ChatGPT Bing Chat

Von Carmen Wolf

ChatGPT & Co. sind derzeit „heiß diskutiert“: Man liest von Schulkindern und Studierenden, die sich ihre Hausarbeiten, Aufsätze oder Referate mit dem Tool generieren lassen, hört von den Möglichkeiten, sich mittels Künstlicher Intelligenz PowerPoint-Folien und Excel-Tabellen erstellen zu lassen und weiß – meist eher durch die private Nutzung – um KI-basierte Tools zur Bild-, Video- und Musikbearbeitung.

Da liegt doch die Frage gar nicht fern, ob und wie sich solche Tools (im Fokus hier: ChatGPT und New Bing) sinnvoll und insbesondere zeitsparend in den Arbeitsalltag von Anwaltskanzleien integrieren lassen, insbesondere im Anwaltssekretariat. Um die Einsatzmöglichkeiten und die Grenzen zu erkennen, sind allerdings ein paar Informationen vorab notwendig.

Was sind die „gehypten“ Tools und wie arbeiten sie?

ChatGPT und New Bing sind „sprachbasierte Chatbots“, die so programmiert sind, dass sie in der Lage sind, eine menschenähnliche Kommunikation zu führen, also Antworten auf Fragen oder Anfragen zu generieren. Jedoch greifen diese Tools – anders, als man vermuten mag – nicht auf Daten und Fakten zurück, sondern wurden auf die Erkennung von Textmustern trainiert. Die Chatbots durchsuchen also bestehende Texte in:

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  • Onlineforen,
  • Blogs,
  • sozialen Medien,
  • Zeitungsartikeln,
  • (digitalen) Büchern,
  • Wikipedia
  • und was es sonst noch so
  • im Internet gibt.

Aus diesen (ungeprüften) Quellen werden dann die Texte bzw. Antworten auf die gestellten Fragen oder Aufgaben erzeugt. Und hier stoßen die Tools an die ersten Grenzen: Ist das, was einmal irgendwann und irgendwo von irgendwem gepostet wurde, rechtssicher? Kann man sich also auf die Lösungsvorschläge verlassen? Nicht unbedingt! Was heißt das im Ergebnis?

Wenn Sie diese Tools nutzen, wissen Sie nicht, ob die Informationen aus glaubwürdigen Quellen stammen. Die Antworten können (teilweise) aus fehlerhaften Veröffentlichungen oder Fake-News generiert worden sein, denn Chatbots können nicht zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden. Das erzeugte Ergebnis kann also durchaus fehlerbehaftet oder unvollständig sein – und ist nicht immer auf dem aktuellen Stand: Während New Bing z. B. aktuelle Inhalte des Internets durchsucht, ist ChatGPT derzeit nur mit Inhalten bis 2021 trainiert, so dass neue Informationen erst gar keinen Einzug in die generierte Antwort finden (können).

Aber trotz dieser Einschränkungen sind die Tools bzw. Chatbots auch für das Anwaltssekretariat mehr als interessant, insbesondere für die Erstellung oder Optimierung von Texten, die keine spezielle Fachkompetenz oder Tiefe erfordern sowie für Beschreibungen oder Zusammenfassungen, wobei New Bing sogar unmittelbar über dem Eingabefenster die Möglichkeit bietet, den Unterhaltungsstil auszuwählen (kreativ, ausgewogen oder genau).

Nützliche Prompts für den Kanzleialltag

Beispiel 1:

Fragestellung/Aufgabe:
Bitte fertige ein Abwehrschreiben für eine gegen meinen Mandanten zu Unrecht gestellte Forderung in Höhe von 2.500,00 Euro laut Rechnung vom 13.03.2023 an, mit der Begründung, dass diese Forderung noch nicht fällig ist und weise die zugleich geltend gemachten Anwaltskosten zurück.

Antwort des Chatbots:
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich vertrete [Name des Mandanten] und habe Kenntnis von Ihrem Schreiben vom [Datum], mit dem Sie die Zahlung von [Betrag] Euro fordern. Diese Forderung weise ich namens und im Auftrag meines Mandanten zurück. Die Forderung ist noch nicht fällig. Die Rechnung vom [Datum] ist erst am [Fälligkeitsdatum] fällig. Eine Zahlung vor diesem Termin werde ich nicht leisten. Auch die zugleich geltend gemachten Anwaltskosten weise ich zurück. Diese sind nicht berechtigt und werden von meinem Mandanten nicht gezahlt. Ich bitte um Verständnis und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Beispiel 2:

Fragestellung/Aufgabe:
Ich habe ein Formulierungsproblem. Kannst Du mir bitte den nachfolgenden Text ordentlich aufsetzen?

Mein Mandant ist Hauseigentümer der Musterstraße 3 in Musterstadt. Schon seit einiger Zeit, besonders in den letzten Wochen, pinkeln die Besucher des Biergartens regelmäßig an dessen Hauswand, weil im Biergarten keine Toiletten stehen. Bitte stellen Sie das ab!

Antwort des Chatbots:
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte mich namens und im Auftrag meines Mandanten über die Besucher Ihres Biergartens beschweren. Seit einiger Zeit haben wir festgestellt, dass die Besucher regelmäßig an die Hauswand unseres Mandanten in der Musterstraße 3 in Musterstadt urinieren, da im Biergarten keine Toiletten vorhanden sind.

Ich bitte Sie daher dringend, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Problem zu lösen und die Besucher des Biergartens auf die Notwendigkeit hinzuweisen, öffentliche Toiletten zu benutzen. Ich weise darauf hin, dass es eine Toilettenpflicht in der Gastronomie gibt. Die bereitgestellten Gäste-WCs müssen dabei nutzbar und leicht erreichbar sowie ausdrücklich als solche gekennzeichnet sein.

Ich hoffe auf eine schnelle Lösung des Problems und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Beispiel 3:

Fragestellung/Aufgabe:
Bitte fasse mir den Beschluss des BGH vom 17.11.2022 – IX ZB 17/22 zusammen.

Antwort des Chatbots:
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.11.2022 – IX ZB 17/22 bezieht sich auf den elektronischen Rechtsverkehr und die nachträgliche Darlegung und Glaubhaftmachung der Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes. Weitere Details zu diesem Beschluss finden Sie auf der offiziellen Website des Bundesgerichtshofs …

Dies sind nur drei kleine Beispiele, die aber bereits zeigen, was die Chatbots leisten können und welche Zeitersparnis damit verbunden sein kann.

Tipp:
Lassen Sie sich als ersten Test einfach einmal eine Rede, z. B. zum Thema „Jugend heute“ („Bitte schreibe mir eine Rede zum Thema Jugend heute“) generieren. Sie werden angesichts des Ergebnisses und der Geschwindigkeit überrascht sein, was die KI-basierten Tools alles leisten können.

„Kompass“ bei rechtlichen Problemen?

Aber nicht nur im Bereich der Textformulierung, -optimierung oder Zusammenfassung können die Chatbots eine schnelle und effiziente Unterstützung im Anwaltssekretariat sein: Sie können darüber hinaus als „Kompass“ bei rechtlichen Problemen dienen, denn durch entsprechende Aufforderungen oder Fragen können z. B.

  • Lösungsvorschläge zu rechtlichen Fragen generiert werden [„Welche Rechte hat man, wenn …“]
  • Schreiben/Schriftsatzteile analysiert und Antworten hierzu entworfen werden [„Analysiere bitte den folgenden anonymisierten Ausschnitt, ob dieser juristisch zutreffend ist und entwerfe eine Antwort unter Zitierung der einschlägigen Gesetzesvorschriften“]
  • passende Rechtsprechung und Literaturhinweise gefunden werden [„Suche mir Rechtsprechung, die die/der Auffassung im nachfolgenden Text stützt/widerspricht“]

Aber Stopp! In den ersten Absätzen steht es „schwarz auf weiß“ geschrieben: Aus welchen Quellen die Antwort oder Lösung stammt, ist weder ersichtlich noch nachvollziehbar: Sie können sich also nicht auf die Richtigkeit der generierten Antworten oder Texte verlassen. Die Lösungsvorschläge müssen – ggf. anhand von Gesetzen oder Kommentaren – überprüft und ggf. auch vertieft werden. Die Chatbots ersetzen also keineswegs das (Mit-)Denken und die eigenständige Umsetzung der Aufgabe: Es muss nachgearbeitet und weitergedacht werden. Aber: Die Bots geben zumindest die Richtung vor, womit ein zeitlicher Vorsprung erreicht wird, da eine lange und umständliche Suche entfällt.

New Bing bietet zudem – bei ChatGPT ist das (noch) nicht der Fall – mit seinen Antworten weitere Links und Fragen zum Thema an, die möglicherweise gar nicht bedacht wurden. Das hilft, über die eigentliche Frage oder Aufgabe hinaus an dieser Stelle weiter zu recherchieren und so eine noch bessere Vorarbeit für den sachbearbeitenden Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin zu leisten.

Beachtet werden muss jedoch insbesondere auch der rechtliche Rahmen der Nutzung dieser Chatbots: Zum einen handelt es sich hier um „Datenkrallen“ – Chatbots
speichern Daten! Deshalb ist es zwangsläufig erforderlich, nur anonymisierte Texte einzugeben. Verzichten Sie in jedem Fall auf persönliche und finanzielle Daten, um beim Recherchieren nicht gegen Datenschutzbestimmungen zu verstoßen.

Geben Sie keinesfalls diskriminierende Daten ein und prüfen Sie die generierten Antworten und Textvorlagen auf entsprechende Inhalte, die es dann zu korrigieren gilt.

Darüber hinaus – die Quellen sind ja unbekannt – greift der Chatbot unter Umständen z. B. auf illegal ins Netz gestellte, möglicherweise lizenzierte, aber in vielen Fällen urheberrechtlich geschützte Daten zurück: Seien Sie also vorsichtig mit generierten Inhalten und nutzen Sie diese nicht zur eigenen Veröffentlichung, damit Sie sich nicht irgendwann wie auch immer gearteten Plagiatsvorwürfen aussetzen.

Fazit: Richtige Nutzung trägt zur Entlastung bei

Chatbots wie New Bing oder ChatGPT bieten vielfältige Möglichkeiten, auch und gerade im Anwaltssekretariat. Sie können – richtig genutzt – enorm zur Einsparung von Arbeitszeit beitragen. Auch wenn die Bots – zum Glück, was würden unsere Chefs sonst machen – keine Rechtsberatung ersetzen können, so können sie doch gerade der Assistenz insbesondere bei Formulierungen und Recherchen helfen, mindestens aber in fachlicher Hinsicht als Kompass für die richtige Richtung dienen.

Hier geht‘s zu den Chatbots:
bing.com/new
chat.openai.com

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In der neuen Fachinfo-Broschüre erfahren Sie, wie das Potenzial von ChatGPT auch für die Mitarbeitenden in den Kanzleien ausgeschöpft werden kann und für welche Anwendungsbereiche sich KI-Tools besonders eignen.

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Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin, Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte sowie Büroleiterin der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM. Dort ist sie mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut. 

Sie hat mehrere Fachbücher, wie „Arbeitshilfen für Rechtsanwaltsfachangestellte“ und „RVG für Einsteiger“ verfasst und ist Herausgeberin des „Infobriefs anwaltbüro“.

Bild: Adobe Stock/©Koshiro

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