Internationales Erbschaftssteuerrecht

Von Petra Kuhn

Die Verordnung (EU) 650/2012 vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses, gilt grundsätzlich für Erbfälle ab dem 17.08.2015. Sie hat zu einer weitgehenden Vereinheitlichung von Bereichen des Erbrechts in den EU-Mitgliedstaaten geführt. Das Erbschaftssteuerrecht ist jedoch von dieser Vereinheitlichung ausdrücklich ausgenommen. In diesem Rahmen stehen Erben, Pflichtteilsberechtigte und Vermächtnisnehmer bei Erbfällen mit Auslandsbezug vor diversen Herausforderungen bezüglich der Erbschaftssteuer.

In diesem Beitrag[1] sollen die

  • erbschaftssteuerlichen Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Erbfällen, am Beispiel eines deutsch-französischen Erbfalls (s. nachstehend 1.-4.), sowie
  • der eventuelle Einfluss der französischen Notstandsverordnungen im Rahmen der Coronakrise dargestellt werden (s. nachstehend 5.).

1. Steuerpflichtigkeit in Frankreich

In der Regel ist es so, dass die vom Erbfall betroffenen Länder grundsätzlich beide ihr Besteuerungsrecht geltend machen.

Ist das Nachlassvermögen nicht in dem Staat belegen, in dem Erbe oder Erblasser ansässig sind, kommt es zur Überschneidung von Besteuerungsansprüchen der Länder und zum Risiko erhöhter Steuerbelastungen.

Deutschland und Frankreich haben jedoch ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen (nachstehend „DBA“), welches für Erbfälle ab dem 3. April 2009 gilt. Das DBA regelt, welches Land die Vermögensgüter besteuern darf und bestimmt außerdem, wie die Doppelbesteuerung abgemildert werden soll.

In diesem Rahmen ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

  • Bei einem Erblasser mit dem letzten steuerlichen Wohnsitz in Deutschland und einem Erben mit letztem Wohnsitz in Frankreich ist das gesamte Nachlassvermögen, unabhängig von seinem Belegenheitsort, in Frankreich zu versteuern.
  • Eine solche unbeschränkte Steuerpflicht in Frankreich liegt auch dann vor, wenn der Erblasser seinen steuerlichen Wohnsitz in Frankreich hatte, unabhängig davon, wo die Nachlassgüter belegen sind und der Erbe ansässig ist.
  • Die Berechnung des Steuersatzes erfolgt nach dem Grundsatz des Progressionsvorbehalts („principe du taux effectif“): Grundsätzlich werden sämtliche Nachlassgüter unabhängig von ihrem Belegenheitsort berücksichtigt, wodurch sich der Steuersatz erhöht. In Frankreich werden dann nur Wertgegenstände besteuert, die aufgrund des DBAs dort besteuert werden dürfen (insbes. eine Immobilie in Frankreich).

Hieraus ergibt sich, dass in der folgenden Konstellation sämtliche in Frankreich belegenen Güter für die Berechnung des effektiven Steuersatzes herangezogen werden müssen:

  • Erblasser mit letztem steuerlichen Wohnsitz in Deutschland,
  • Erbe mit Wohnsitz in Deutschland,
  • Nachlass in Frankreich, der eine Immobilie und ein Bankkonto umfasst.

Der so ermittelte Steuersatz ist dann auch auf die in Frankreich zu versteuernde Immobilie anzuwenden.

2. Wo ist in Frankreich die Steuererklärung einzureichen?

Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Frankreich, so ist die Erbschaftssteuererklärung beim örtlichen Finanzamt des Wohnortes einzureichen.

Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz außerhalb Frankreichs, so ist sie beim zentral zuständigen Finanzamt einzureichen:

Direction des Impôts des Non-Résidents
Recette des Non-Résidents
10 rue du Centre
TSA 50014
F – 93465 Noisy-le-Grand Cedex
E-Mail: recette.nonresidents@dgfip.finances.gouv.fr

3. Einzuhaltende Fristen

Bei der Einreichung der Erbschaftssteuererklärung sind in Frankreich unterschiedliche, jedoch stets sehr kurz gehaltene Fristen einzuhalten, je nachdem, ob es sich um einen Erblasser mit Wohnsitz in oder außerhalb Frankreichs handelt:

  • Erblasser mit Wohnsitz in Frankreich: innerhalb von sechs Monaten ab Erbfall
  • Erblasser mit Wohnsitz außerhalb Frankreichs: innerhalb eines Jahres ab Erbfall

Besonderheiten ergeben sich in Frankreich auch hinsichtlich der Zahlung der Erbschaftssteuer: Diese muss vor Einreichung der Steuererklärung bzw. zumindest zeitgleich erfolgen, sodass anders als in Deutschland, kein Erbschaftssteuerbescheid mit gesonderter Zahlungsaufforderung ergeht.

Die Stundung oder Ratenzahlung bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist in der Regel nicht möglich, insbesondere aufgrund des in Frankreich eng gesteckten gesetzlichen Rahmens.

4. Sanktionen des französischen Finanzamts

Wird die Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß, fehlerhaft oder unvollständig abgegeben, oder die Erbschaftssteuer nicht oder nicht fristgemäß gezahlt, können Verzugszinsen („intérêts de retard“) bei einem Zinssatz von aktuell 0,20 Prozent monatlich, berechnet auf den Betrag der nicht (rechtzeitig) gezahlten Erbschaftssteuer ab dem 1. Tag des Folgemonats nach Fristablauf anfallen. Kumulativ dazu können Pönalen („majorations“) erhoben werden, welche sich auf zwischen 10 Prozent (Nichtabgabe der Steuererklärung) und 40 Prozent beläuft und in besonders schweren Fällen maximal 80 Prozent betragen kann (z. B. bei Arglist, Täuschung, Verschleierung von Nachlassaktiva im Ausland).

5. Steuerrechtliche Vergünstigungen im Rahmen der französischen Notstandsverordnungen

Die von der französischen Regierung erlassene Notstandsverordnung Nr. 2020-306 vom 25. März 2020 regelt auch die Handhabung administrativer Fristen in der Coronakrise:

Grundsätzlich bestimmt Artikel 10 Abs. 1 der Verordnung die Aussetzung der zum 31. Dezember 2020 ablaufenden Fristen zwischen dem 12. März und dem 23. August 2020.

Allerdings soll nach Absatz 2 des Artikels 10 die Aussetzung nicht für solche Steuererklärungen gelten, die für die Festsetzung, Bemessungsgrundlage, Liquidation, Erhebung und Beitreibung von Steuern, Abgaben und Gebühren verwendet werden. Nach der derzeit herrschenden Meinung sollen auch die Erbschaftssteuererklärungen von dieser Ausnahme erfasst werden.

Die Aussetzung oder Verlängerung von Fristen gilt demnach nicht für die Einreichung von Erbschaftssteuererklärungen, weshalb die oben genannten Fristen strikt einzuhalten sind, da ansonsten die oben aufgezeigten Pönalen und Verzugszinsen ebenfalls weiterhin anfallen beziehungsweise weiterlaufen dürften.

Auch mit der neuerlichen Wiedereinführung des Gesundheitsnotstandes zum 17.Oktober 2020 ändert sich an der vorgenannten Fristenregelung nichts.

Fazit – Vorsicht wahren und Fristen im Auge behalten

Aufgrund der strengen Fristen, deren Einhaltung aufgrund längerer Bearbeitungszeiten durch Übersetzungen im grenzüberschreitenden Kontext besonders erschwert ist, sowie aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Bewertungsmaßstäbe ist im Rahmen deutsch-französischer Nachlassabwicklung besondere Vorsicht zu wahren. Insbesondere dürften sich die Bearbeitungszeiten durch die Coronakrise weiter verlängern.

Zeichnet sich ab, dass die Erbschaftssteuererklärung nicht fristgerecht eingereicht werden kann, so sollte versucht werden, eine Fristverlängerung bzw. den Erlass von Verzugszinsen und Pönalen zu beantragen („demande de remise gracieuse“). Diese Anträge sind allerdings nur selten erfolgreich, es handelt sich um reine Ermessensentscheidungen des französischen Finanzamts.

Zudem sollte versucht werden, eine Anzahlung („acompte“) auf die voraussichtlich anfallende Erbschaftssteuer zu leisten, um das Anfallen von Verzugszinsen und Pönalen (zumindest teilweise) zu vermeiden.

Abschließend lässt sich daher sagen, dass im Rahmen von Nachlässen mit Vermögenswerten in Deutschland und Frankreich stets bereits im Vorfeld eine anwaltliche Beratung über Gestaltungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden sollte.

[1] Anm.: Nicht behandelt wird in diesem Beitrag das materielle französische Erbschaftssteuerrecht, welches im Vergleich zum deutschen Pendant insbesondere aufgrund der in Frankreich geltenden niedrigeren Freibeträge und der höheren Steuersätze zu einem erheblichen Anrechnungsüberhang und somit zu einer höheren Steuerbelastung in Frankreich führt. Darüber hinaus, gehen die Verfahrensweisen in Bewertungsfragen (insbesondere bei Immobilien und dem dazugehörigen Hausstand) sowie die Abzugsfähigkeit der Nachlasspassiva weit auseinander.

Weitere Beiträge

Petra Kuhn ist Mitglied der Rechts-
anwaltskammern von Berlin und Lyon. Sie berät und vertritt in der international operierenden Wirtschafts-
kanzlei Alexander & Partner Rechtsanwälte mbB sowohl Unternehmen im deutsch-französischen Wirtschaftsrecht als auch Private Clients im deutsch-französischen Immobilien-, Erb- und Schenkungsrecht nebst der entsprechenden steuerrechtlichen Expertise. Sie erhielt 2002 die französische Anwalts-
zulassung. Danach arbeitete sie in einer international ausgerichteten Kanzlei in Paris bevor sie für diese von 2007 bis 2018 deren Lyoner Standort leitete.
alexander-partner.com

 

Foto: Adobe.Stock/©stock56876

Mit dem MkG-Newsletter erhalten Sie alle sechs Ausgaben pro Jahr
pünktlich zur Veröffentlichung per Mail – zu Themen, die Sie weiterbringen:

  • Aktuelle Gesetzesänderungen,
  • Tipps zur optimalen Abrechnung,
  • Karrierechancen, Kanzleiführung u. v. m.