Wahlstation Referendariat

Von Pia Nicklas

Hat man als Referendarin oder Referendar das Zweite Examen hinter sich gebracht und wartet auf seine Ergebnisse, stehen nicht etwa Freizeit und Urlaub an, sondern das Absolvieren der Wahlstation. 

Während man bei den regulären Stationen zumindest weitestgehend gebunden ist, kann man in der Wahlstation im Referendariat den Arbeitgeber völlig frei wählen. Für viele ist dies die Gelegenheit, bereits mit einem etwaigen Wunscharbeitgeber in Verbindung zu treten – für andere die Chance, noch einmal ins Ausland zu gehen. Welche Möglichkeiten es gibt und was bei der Wahl zu berücksichtigen ist, erfahrt ihr im folgenden Artikel.

Wo kann man die Wahlstation ableisten?

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, die Wahlstation abzuleisten. Einige von diesen Möglichkeiten sollen nachfolgend exemplarisch dargestellt werden.

Die Wahlstation beim späteren Wunscharbeitgeber

Hat man bereits einen bestimmten Wunscharbeitgeber ins Auge gefasst oder dort vielleicht sogar eine der anderen Stationen absolviert, kann es taktisch klug sein, sich bei diesem bereits für die Wahlstation zu bewerben. Zeigt man hier anschließend ausreichend Interesse und Engagement – und glänzt vielleicht noch mit fachlichem Wissen – kann man sich mit ein wenig Glück den anschließenden Bewerbungsmarathon sparen und hat direkt einen Arbeitsvertrag in der Tasche.

Die Wahlstation in der Großkanzlei

Die Wahlstation kann ebenfalls dazu genutzt werden, für sich selbst herauszufinden, ob eine Tätigkeit in einer Großkanzlei den eigenen Vorstellungen entspricht. Noch dazu ist es bei Großkanzleien nicht unüblich, dass ein Gehalt während der Wahlstation gezahlt wird. Nicht selten sind die Erwartungen des Arbeitgebers jedoch enorm. Außerdem kommt oftmals aufgrund der hohen Arbeitsbelastung das Thema Work-Life-Balance eher schlecht weg.

Die Wahlstation in einer kleineren Kanzlei

Hat man für sich bereits entschieden, dass das Leben in der Großkanzlei nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, ist es ratsam, die Wahlstation in einer mittelständischen oder kleinen Kanzlei zu absolvieren. Es sei aber zu erwähnen, dass in kleineren Kanzleien die Spezialisierung oft nicht derart ausgeprägt ist wie in einer Großkanzlei. Wenn man sich in seinem Interessengebiet noch nicht komplett festgelegt hat, kann es also durchaus Sinn machen, aus diesem Grund eher eine kleinere Kanzlei für die Wahlstation zu wählen.

Es gibt jedoch auch kleine, hochspezialisierte Kanzleien – sogenannte Boutique-Kanzleien – die sich auf ein Rechtsgebiet oder sogar nur ein Teilgebiet eines Rechtsgebiets konzentrieren. Hier ist die Beratung dann allerdings so hochwertig, dass sie sogar Großkanzleien Konkurrenz machen können. Wer sein Spezialgebiet klar vor Augen hat, kann auch nach Boutique-Kanzleien Ausschau halten.

Die Wahlstation in Wirtschaft und Unternehmen

Wer eine Karriere als Wirtschaftsjurist bzw. Wirtschaftsjuristin anstrebt, ist in einer der zahlreichen Unternehmen, die für eine Wahlstation infrage kommen, gut aufgehoben. Die meisten bekannteren Unternehmen und Konzerne agieren zudem auf dem internationalen Markt. Während sowohl im Studium, als auch während dem Referendariat eher die juristische Expertise eine Rolle spielt, so sind verhandlungssichere Englischkenntnisse in der Wirtschaft heute nicht mehr wegzudenken. Das Niveau ist an dieser Stelle nicht zu unterschätzen. Vor allem in der Vertragsgestaltung kann dies oft zur Hürde werden. Die Wahlstation kann dazu genutzt werden, herauszufinden, ob eine Karriere in einem Unternehmen wirklich das ist, was man sich vorstellt.

Die Wahlstation in einer Behörde

Wer mit Sprachen eher weniger am Hut hat, aber Interesse am Öffentlichen Recht hat und eine Karriere im Öffentlichen Dienst anstrebt, wird sich wohlmöglich für eine Wahlstation in einer Behörde entscheiden. Eine direkte Einstellung wird es anschließend zwar nicht geben, da im Öffentlichen Dienst immer eine Ausschreibung zu erfolgen hat. Im Bewerbungsprozess wird es jedoch keineswegs schaden, bereits einen positiven Eindruck bei dem ein oder anderen Vorgesetzten oder Personaler hinterlassen zu haben.

Die etwas andere Wahlstation – abseits der juristischen Klassiker

Hat man sich entweder noch nicht entschlossen, wo der Weg hingehen soll oder möchte man schlichtweg noch einmal etwas Ungewöhnliches ausprobieren, wird man fündig fernab von den Klassikern Kanzlei, Unternehmen oder Behörde. So ist es beispielsweise möglich, im Bereich der Medien, also bei Zeitungen, aber auch in (juristischen) Verlagen oder sogar beim Fernsehen seine Wahlstation abzuleisten.

Des Weiteren bietet auch die JVA Möglichkeiten für Juristen und Juristinnen, die nicht der alltäglichen Tätigkeit eines Juristen bzw. einer Juristin entspricht.

In den meisten Kliniken werden ebenfalls Juristen und Juristinnen gesucht. Von der reinen Vertragsgestaltung, über das Vergaberecht, das meist beim Einkauf angesiedelt ist, bis hin zum Medizinrecht ist hier fast alles vertreten. Auch die Personalabteilungen der Kliniken liebäugeln häufig mit (angehenden) Juristen und Juristinnen, die fit im Arbeitsrecht sind. Wer hier ein wenig kreativ ist und zusätzlich noch Interessen außerhalb der klassischen „Juristerei“ mitbringt, wird hier sicher schnell fündig.

Wer sich für Kunst und Kultur interessiert, kann seine Wahlstation in der Rechtsabteilung einer Kulturinstitution ableisten. Wer sich z. B. für Entwicklungsarbeit interessiert, kann bei NGOs fündig werden.

Die Wahlstation im Ausland

Für den ein oder anderen kann es interessant sein, die Wahlstation im Ausland zu verbringen. Beliebt ist dies vor allem bei Kanzleien und Unternehmen, da heutzutage die juristischen Sachverhalte immer internationaler werden. Ideal ist ein Auslandaufenthalt aber natürlich allein deshalb, um die Sprachkenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen und um ein anderes Rechtssystem kennen zu lernen. Im Bereich der Behörden ist ein Auslandsaufenthalt zwar nicht ganz so verbreitet, jedoch durchaus im Bereich des Machbaren. Hier kommt beispielsweise der temporäre Aufenthalt in einer deutschen Botschaft in Betracht. Zu beachten ist an dieser Stelle jedoch, dass die Bewerberzahl hier sehr groß ist und nur verhältnismäßig wenige Plätze zur Verfügung stehen.

Die Wahlstation und der LL. M.

Nicht gerade stressfrei, aber sicherlich spannend kann es sein, die Wahlstation mit einem Teil des LL. M.-Studiums – beispielsweise in den USA – zu verbinden. Nicht alle Universitäten machen deutschen Referendaren und Referendarinnen diese Angebote, jedoch werden es immer mehr. Die UC Berkeley gilt an dieser Stelle als Vorreiter. Auch andere Law Schools ziehen mittlerweile nach. Generell gilt hier, dass ein LL. M. sicher für jeden attraktiv ist, der in internationalen Gewässern unterwegs ist.

Problematisch kann es jedoch in finanzieller Hinsicht werden, da die Studiengebühren vor allem in den USA extrem hoch sind. Umgerechnet ca. 28.000 Euro fallen in der Regel an. Wenn man nicht gerade ein Stipendium erhält, ist eine solche Summe als Referendar bzw. Referendarin meist nicht ohne Weiteres aufzubringen.

Wie lange dauert die Wahlstation eigentlich?

Die Wahlstation dauert etwa vier Monate. In dieser Zeit warten die Referendarinnen und Referendare auf die Ergebnisse ihrer schriftlichen Prüfungen und müssen sich nebenbei noch auf die mündliche Prüfung vorbereiten. Wie zeitintensiv die Wahlstation tatsächlich ist, hängt davon ab, wo man diese absolviert. So kann es vorkommen, dass man lediglich zu Hause einige Fälle bearbeiten muss und ansonsten „Freizeit“ hat. Genauso ist es aber möglich, dass die Wahlstation einer Vollzeittätigkeit gleichkommt. Dies ist meist bei Großkanzleien oder renommierten Unternehmen der Fall.

Erhält man in der Wahlstation im Referendariat eine Vergütung?

Ob man in der Wahlstation eine Vergütung erhält, lässt sich nicht pauschalisieren. Landet man in einer Großkanzlei, ist es üblich, dass eine Vergütung gezahlt wird. Schließlich ist man hier meist aktiv in das Kanzleigeschehen eingebunden. Leistet man die Wahlstation dagegen in einer kleinen Kanzlei ab, wo man nur ab und an mal einen Fall zum Schnuppern erhält, ist es keineswegs üblich, dass ein Honorar gezahlt wird. Wie bei so vielem kommt es eben darauf an. Ist es einem sehr wichtig, zusätzlich zur Unterhaltsbeihilfe eine Vergütung zu erhalten, sollte man sich jedenfalls vorher erkundigen, wie es mit der Bezahlung gehandhabt wird.

Bewerbungsfristen – gibt es so etwas?

Ähnlich verhält es sich bei den Bewerbungsfristen. Wie bereits erwähnt, gibt es absolut beliebte Stationen, wie beispielsweise das Auswärtige Amt, bei dem man sich tatsächlich frühzeitig bewerben sollte. Leistet man die Wahlstation dagegen in der Kanzlei nebenan ab, genügt es meist, kurz davor einmal nachzufragen. Nichtsdestotrotz sollte man sich frühzeitig überlegen, wo man die Wahlstation ableisten möchte.

Fazit: Nutze die Möglichkeiten!

Ist das Zweite Staatsexamen erst einmal abgeschlossen, werden sich womöglich nicht mehr so schnell derartig vielseitige Möglichkeiten ergeben, in unterschiedliche Berufsfelder reinzuschnuppern, wie es in der Wahlstation der Fall ist. Man sollte sich deshalb frühzeitig durch den Kopf gehen lassen, was das ganz persönliche Ziel ist. Möchte man noch einmal ins Ausland, zieht es einen in exotischere Gebiete oder möchte man doch bereits beim eventuell zukünftigen Arbeitgeber anfragen? Egal zu welchem Ergebnis man letztendlich kommt – wichtig ist es, hinter seiner Entscheidung stehen zu können.

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Pia Nicklas hat Rechtswissenschaften in Bayreuth und Wirtschaftsrecht an der Fernuniversität Hagen studiert. Sie arbeitete erst als Werkstudentin und nach Ihrem Abschluss als Wirtschaftsjuristin im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Nach einem kurzen Ausflug in die Kanzleiwelt und in ein großes Wirtschaftsunternehmen, ist sie seit Anfang 2020 als freiberufliche Fachtexterin im juristischen Bereich tätig.

Foto: Adobe Stock/Delphine Poggianti

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