
Ein gar nicht ungewöhnlicher Fall: Es wird Klage über einen bestimmten Gegenstand eingereicht und im Laufe des Verfahrens wird die Klage erweitert. Das ist grundsätzlich kein Problem, denn § 22 RVG schreibt für diese Fälle (aber auch bei einer Widerklage – sofern sich eine solche nach Art des Gegenstands streitwerterhöhend auswirkt) vor, dass die Gegenstandswerte zu addieren sind. Aber wie ist abzurechnen, wenn der Klageauftrag im Zeitpunkt der Geltung des RVG 2021 (also vor dem 1.6.2025) erteilt wird, der Auftrag für den weiteren Gegenstand jedoch nach dem 31.5.2025 – also zu einem Zeitpunkt ab Inkrafttreten des KostBRÄG 2025 und damit bei Geltung des RVG 2025?
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Hierzu ein Beispiel:
Der Rechtsanwalt erhebt auftragsgemäß im April 2025 Klage über 5.000,00 Euro – im Juni 2025 bittet der Mandant um Erweiterung der Klage, weil noch weitere Forderungen in Höhe von 3.000,00 Euro offen sind. Es wird streitig verhandelt und dann ergeht ein Urteil.
Welche Tabelle ist für die Verfahrens- und Terminsgebühr zugrunde zu legen? Aus einem Teilgegenstandswert (5.000,00 Euro) aus der Tabelle 2021 – der andere Teil (3.000,00 Euro) aus der Tabelle 2025? Oder einheitlich nach der einen oder anderen Tabelle?
Obwohl nicht auf den ersten Blick offensichtlich, so ist dies doch im RVG, dort § 60 – Übergangsvorschrift in Abs. 2 geregelt:
(2) Sind Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen, gilt für die gesamte Vergütung das bisherige Recht auch dann, wenn dies nach Absatz 1 nur für einen der Gegenstände gelten würde.
Im Ergebnis greift § 22 RVG, so dass im vorstehenden Beispiel die Gebühren auf Basis des addierten Gegenstandswerts (5.000,00 Euro + 3.000,00 Euro =) 8.000,00 Euro und unter Zugrundelegung der Gebührentabelle RVG 2021 zu berechnen sind. Der erweiterte Auftrag ist also so zu behandeln, als wäre er von Anfang erteilt worden.
Gegenstandswerte: 1.800,00 € / 800,00 €
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG, Tabelle 2021 | 652,60 € |
1,2 Terminsgebühr, Nr.3104 VV RVG, Tabelle 2021 | 602,40 € |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
Zwischensumme | 1275,00 € |
19 % Umsatzsteuer | 242,25 € |
Gesamtbetrag | 1517,25 € |
Nichts anderes gilt, wenn in einem Verfahren über rechtshängige Gegenstände weitere, bis dahin nicht rechtshängige Ansprüche zum Zwecke der Einigung verhandelt bzw. protokolliert werden.
Hierzu ein weiteres Beispiel:
Die Rechtsanwältin wird im Mai 2025 beauftragt, Klage über 1.800,00 Euro einzureichen, was sie auch tut. Im anberaumten Gerichtstermin im Herbst 2025 einigen sich die Parteien unter Einbeziehung einer bis dahin nicht rechtshängigen Forderung in Höhe von 800,00 Euro.
Obwohl der Auftrag über die bis dahin nicht rechtshängige Forderung in Höhe von 800,00 Euro erst nach Inkrafttreten des KostBRÄG in Auftrag gegeben wurde, ist aufgrund der Vorschrift des § 60 Abs. 2 RVG einheitlich nach der „alten“ Gebührentabelle RVG 2021 abzurechnen:
Gegenstandswerte: 1.800,00 € / 800,00 €
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 1.800,00 €, Tabelle 2021 | 215,80 € |
0,8 Verfahrensgebühr, Nr. 3101 VV RVG aus 800,00 €, Tabelle 2021 | 70,40 € |
Zwischensumme | 286,20 € |
(Abgleich gemäß § 15 Abs. 3 RVG: maximal 1,3 Gebühr aus 2.600,00 €, Tabelle 2021 =288,60 € -> |
286,20 € |
1,2 Terminsgebühr, Nr.3104 VV RVG aus 2.600,00 €, Tabelle 2021 | 266,40 € |
1,0 Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV RVG aus 1.800,00 €, Tabelle 2021 |
166,00 € |
1,5 Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG aus 800,00 €, Tabelle 2021 |
132,00 € |
Zwischensumme | 298,00 € |
(Abgleich gemäß § 15 Abs. 3 RVG: maximal 1,5 Gebühr aus 2.600,00 €, Tabelle 2021 =333,00 € -> |
298,00 € |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
Zwischensumme | 870,60 € |
19 % Umsatzsteuer | 165,41 € |
Gesamtbetrag | 1036,01 € |
Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin, Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte sowie Büroleiterin der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM. Dort ist sie mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut.
Sie hat mehrere Fachbücher, wie „Arbeitshilfen für Rechtsanwaltsfachangestellte“ und „RVG für Einsteiger“ verfasst und ist Herausgeberin des „Infobriefs anwaltbüro“.