DAT 2019

Der Deutsche Anwaltstag 2019 (DAT) kehrte nach fast 100 Jahren nach Leipzig zurück und durfte vom 15. bis 17. Mai rund 1.800 Besucher willkommen heißen. Getreu dem diesjährigen Motto „Rechtsstaat leben“ wurden Grundsätze wie der Zugang zum Recht, Digitalisierung, Gebührenentwicklung und Gesetzesreformen diskutiert.

Die Fachausstellung AdvoTec präsentierte den Besuchern erneut in lockerer Atmosphäre rund 70 Ausstellern neue und bewährte Angebote für die Rechtsanwaltskanzlei.

Zugang zum Recht als Schwerpunktthema

Edith Kindermann DAT 2019
Grußworte der DAV-Präsidentin Edith Kindermann

In der Eröffnungsveranstaltung betonte die neue Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Edith Kindermann, dass Gerichte „sichtbar“ sein müssen, um den Rechtsstaat zu stärken und den Zugang zum Recht ins Bewusstsein der Bürger zu rücken. Daher dürfe man auch bei schwindender Einwohnerzahl, vor allem auf dem Land, nicht einfach die Gerichte schließen. „Ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat muss jeder und jedem Einzelnen die Mittel an die Hand geben, die notwendig sind, um seine bzw. ihre Rechte wahrzunehmen“, so die DAV-Präsidentin.

Ländlichen Regionen fehlen Anwälte wie Ärzte

Zudem betonte Kindermann nochmals die Forderung des DAV, die Anwaltsgebühren zu erhöhen und an die Tariflohnentwicklung anzupassen. Auch dies sei ein Schritt, um allen Menschen den Zugang zur anwaltlichen Dienstleistung zu gewährleisten. Gerade in ländlichen Regionen „zeichnet sich bei Allgemeinanwälten ein ähnlicher Mangel ab wie bei Allgemeinmedizinern“, warnt Kindermann.

Georg Mascolo DAT 2019
Festvortrag von Georg Mascolo

Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation NDR/WDR/SZ, verwies während des Festvortrags der Eröffnungsveranstaltung insbesondere auf die EU-Länder, in denen der Rechtsstaat bedroht sei, erinnerte aber auch an die friedliche Revolution vor 30 Jahren in der DDR, die von Leipzig ausgegangen sei: „Ohne sie wären wir heute nicht hier. Die meisten von uns jedenfalls.“

Reform der Strafprozessordnung: Ablehnung von Befangenheits- und Beweisanträgen

Die im Eckpunktepapier der Bundesregierung besprochene StPO-Reform soll neue Möglichkeiten zur Ablehnung missbräuchlicher Befangenheits- und Beweisanträge schaffen, um Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Der DAV sieht das Risiko einer vorschnellen Ablehnung von Anträgen. „Beweisantragsrechte sind das verfassungsrechtlich verbürgte Recht des Angeklagten auf sachliche Teilhabe am Beweisstoff“, mahnt Edith Kindermann. „Sie dienen nicht der Verfahrensbehinderung, sondern sind oft die einzige Möglichkeit des Angeklagten, auf die Beweiserhebung in der Hauptverhandlung Einfluss nehmen zu können.“

Der Möglichkeit zur Bündelung der Nebenklage ist der DAV gegenüber offen. „Wir haben keine generellen Vorbehalte gegen Maßnahmen zur Prozessökonomie von Strafverfahren“, so Kindermann, „nur gegen solche Vorhaben, durch die Beschuldigtenrechte verkürzt werden.“

Legal Tech – keine Anpassung des RDG notwendig

Die Bundesregierung habe erkannt, dass Legal Tech einen Beitrag zum Rechtsstaat leiste, erwähnte Christiane Wirtz, Staatssekretärin des Bundesministeriums der Justiz, im Grußwort des Anwaltstags. Auch der DAV stehe dem Thema positiv gegenüber. Automa­ti­sierte Rechts­dienst­leis­tungen sollten jedoch weiterhin nur durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erbracht werden dürfen. Daher sei auch keine Anpassung des RDG notwendig. Jeder, der Rechtsdienstleistungen anbiete, unterliege somit ohnehin dem anwaltlichen Berufsrecht.

Vielfältige Fachveranstaltungen zu beruflichen und rechtspolitischen Themen

Das Thema Legal Tech spielte auch in einigen Fachvorträgen eine zentrale Rolle, u. a. in der Veranstaltung „Neuer Zugang zum Recht durch Legal Tech?“ oder „Zwischen Anwaltsfabrik und Legal Tech – Wo bleibt der unabhängige Anwalt?“, und auch in der begleitenden Fachausstellung AdvoTec präsentierten viele Legal-Tech-Anbieter, ihre Lösungen für ein digitales und effizientes Arbeiten.

Die Zukunft von ReFas und ReNos

Fachvortrag Fachkräfte DAT 2019
Fachveranstaltung „Kanzlei künftig ohne Fachkräfte?“

Einer der 50 Fachvorträge des DAT warf einen Blick auf den Berufsstand der ReFas und ReNos und stellte die provokante Frage: „Kanzlei künftig ohne Fachkräfte?“ Hier ging es um den Mangel an ausgebildeten Fachkräften in Kanzleien, die Mitarbeitergewinnung und -bindung und die Frage, was eine Reform der Ausbildungsverordnung bringen kann. Immer mehr Kanzleien haben Probleme, geeignetes Personal zu finden. Ein Grund hierfür sei, dass der Beruf der ReFa und ReNo bei vielen jungen Leuten wenig bis gar nicht präsent sei. Die neue Kampagne „Ein Job für kluge Köpfe“ des DAV möchte daher gezielt junge Menschen ansprechen und ihnen den Beruf ReFa/ReNo näherbringen.

Während des Fachvortrags wurde auch eine neue Weiterbildungsmöglichkeit für Kanzleimitarbeiter diskutiert. So stehe zur Debatte, neben der Ausbildung zur ReFa/ReNo und Rechtsfachwirt/in eine weitere Ausbildung „zwischenzuschalten“. Hier solle sich der/die ReFa innerhalb einer zweijährigen Ausbildung – wie der Anwalt selbst – auf ein Rechtsgebiet, z. B. Familienrecht, spezialisieren können.

Forensische Textanalyse im Strafrecht

Weitere Veranstaltungen befassten sich mit der neuen Fachanwaltschaft im Sportrecht, der Transparenz und Beherrschbarkeit der Datenverarbeitung oder den textuellen Daten im Strafprozess. Hier stellten Prof. Dr. Dirk Labudde und Michael Spranger ihre Software MoNa vor, die es ermöglicht, Massendaten – zum Beispiel Handydaten – zu forensischen Zwecken automatisiert und strukturiert auszulesen, um beispielsweise entscheidende Hinweise zum potenziellen Täter ausfindig zu machen. Manuell stoße man bei mehreren hunderttausend Textnachrichten, die heutzutage nicht selten auf Smartphones zu finden seien, schnell an seine Grenzen.

Französisches vs. deutsches Arbeitsrecht

Deutsches vs. französisches Arbeitsrecht
Fachvortrag „Die Reformen Macron im Arbeitsrecht aus französischer und deutscher Sicht“

In der Fachveranstaltung zum Arbeitsrecht wurde das kürzlich vom französischen Staatspräsident Emmanuel Macron reformierte französische Arbeitsrecht mit dem deutschen anschaulich verglichen. Deutsche und französische Anwälte saßen sich gegenüber und diskutierten die etwaigen Vor- und Nachteile der jeweiligen Gesetze. So gebe es im Fall einer sozialwidrigen Kündigung in Frankreich keinen Weiterbeschäftigungsanspruch, sondern „nur“ eine Schadensersatzlösung. In Frankreich sei zudem eine Begründung im Kündigungsschreiben Pflicht, wohingegen in Deutschland die bloße Schriftform ausreiche; und auch die Entscheidung zur betriebsbedingten Kündigung werde in Frankreich – anders als in Deutschland – genau überprüft.

Fortbildung zwischen Kanzleipraxis und Grundsatzdebatten

Abschließend lässt sich festhalten, dass der diesjährige Deutsche Anwaltstag unter dem Motto „Rechtsstaat leben“ viele Grundsatzfragen aufgeworfen und vielfältig diskutiert hat; sei es bezüglich internationaler rechtlicher Entwicklungen, neuer Soft Laws, der Herausforderungen einer digitalen Welt und der großen Verantwortung von Anwältinnen und Anwälten als „Vermittler“ zwischen Rechtsstaat und Menschen. Vor diesem Hintergrund diente der DAT wieder einmal als eine der größten Fortbildungsveranstaltungen für die Anwaltschaft, wenngleich es auch an der ein oder anderen Stelle sicher hilfreich gewesen wäre, einen größeren Praxisbezug herzustellen, zum Beispiel in Hinblick auf die konkreten Vorteile der Digitalisierung in Kanzleien, die Anwendung neuer Rechtsprechung oder die Mitarbeitergewinnung.

> Eindrücke der DAT-Abendveranstaltung am 15.5.2019 im Gondwanaland des Leipziger Zoos

Impressionen des Deutschen Anwaltstags 2019

Fotos: FFI-Verlag

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