Von Sabrina Rahlf & und Kadda Peters
Viele Kanzleien haben kurz- oder langfristig mit Personalengpässen zu kämpfen. Die gute Nachricht: Die im Zuge der Coronapandemie in vielen Kanzleien nachgeholten Digitalisierungsschritte ermöglichen es heute, bei personellen Engpässen auf die Dienstleistungen virtueller Rechtsanwaltsfachangestellter zurückzugreifen. Sabrina Rahlf und Kadda Peters haben sich nach langjähriger Berufstätigkeit als ReFas in Kanzleien und bei Gericht dazu entschlossen, Kanzleien in angespannten Phasen als selbständige Assistenzen zu unterstützen. Im Interview verraten sie, wie die Zusammenarbeit mit virtuellen ReFas konkret aussieht, wie die Einarbeitung abläuft und warum ihr Netzwerk aus digitalen Kanzlei-Assistenzen einen echten Mehrwert für überlastete Kanzleien bietet.
Frau Rahlf und Frau Peters, Sie sind beide als selbstständige virtuelle Rechtsanwaltsfachangestellte tätig und können auf mehr als zehn Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Wie ist der Wunsch entstanden, Kanzleien Ihre Leistungen in dieser Form anzubieten?
Sabrina Rahlf: In meiner ersten Festanstellung war ich die einzige Mitarbeiterin eines Einzelanwaltes. Jedes Mal, wenn ich Urlaub hatte oder krankheitsbedingt ausfiel, stellte das eine große Hürde dar. Wir versuchten seinerzeit über Zeitarbeitsfirmen eine Vertretung zu finden, was sich aufgrund des wachsenden Fachkräftemangels jedoch als immer schwieriger herausstellte.
Irgendwann fanden wir eine Rechtsanwaltsfachangestellte, die auf selbständiger Basis Urlaubsvertretungen übernahm. Es war die perfekte Lösung und ich war damals, also vor über 14 Jahren, schon fasziniert von dem Konzept.
Während meiner gesamten beruflichen Laufbahn hatte ich immer diesen Gedanken im Kopf, wie wunderbar diese Form der Unterstützung ist – und jedes Mal, wenn aufgrund von Personalmangel, Krankheitsausfällen oder Urlaub eines Teammitglieds ein Engpass entstand, dachte ich: Wie schön wäre es, wenn man jetzt jemanden hätte, der einfach ein bisschen von der Arbeitslast abnimmt. Je häufiger der Gedanke aufkam, desto häufiger habe ich mich auch damit beschäftigt, ob ich nicht vielleicht selbst diese Aufgabe übernehmen sollte. Nachdem die Digitalisierung immer weiter voranschreitet und die Pandemie vielen Kanzleien gezeigt hat, dass Homeoffice funktionieren kann, war für mich der richtige Zeitpunkt gekommen, diesen Schritt zu gehen.
Kadda Peters: Bei mir war es so, dass ich als angestellte ReFa – sei es in Anwaltskanzleien oder zuletzt beim Gericht – immer wieder an gewisse Grenzen gestoßen bin, die mich auf Dauer unglücklich gemacht haben. Damit meine ich Grenzen in Bezug auf Entscheidungshierarchien und zwischenmenschliche Kommunikation. Ich liebe meinen Beruf und die Branche, möchte aber auch gerne meine Ideen und mein Engagement hinsichtlich der Optimierung von Büro- bzw. Kanzleiabläufen und der bestmöglichen Ausnutzung der in der Kanzlei eingesetzten Anwaltssoftware, frei ausleben dürfen. Bei all meinen Arbeitgebern bin ich stets mit meinen Optimierungsvorschlägen – die auch dem ganzen Kanzleiteam zugutegekommen wären – sprichwörtlich gegen Wände gelaufen. Als selbstständige Unternehmerin habe ich es zum einen selbst in der Hand, mit welchen Kanzleien ich arbeite, zum anderen erreiche ich mit meinem Konzept eher die Menschen, die ehrliches Interesse an Optimierungen und Veränderungen in den Kanzleiabläufen haben und dankbar für die Unterstützung sind.
Viele Kanzleien haben chronischen Personalmangel oder kurzfristige Engpässe. Welche Vorteile bietet die Zusammenarbeit mit einer externen Assistenz für erstere und letztere?
Sabrina Rahlf: Zunächst einmal sind die finanziellen Vorteile offensichtlich.
Kanzleien, die unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, sparen sich die üblichen Personalkosten, wie Sozialversicherungsbeiträge, Sonderzahlungen und Gehaltsfortzahlungen bei längeren Krankheitsphasen.
Auch die Einrichtung eines zusätzlichen Arbeitsplatzes in den Kanzleiräumen entfällt. Gerade für Einzelanwälte und -anwältinnen, die am Anfang ihrer Selbständigkeit stehen und weder das Budget noch die Fülle an Tätigkeiten für eine Festanstellung zur Verfügung haben, ist dies von Vorteil. Es ermöglicht ihnen, qualifizierte Unterstützung zu erhalten, ohne die finanzielle Belastung einer Festanstellung tragen zu müssen.
Ein weiterer entscheidender Vorteil unserer Tätigkeit besteht darin, dass wir in der Lage sind, anhaltenden Personalmangel zu überbrücken. Bestehende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden entlastet und vor physischen und psychischen stressbedingten Krankheiten geschützt. Arbeitgeber können sich beruhigt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und potenzielle Bewerber und Bewerberinnen kennenlernen, ohne den Druck, schnellstmöglich jemanden einstellen zu müssen.
Gleiches gilt für kurzfristige Engpässe, sei es aufgrund von Krankheit oder Urlaub. Gerade in Zeiten des Personalmangels, wenn das vorhandene Personal vor Ort nicht verfügbar ist, führt dies zu enormem Stress.
Das vorhandene Personal wird oft überlastet, Arbeitgeber müssen Aufgaben übernehmen, die nicht in ihren Aufgabenbereich gehören, und letztendlich leiden die Mandanten und Mandantinnen darunter.
Entweder erleben sie überarbeitetes Personal oder der Anwalt bzw. die Anwältin kann sich nicht angemessen um die Aktenbearbeitung kümmern. Dies kann zu Verzögerungen und Unzufriedenheit führen. Kurz gesagt: Die Zusammenarbeit mit einer externen Assistenz wie uns ermöglicht es Kanzleien, Personalmangel in vielerlei Hinsicht zu überwinden. Dies führt zu einer effizienteren Ressourcennutzung, erhöhter Mandantenzufriedenheit und letztendlich zur Gewährleistung eines reibungslosen und professionellen Betriebs.
MKG Magazin: Die Vier-Tage-Woche
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Ist die Zusammenarbeit mit Ihnen eher auf kurzfristige Aufträge ausgerichtet oder arbeiten Sie üblicherweise langfristig mit Kanzleien zusammen?
Kadda Peters: Unsere Zusammenarbeit ist äußerst flexibel und kann sowohl kurzfristige als auch langfristige Aufträge umfassen. Wir schätzen die Vorteile einer langfristigen Partnerschaft, da diese besser planbar ist. In solchen Fällen sind wir in der Lage, die Software und die Arbeitsweise des Kunden oder der Kundin bereits zu kennen, was uns schnell einsatzbereit macht.
Gleichzeitig ist der Kern unserer Dienstleistungen darauf ausgerichtet, eine schnelle und kurzfristige Lösung für Rechtsanwaltskanzleien bereitzustellen. Der krankheitsbedingte Ausfall von Kanzleipersonal oder unerwartete Engpässe zu Spitzenzeiten sind oft nicht vorhersehbar. In solchen Situationen ist eine rasche Unterstützung gefragt.
Wir haben ein Netzwerk von digitalen ReFas aufgebaut, um sicherzustellen, dass wir auch in Zeiten, in denen wir ausgelastet sind, eine passende Lösung finden können, um Kanzleien in kurzfristigen Notsituationen zu helfen.
Unsere Businessmodelle sind noch jung, aber wir sind für beide Szenarien, kurzfristig oder langfristig, bestens gerüstet. Derzeit sind Kundenanfragen eher auf eine langfristige Partnerschaft ausgerichtet. Dennoch haben wir auch schon erfolgreich Kunden und Kundinnen in spontanen und kurzfristigen Engpässen, wie einer einwöchigen Krankheitsphase einer festangestellten Mitarbeiterin, unterstützt. Wir sind flexibel und anpassungsfähig, um den individuellen Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden. Unsere Priorität und Motivation ist es, Kanzleien stets die bestmögliche Unterstützung zu bieten.
Wie viel Zeit müssen Kanzleien für die „Einarbeitung“ eines externen ReFa bzw. einer externen ReFa einplanen?
Sabrina Rahlf: Die erforderliche Einarbeitungszeit für externe ReFas kann stark variieren und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es ist schwer, dies pauschal zu beantworten, da es auf die Art der Tätigkeiten, die spezifischen Anforderungen des Kunden bzw. der Kundin und die verwendete Software ankommt.
In Fällen, in denen die übernommenen Aufgaben relativ standardisiert sind, beispielsweise reine Transkriptionstätigkeiten, ist der Einarbeitungsaufwand in der Regel minimal. In solchen Situationen kann die oder der externe ReFa oft sofort produktiv arbeiten.
Eine längere Einarbeitungszeit ist erforderlich, wenn externe ReFas die Software, die in der Kanzlei verwendet wird, nicht kennen. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, wenn die Kanzlei vor der Zusammenarbeit eine Demoversion der Software bereitstellt. Dies ermöglicht es, sich vorab mit der Software vertraut zu machen.
Wir empfehlen Kanzleien, die mit externen ReFas zusammenarbeiten, einen Leitfaden zur Verfügung stellen. Dieser Leitfaden sollte wichtige technische Einstellungen, Buchungsvorgaben und möglicherweise verwendete Textbausteine enthalten.
Auch Arbeitsanweisungen, die bereits für internes Kanzleipersonal erstellt wurden, könnten in diesem Leitfaden Platz finden. Wenn eine externe ReFa dann mit der verwendeten Software vertraut ist, kann die Einarbeitungszeit minimiert werden. Weitere Fragen treten oft erst auf, wenn die ReFa mit der Bearbeitung konkreter Akten beginnt, unabhängig davon, ob sie physisch in der Kanzlei präsent ist oder remote arbeitet. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch können dazu beitragen, den Einarbeitungsprozess effizient zu gestalten.
Sie arbeiten virtuell. Wie digital müssen die Kanzleien, die mit Ihnen zusammenarbeiten wollen, sein, um effizient mit Ihnen zusammenarbeiten zu können?
Kadda Peters: Die Anforderungen an die Digitalisierung und die technische Ausstattung der Kanzleien variieren je nach den spezifischen Aufgaben, die wir übernehmen. Bei Tätigkeiten wie der Transkription von Audiodateien reicht es theoretisch aus, uns die Dateien über eine gesicherte Cloud oder ähnliche Methoden zukommen zu lassen. Wir können diese dann in einfache Textdokumente umwandeln und zurückschicken.
Für eine umfassendere Zusammenarbeit, die Aufgaben wie Aktenpflege, Rechnungsstellung, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und mehr umfasst, sind jedoch bestimmte technische Voraussetzungen erforderlich. Die Kanzlei sollte Zugang zur verwendeten Software bieten, entweder über einen VPN-Zugang oder durch Bereitstellung entsprechender Zugangsdaten, wenn cloudbasierte Software genutzt wird.
Eine entscheidende Voraussetzung ist auch, dass die Kanzlei ihre elektronischen Akten vollständig führt. Dies bedeutet, dass eingehende Posteingänge digitalisiert werden sollten und nicht nur in Papierform vor Ort vorhanden sind. Dies sollte heutzutage Standard in den meisten Kanzleien sein.
Unabhängig von der digitalen Ausstattung ist eine reibungslose Kommunikation auf Augenhöhe und die Bereitschaft zur Optimierung von Prozessen und Anwendung neuer Technologien von großer Bedeutung. Nur so kann eine effiziente und produktive Zusammenarbeit gewährleistet werden – und wir sind aufgrund der Tatsache, dass wir jede für sich Einzelunternehmen betreiben, außerordentlich motiviert und bestrebt, unsere bestmögliche Unterstützung in diesem Sinne anzubieten.
Frau Rahlf und Frau Peters, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten.