschaft „G./S.“ ist und den Schriftsatz in Vertretung für Rechtsanwalt G. unterzeichnet hat.
Anforderungen an anwaltliche Unterschrift
Zunächst stellt der BGH zutreffend fest, dass die Berufungsbegründung handschriftlich mit einem – nicht leserlichen – Schriftzug unterzeichnet war, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Für die Frage, ob eine formgültige Unterschrift vorliegt, ist dabei nicht die Lesbarkeit oder die Ähnlichkeit des handschriftlichen Gebildes mit den Namensbuchstaben entscheidend, sondern es kommt darauf an, ob der Name vollständig, wenn auch nicht unbedingt lesbar, wiedergegeben wird. So weit, so gut.
Unterzeichnung mit „i.V.“
Neu und in Abänderung der Rechtsprechung aus dem Jahre 2005 (BGH Beschl. v. 22.11.2005 – VI ZB 75/0 4) lässt der BGH auch die Hinzufügung des Zusatzes „i.V.“ genügen, da die unterzeichnende Person damit regelmäßig zu erkennen gebe, dass sie als unterbevollmächtigte Person des Prozessvertreters der Partei die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernimmt. Das setzt lediglich voraus, dass es sich beim Unterzeichnenden um eine/n postulationsfähige/n Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt handelt. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im konkreten Fall konnte der BGH dies bejahen, da sich am Anfang der Unterschrift ein „H“ erkennen ließe und ein „g“ am Ende zumindest angedeutet war. Damit ließ sich der Schriftzug unter Berücksichtigung des Zusatzes „i.V.“ bereits zum Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist dem im Briefkopf als Mitglied der Bürogemeinschaft aufgeführten Rechtsanwalt H., dessen Nachname mit einem „g“ endet, zuordnen.
Fazit
Auch wenn der BGH die Anforderungen an die Unterschrift auf einen fristwahrenden Schriftsatz lockert, ist aus Gründen der Haftungsprävention dringend anzuraten, einen Schriftsatz stets selbst zu unterzeichnen oder – im Falle der Vertretung – den Namen der vertretenden Person in den Schriftsatz aufzunehmen und sodann von diesem im Original und nicht bloß „i.V.“ unterzeichnen zu lassen.
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