Die Arbeitswelt befindet sich weiterhin im Wandel und Kanzleien stehen zunehmend vor der Herausforderung, virtuelle Teams erfolgreich zu organisieren und die Zusammenarbeit effektiv zu gestalten. Während einige Unternehmen mit der Meldung, ihre Teams zurück ins Büro holen zu wollen, in den letzten Monaten Aufsehen erregten, haben spätestens seit der Corona-Pandemie viele Unternehmen und Kanzleien auf die virtuelle Zusammenarbeit umgestellt und viele Mitarbeitende diese zu schätzen gelernt – eine Entwicklung, die auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird.

Die Einführung von Homeoffice-Regelungen, Workation-Optionen, die Betreuung der Mandantschaft an verschiedenen Standorten sowie die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern verdeutlichen, wie grundlegend die digitale Transformation die Arbeitsweise von Kanzleien beeinflusst.

Dieser Artikel stellt verschiedene Ansätze und Möglichkeiten vor, die Kanzleien dabei unterstützen, die virtuelle Zusammenarbeit im Kanzlei-Team optimal zu gestalten.

Herausforderungen und Vorteile der virtuellen Zusammenarbeit

Fehlender persönlicher Kontakt

Eine der größten Herausforderungen der virtuellen Zusammenarbeit ist der fehlende persönliche Kontakt, der zu einer Isolation der Teammitglieder führen kann. Während der direkte Austausch im Büro in der Regel unkompliziert verläuft, gestaltet sich dies im Online-Bereich oft schwieriger. Virtuelles Arbeiten ruft bei Menschen unterschiedliche Reaktionen hervor: Einige schätzen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung und die verbesserte Work-Life-Balance, während andere darunter leiden und sogar psychische Symptome wie Erschöpfung oder Stress erleben.

Eine Studie aus dem Jahr 2021, durchgeführt vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) sowie des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass das Arbeiten von zu Hause Risiken wie psychische Belastungen oder Vereinsamung mit sich bringen kann. Diese Gefahren können jedoch durch die Einführung klarer betrieblicher Regelungen und die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen vermieden werden. Die Empfehlung lautet: Eine Mischung aus Arbeit im Betrieb und im Homeoffice.[1]

Interessant! Laut einer Befragung aus dem Jahr 2023 wünschen sich etwa 3/4 der Beschäftigten, die während der Corona-Pandemie ins Homeoffice gewechselt sind, auch künftig zumindest teilweise von zu Hause aus zu arbeiten.[2]

Kommunikationslücken

Eine weitere Herausforderung bei der virtuellen Zusammenarbeit sind häufig auftretende Missverständnisse und Kommunikationslücken, die sich negativ auf die Teamdynamik und die Effizienz auswirken können. Diese Barrieren entstehen oft durch fehlende nonverbale Signale und eine reduzierte Möglichkeit für spontane Interaktionen, was die Verständigung und das Vertrauen innerhalb des Teams erschwert​. Hierbei bieten virtuelle Kommunikationstools wie Videokonferenzen und Instant-Messaging-Dienste eine effiziente Möglichkeit, Teammitglieder auch über räumliche Distanz hinweg miteinander zu vernetzen. Der Einsatz von Anwendungen wie Microsoft Teams oder Slack kann die virtuelle Kommunikation erleichtern und den Echtzeitaustausch relevanter Informationen fördern.

Der Datenschutz sollte bei jeglicher Nutzung von digitalen Tools berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass alle datenschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt werden.

TIPP: Es könnte sinnvoll sein, die Einbindung eines oder einer (externen) Datenschutzbeauftragten in Betracht zu ziehen.

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Vermittlungen digitaler Kompetenzen

Nicht zu vergessen und häufig unterschätzt: Die Verwendung digitaler Tools erfordert ein gewisses Maß an technischer Expertise, die nicht alle Teammitglieder gleichermaßen besitzen. Dies kann zu Frustration und ineffizienter Arbeitsweise führen. Eine Lösung für dieses Problem wäre die Durchführung regelmäßiger Schulungen und Weiterbildungen, um sicherzustellen, dass alle Teammitglieder mit den erforderlichen digitalen Fähigkeiten ausgestattet sind.

Neben den Herausforderungen einer virtuellen Zusammenarbeit gibt es zahlreiche Vorteile, die mit dieser Arbeitsweise einhergehen. Homeoffice und Workation sind überzeugende Beispiele für die Vorteile virtueller Zusammenarbeit.

Die Flexibilität, ortsunabhängig zu arbeiten, fördert eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben und kann somit zu einer gesteigerten Lebensqualität und höherer Zufriedenheit führen. Auch die Reduzierung von Pendelzeiten trägt zu einer besseren Work-Life-Balance bei und steigert gleichzeitig die Produktivität der Team-Mitglieder. Für Kanzleien bedeutet dies eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und die Möglichkeit, Talente -trotz Fachkräftemangel- zu gewinnen und langfristig zu binden.

Interessant! Für 80 Prozent der Befragten unter 40 Jahren ist die Option einer Workation ein entscheidendes Kriterium bei der Jobsuche und der Auswahl. (PwC, 2023, S. 12).[3]

Persönliche Tipps zur virtuellen Zusammenarbeit

Aus meiner eigenen Erfahrung und der Zusammenarbeit mit zahlreichen Kanzleien ist der wohl wichtigste Faktor, für eine erfolgreiche virtuelle Zusammenarbeit im Kanzleiteam, die Einführung klarer und transparenter Kommunikationsrichtlinien. Dazu gehören die Definition von Erreichbarkeitszeiten, regelmäßige virtuelle Meetings für Updates und Feedback sowie klare Vorgaben zu bevorzugten Kommunikationskanälen. Diese Maßnahmen tragen maßgeblich dazu bei, Missverständnisse zu minimieren und die Effizienz der Zusammenarbeit zu fördern.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Strukturierung des Arbeitstages. Flexible Arbeitszeiten bieten dem Kanzleiteam die Möglichkeit, ihre Arbeit individuell zu gestalten, sollten jedoch durch klare Start- und Endzeiten ergänzt werden, um Überlastung vorzubeugen. Regelmäßige Pausen sind ebenfalls wichtig, um Konzentration und Gesundheit zu fördern.

Gleichzeitig ist die Festlegung klarer Zielvorgaben essenziell, um Orientierung zu schaffen und die Verantwortlichkeit im Team zu fördern. Messbare Ziele sowie regelmäßiges Feedback helfen, Herausforderungen frühzeitig zu identifizieren und kontinuierliche Verbesserungen zu ermöglichen.

New Work

Ein wichtiger Aspekt in der modernen Arbeitswelt und des virtuellen Arbeitens als Team, ist das Konzept „New Work“. Frithjof Bergmann, ein einflussreicher Sozialphilosoph, entwickelte in den 1970er Jahren den innovativen Ansatz von New Work, um die Perspektive auf Arbeit grundlegend zu verändern.

Dieses Konzept fördert flexible Arbeitsstrukturen und ein neues Verständnis von Arbeit, das auch für die virtuelle Zusammenarbeit von Kanzlei-Teams von Bedeutung ist. New Work setzt auf Eigenverantwortung, kreative Gestaltung von Arbeitsplätzen und ein hohes Maß an Zusammenarbeit. Durch die Implementierung von New-Work-Prinzipien können Kanzleien nicht nur die Motivation und Zufriedenheit des gesamten Teams steigern, sondern auch die Innovationskraft der Teams erhöhen.

Fazit: Heute Möglichkeit, morgen Vorschrift?

Die Digitalisierung eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, Konzepte wie flexibles und virtuelles Arbeiten in die Praxis umzusetzen. Solche flexiblen Arbeitsmodelle bieten nicht nur mehr Selbstbestimmung, sondern auch Potenziale zur Steigerung der Produktivität und der Work-Life-Balance. Gleichzeitig bieten sie der Kanzleiführung die Möglichkeit, ihre Arbeitgebermarke zu stärken und potenzielle Nachwuchskräfte auf sich aufmerksam zu machen.

Interessant! In Deutschland existiert derzeit noch keine gesetzliche Regelung, die ein Recht auf Homeoffice festlegt. In den Niederlanden hingegen ist die Situation bereits seit mehreren Jahren anders: Dort sind Arbeitgeber verpflichtet, einen triftigen Grund anzugeben, wenn sie Homeoffice ablehnen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland vergleichbare Vorschriften eingeführt werden und Homeoffice zunehmend in Unternehmen und Kanzleien verbreitet wird.

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Jenny Runkel ist Inhaberin der Kanzlei-Marketing-Agentur SUITSXPERT und Inhaberin der Berufsakademie RECHT. Neben ihrer Expertise im Kanzlei- und OnlineMarketing ist die geprüfte Rechtsfachwirtin seit 2006 u. a. als Dozentin und Autorin tätig.

[1] https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-so-klappt-gute-arbeit-im-homeoffice-freiwillig-und-mit-fairen-regeln-32175.htm
[2] https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-Auf-einen-Blick-Studien-zu-Homeoffice-und-mobiler-Arbeit-28040.htm 
[3]https://www.iwkoeln.de/studien/sarah-pierenkemper-jennifer-potthoff-oliver-stettes-workation-chancen-und-herausforderungen.html
Bild: Adobe Stock/© N.W. 

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