Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht auf die Gläubiger. Erfahren Sie, wie Sie als Gläubigervertreter Ihre Strategie anpassen sollten.
Aufgrund des rückwirkend zum 01.03.2020 und zeitlich begrenzten Wegfalls der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 wird wohl mit einer gewissen Verzögerung von Insolvenzverfahren zu rechnen sein. Schließlich werden sich Insolvenzeröffnungsgründe wie drohende Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht in Luft auflösen. Vor allem dann nicht, wenn es der Politik nicht gelingt, für eine positive Stimmung zu sorgen, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Wenig förderlich in dieser Beziehung ist nach Meinung des Autors die tägliche Berichterstattung über weitgehend unbekannte Dörfer und Städte, die sich zu „Corona-Hotspots“ entwickeln. Vor diesem Hintergrund wird man wohl im Laufe des kommenden Jahres mit einem Anstieg von Insolvenzen rechnen müssen.
Anfechtung von erhaltenen Zahlungen
Spannend für die Gläubiger wird vor allem sein, inwieweit die im Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erhaltenen Zahlungen bei späterer Insolvenz des Schuldners der Anfechtung unterliegen. Bereits jetzt ist geregelt, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nur für Unternehmen gilt, bei denen der Insolvenzeröffnungsgrund und damit die Antragspflicht nicht bereits vor dem ausgesetzten Zeitraum vorlag bzw. die Insolvenzgründe auf die Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen sind und Besserungsaussichten bestehen. § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG regelt, dass die in diesem Zeitraum erhaltenen Zahlungen in einem späteren Insolvenzverfahren nicht der Anfechtung unterliegen, es sei denn, der Gläubiger wusste, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit geeignet waren. Für den Gläubiger ist diese „Detailfrage“ jedoch bei Entgegennahme der Zahlung durch den Schuldner praktisch nicht ergründbar. Es bleibt also zu hoffen, dass ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, bei dem der Gläubiger in diesem strittigen Zeitraum davon ausgehen durfte, dass die Zahlungen insolvenzsicher erfolgt sind. Hier wird die Rechtsprechung gefragt sein. Diese sollte die Zielsetzung des Gesetzgebers im Hinblick auf die Reform des Anfechtungsrechts nicht vergessen.
Erfreulich ist zudem, dass § 2 Abs. 2 COVInsAG regelt, dass diese Nichtanfechtbarkeit auch für Zahlungen in diesem Zeitraum für UnternehmerInnen gilt, die keiner Antragspflicht unterliegen, obwohl diese nicht überschuldet oder zahlungsunfähig waren. Vor diesem Hintergrund wird man bei künftigen Anfechtungen die Anfechtungszeiträume noch genauer prüfen müssen.
Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase
Neben diesen coronabedingten Veränderungen im Insolvenzrecht plant der Gesetzgeber die weitere Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase von derzeit sechs Jahren auf drei Jahre für natürliche Personen. Dieses Vorhaben ist letztlich der EU-Richtlinie 2019/1023 geschuldet und soll wohl auch den „Insolvenztourismus“ in andere europäische Länder, wie Frankreich, untergraben. Die Probleme auf Gläubigerseite werden durch dieses Vorhaben sicher nicht weniger. Der Verfasser kann aus Erfahrung berichten, dass immer mehr Gläubiger bereits heute dazu übergehen, ihre Forderung nicht mehr zur Insolvenztabelle anzumelden. Grund dafür ist schlicht und ergreifend, weil sie von den Ergebnissen frustriert sind, wenn nach einer gefühlt ewigen Bearbeitungsdauer am Ende eine Quote von 0,8 Prozent herauskommt.
Und tatsächlich ist es einem Gläubiger schwer zu verkaufen, dass ein Schuldner, obwohl er keinen Cent zur Masse abführt, am Ende auf Kosten der Steuerzahler Restschuldbefreiung erhält und umgekehrt dieser Gläubiger erhebliche Gerichts- und Anwaltskosten investiert hat. Diese Frustration auf Gläubigerseite hilft jedoch am meisten den Schuldnern, da eine aktive Beteiligung am Insolvenzverfahren nur demjenigen Gläubiger zusteht, der auch in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen wurde. Insoweit kann nur jedem Gläubiger empfohlen werden, seine Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden, um im Insolvenzverfahren nicht rechtelos zu sein.
Aus strategischen Gründen mit Worst-Case-Fall Insolvenz rechnen
Durch die beabsichtigte weitere Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase kommt es nach Auffassung des Verfassers mehr denn je darauf an, dass bereits bei (strategischer) Titulierung der Forderung an eine mögliche Insolvenz des Schuldners gedacht wird (Worst-Case-Fall). Daher sollte man mehr denn je – soweit möglich – an die zusätzliche Feststellung der Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung denken, um so für den Gläubiger die Forderung vor der Restschuldbefreiung im Sinne des § 302 InsO zu schützen. Selbst wenn ein solcher Feststellungsantrag bei der Titulierung versäumt wurde oder beispielsweise im Rahmen des gerichtlichen Mahnverfahrens nicht möglich ist, so obliegt es dem Rechtsdienstleister spätestens bei der Forderungsanmeldung, den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bzw. überhaupt einer Forderung, die nach § 302 InsO ausgenommen ist, geltend zu machen (siehe auch Entscheidung des Landgerichts Aachen, Urteil vom 15.11.2019, AZ: 8 O 70/19). Tut er dies nicht, entstehen für den Rechtsdienstleister Haftungsansprüche, da schließlich die Forderung des Gläubigers durch die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr beitreibbar ist, was bei ordnungsgemäßer Forderungsanmeldung unter Berücksichtigung des Attributs der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vermeidbar gewesen wäre.
Auch in Fällen, bei denen eine Forderungsanmeldung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nicht möglich ist, wird es durch die Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase zur Wahrung der Gläubigerinteressen immer bedeutender sein, nach Obliegenheitsverstößen des Schuldners zu suchen, um sodann einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen zu können. Dieses Antragsrecht steht aber wiederum nur dem Gläubiger zu, der in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen wurde, sodass auch diesbezüglich sehr viel für die Forderungsanmeldung spricht. Selbst dem Gläubiger, dessen Forderung vom Insolvenzverwalter oder Schuldner bestritten wurde, steht ein Antragsrecht auf Versagung der Restschuldbefreiung zu (BGH, Beschluss vom 12.03.2015, AZ: IX ZB 85/13).
Absonderungsrechte im Vorfeld schaffen und bei Anmeldung beachten
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die zugegebenermaßen in deutschen Insolvenzverfahren unzureichenden Quoten durch eine ordnungsgemäße Forderungsanmeldung – zum Teil beachtlich für den einzelnen Gläubiger – erhöht werden können, bis hin zur Vollbefriedigung des Gläubigers trotz Insolvenzverfahren. Die Kunst liegt hier in der Geltendmachung und natürlich im Vorfeld der Begründung von wirksamen Absonderungsrechten, welche ebenfalls im Rahmen der Forderungsanmeldung für den Gläubiger geltend zu machen und später über die Ausfallbezifferung der Höhe nach klarzustellen sind. Aufgrund der Komplexität der ordnungsgemäßen Forderungsanmeldung dürfte deutlich werden, dass diese in professionelle Hände gehört, auch wenn das Anmeldeformular den Eindruck erweckt, selbsterklärend zu sein. Nur wenn eine aktive Vertretung des Gläubigers auch im Insolvenzverfahren stattfindet, wird man gute Ergebnisse im Insolvenzverfahren für den Gläubiger erzielen können und eigene Haftungsansprüche vermeiden.