Zivilrechtsstation

Von Lena Battenberg

Ist die nervenaufreibende Zeit des Jurastudiums überstanden und das Erste juristische Staatsexamen geschafft, wartet auf ehemalige Jurastudierende ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Volljuristin bzw. zum Volljuristen: das Referendariat.

Wie genau das Referendariat abläuft, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Gemeinsam hat dieser Teil der juristischen Ausbildung in allen Bundesländern jedoch, dass er aus verschiedenen Stationen besteht und unter anderem eine Zivilrechtsstation beinhaltet. Was euch während der Zivilrechtsstation erwartet, ob ihr wählen könnt, wo ihr sie absolviert, und welche Unterschiede es zwischen der Zivilrechtsstation am Amts- und am Landgericht gibt, erfahrt ihr im Folgenden.

Die Zivilrechtsstation als Teil des Rechtsreferendariats

Obwohl sich Organisation, Termine und einige andere Feinheiten rund um das Rechtsreferendariat von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, gibt es eine wichtige Gemeinsamkeit: Das Referendariat besteht in allen deutschen Bundesländern aus fünf Stationen:

  • der Zivilrechtsstation
  • der Verwaltungsstation
  • der Strafrechtsstation
  • der Anwaltsstation und
  • der Wahlstation

In vielen Bundesländern beginnt das Referendariat mit der fünfmonatigen Zivilrechtsstation – das ist etwa in Bayern und Nordrhein-Westfalen der Fall. Unter anderem in diesen Bundesländern stellt die Zivilrechtsstation sozusagen den Start in die Referendariatszeit dar und nimmt bereits daher eine besondere Stellung ein.

So läuft die praktische Studienzeit rund um die Zivilrechtsstation ab

Für viele angehende Juristen und Juristinnen stellt die Zivilrechtsstation die erste der fünf Referendariatsstationen dar. Das bedeutet: Mit ihr werden nicht nur praktische Erfahrungen auf einem „neuen“ Rechtsgebiet gesammelt. Vielmehr stellt sie für viele angehende Volljuristen auch den Start ins Referendariat dar.

Damit der Start nicht zu holprig verläuft, beginnt die Zivilrechtsstation mit einem Einführungslehrgang. Der Einführungslehrgang dient dabei der Orientierung und Vorbereitung auf die eigentlichen Inhalte der Zivilrechtsstation. Obwohl die Lehrgänge unterschiedlich ausgestaltet sein können, dauern sie regelmäßig zwei bis vier Wochen und bestehen aus täglichen Lerneinheiten von etwa vier Stunden. Während des Unterrichts werden den angehenden Volljuristen und Volljuristinnen etwa der Urteilsstil an Zivilgerichten, die bürokratischen Abläufe bei Gericht und ein grober Überblick über die ZPO vermittelt.

Ist der Einführungslehrgang beendet, findet eine die Zivilrechtsstation begleitende Zivilrechts-AG, in der wichtige Ausbildungsinhalte vermittelt werden sollen, statt. Die Arbeitsgemeinschaft wird regelmäßig von einem Zivilrichter bzw. einer Zivilrichterin geleitet und findet einmal pro Woche statt. Sie dient dazu, Referendarinnen und Referendare auf die Zivilrechtsklausuren im Rahmen ihres Zweiten Staatsexamens vorzubereiten und bringt ihnen zu diesem Zweck insbesondere den Urteilsstil und zivilprozessuale Fragen näher.

Ferner werden Referendarinnen und Referendare während ihrer Zivilrechtsstation einem Einzelausbilder zugeordnet. Der Einzelausbilder ist ein Richter oder eine Richterin an einem Amts- oder Landgericht. Ihren Einzelausbilder bzw. ihre Einzelausbilderin dürfen Referendarinnen und Referendare dann zu Sitzungen begleiten und Akten für und unter Anleitung des Ausbilders bzw. der Ausbilderin bearbeiten.

Darf zwischen Amtsgericht und Landgericht frei gewählt werden?

Prinzipiell werden Rechtsreferendare und -referendarinnen einem Einzelausbilder zugewiesen. Die Möglichkeit, einen bestimmten Ausbilder bzw. zwischen einer Ausbildung am Amts- oder Landgericht zu wählen, gibt es dabei nicht. Ob ihr während eurer Zivilrechtsstation an einem Land- oder Amtsgericht tätig seid, ist daher reiner Zufall.

Allerdings besteht die Möglichkeit, eigene Wünsche bezüglich der Zivilrechtsstation zu äußern. Das kann etwa dann sinnvoll sein, wenn Referendarinnen und Referendare klare Präferenzen bezüglich des Ausbildungsortes (Amts- oder Landgericht) haben oder einen ausbildenden Richter bereits persönlich kennen. Ein Anspruch darauf, dem Wunschausbilder bzw. dem Wunschgericht zugeteilt zu werden, besteht jedoch nicht. Oft kommt es allerdings vor, dass geäußerte Wünsche berücksichtigt werden.

Welche Aufgaben erwarten euch am Amts- bzw. Landgericht?

Aufgabe von Referendarinnen und Referendaren am Amts- und Landgericht ist es, gemeinsam mit den Ausbildenden an Sitzungstagen teilzunehmen und Voten, Urteile oder richterliche Verfügungen und Ähnliches zu verfassen. Wird die Zivilrechtsstation am Landgericht abgeleistet, kommt außerdem die Teilnahme an Beratungsgesprächen zwischen den Richtern einer Kammer hinzu.

Die praktische Ausbildung am Amts- und Landgericht ist gleich aufgebaut. Dementsprechend sind die Erfahrungen, die Referendare und Referendarinnen sammeln, gleichwertig und bereiten sie gleichermaßen gut auf ihr Assessorexamen vor.

Zivilrechtsstation am Amtsgericht: die Vor- und Nachteile

Die Amtsgerichte sind gemäß § 23 GVG für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten ständig, sofern diese nicht aufgrund ihres Streitwerts oder Streitgegenstands den Landgerichten zugewiesen sind. In der Praxis bedeutet das: Die Amtsgerichte beschäftigen sich mit facettenreichen Streitigkeiten – allerdings sind diese bezüglich ihres Streitwerts übersichtlicher und stammen meist aus dem bürgerlichen (Streit-)Alltag.

Für Referendarinnen und Referendare ist dabei vorteilhaft, dass sich die Aktendicke der eher „gewöhnlichen“ Rechtsstreitigkeiten in Grenzen hält. Das ermöglicht es, sich innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit gleich in mehrere Fälle einzulesen. Gleichzeitig macht der geringere Aktenumfang aber auch die Vorbereitung von Verhandlungstagen leichter. So ist die Arbeitsbelastung oftmals geringer und es bleibt genügend Zeit für das Nacharbeiten des AG-Stoffs.

Obwohl die am Amtsgericht zu erwartende Arbeitsbelastung für Referendarinnen und Referendare geringer sein kann, ist allerdings zu bedenken: Oftmals handelt es sich bei den Streitigkeiten, die vor dem Amtsgericht verhandelt werden, um ähnliche oder altbekannte „Klausurfälle“. Hierdurch wird eine intensive Vorbereitung auf bestimmte Standardfälle möglich – im schlechtesten Fall kann die Arbeit am Amtsgericht allerdings auch eintöniger sein als die an einem Landgericht.

Zivilrechtsstation am Landgericht: die Vor- und Nachteile

Bei Verhandlungen vor dem Landgericht geht es oft um vergleichsweise komplexe Sachverhalte, die mehrere Sitzungstermine erforderlich machen. Hieran ist der Aufbau bzw. Ablauf an den Landgerichten angepasst: Anders als am Amtsgericht werden Streitigkeiten nicht durch einen Einzelrichter entschieden. Vielmehr entscheiden Richterinnen und Richter am Landgericht in Kammern, die üblicherweise mit drei Richtern pro Kammer besetzt sind (§§ 59 bis 78b GVG). Ein Einzelrichter hat hingegen nur in besonderen Fällen (§ 75 GVG) zu entscheiden.

Außerdem lassen sich thematische Unterschiede zu den Fällen, die vor den Amtsgerichten verhandelt werden, feststellen: Während die Amtsgerichte häufig mit „Examensklassikern“ befasst sind, geht es vor den Landgerichten oft um „exotischere“ Fragestellungen. Erbrechtliche Streitigkeiten sind dabei genauso denkbar wie Streitigkeiten rund um Bank- und Finanzgeschäfte.

Für Referendarinnen und Referendare kann das bedeuten, dass sie sich nicht nur in umfangreichere Akten, sondern auch in eher unbekannte Themengebiete einarbeiten müssen. Das ist interessant – kann gleichzeitig aber auch zeitintensiv und arbeitsaufwendig sein.

Amtsgericht oder Landgericht: Welches Gericht ist die bessere Alternative für die Zivilrechtsstation?

Steht ihr kurz vor eurem Referendariat bzw. der Zivilrechtsstation, stellt ihr euch sicherlich die Frage, ob das Amts- oder das Landgericht die bessere Alternative für eure Ausbildung ist. Häufig wird diese Frage durch Ausbilder oder Mit-Referendare und -Referendarinnen befeuert. Nicht selten hört man schließlich, dass es die bessere Alternative sei, die Zivilrechtsstation bei einem Amtsgericht zu absolvieren.

Als Begründung hierfür wird häufig angeführt, dass die von den Amtsgerichten bearbeiteten Fälle am ehesten die relevanten Examensfälle widerspiegeln würden. So soll es Referendaren und Referendarinnen möglich sein, sich besonders gut auf das Schreiben examensrelevanter Urteile vorzubereiten. Zu bedenken ist allerdings: Absolviert ihr eure Zivilrechtsstation an einem Landgericht, liegen die Examensklausuren meist noch weit in der Zukunft. Auch dann, wenn ihr am Landgericht weniger examenstaugliche Fälle bearbeitet, habt ihr ausreichend Zeit, euch das umfangreiche, examensrelevante Wissen zu erarbeiten. Eventuelle Wissenslücken können in dieser Zeit meist problemlos geschlossen werden.

Ferner ist das Examen ohnehin für alle Referendare und Referendarinnen eine Art Glücksspiel. Schließlich kann niemand wissen, ob in den Examensklausuren altbekannte Klassiker oder mietrechtliche Streitigkeit relevant werden. Dementsprechend sind wohl die von den Amtsgerichten als auch die von den Landgerichten bearbeiteten Fälle als wertvolle Lerninhalte und damit als examensvorbereitend anzusehen.

Außerdem sprechen die oftmals umfangreicheren Akten nicht zwingend gegen die Zivilrechtsstation am Landgericht. Zwar müssen sich Referendare tatsächlich oftmals durch dicke Aktenberge arbeiten – der Umfang der Akte sagt dabei allerdings nicht zwingend etwas über die Schwierigkeit der bearbeiteten Fälle aus. Der größere Aktenumfang an den Landgerichten hat daher nicht zwangsläufig zur Folge, dass Referendarinnen und Referendare mit Zeitmangel und einer höheren Arbeitsbelastung zu kämpfen haben.

Insgesamt lässt sich daher nicht sagen, welches Gericht das „Richtige“ zum Ableisten der Zivilrechtsstation ist. Vielmehr sind sowohl die Ausbilderinnen und Ausbilder an den Amts- als auch die an den Landgerichten bestens qualifiziert, um euch auf das Examen vorzubereiten. Dementsprechend sind Amts- und Landgericht als gleichwertige Ausbildungsstätten anzusehen.

Lediglich dann, wenn ihr thematische Vorlieben entwickelt habt und euch beispielsweise für die Fälle, die vor dem Landgericht verhandelt werden, besonders interessiert, kann es sich lohnen, den Wunsch nach einer Ausbildung am Landgericht zu äußern. Schließlich lernt es sich mit Interesse und Eigenmotivation gleich doppelt so gut. Habt ihr hingegen noch keine thematischen Vorlieben, seid ihr sowohl mit dem Amts- als auch dem Landgericht aus Ausbildungsstätte gut beraten.

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Lena Battenberg hat Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg studiert. Bereits während ihres Studiums war sie in einer Kanzlei tätig, die sich unter anderem auf Bau- und Planungsrecht, aber auch auf Immobilienwirtschaftsrecht spezialisiert hat. Nach Abschluss ihres Studiums und mit Kanzleierfahrung im Gepäck ist sie seit Ende 2015 als freiberufliche Fachtexterin im juristischen sowie im Finanzbereich tätig.

Foto: Adobe Stock/©uh Fotografie Bonn

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