Von Götz Vinnen
Die Erstellung einer Jahresplanung sehen viele Kanzleien als etwas an, das vielleicht für größere Unternehmen einen Nutzen hat – für kleinere Kanzleien aber weder nützlich noch planbar ist. Wie soll die wirkliche Nachfrage schon gesteuert werden können? Also ist doch die Kanzlei auf das „Glück“ angewiesen, abzuwarten, wer denn nun zur Tür hereinkommt. Weit gefehlt!
1. Warum eine Jahresplanung?
Klar kostet die Erstellung Zeit – und der Arbeitsalltag ist geprägt von hohem Mandantendruck. Da bleibt wenig Zeit für betriebswirtschaftliche Planung. Gerade wenn man mit der eigenen Zeit zunehmend haushalten muss, ist eine gut durchdachte Jahresplanung jedoch goldrichtig, um die eigenen Ressourcen effizienter zu nutzen und den Stress über den gesamten Jahreslauf zu minimieren. Der entscheidende Punkt ist, dass Sie einmal Zeit investieren und das gesamte Jahr davon profitieren, dass Sie fortan nicht mehr im Blindflug unterwegs sind! Dieser Artikel soll Ihnen zeigen, warum das so ist und wie es geht – gerade auch als kleine(re) Kanzlei.
2. Die Vorteile im Überblick
Klare Ausrichtung und Ziele
Die Jahresplanung ist ein zwingender Bestandteil der strategischen Ausrichtung der Kanzlei. Sie stellt somit das erste operative Element der Kanzleistrategie dar. Wer sich z. B. als Arbeitsrechtskanzlei positioniert, der hat sicherlich einen wichtigen Schritt getan, hat aber noch keinen Euro in diesem Segment verdient. Erst wenn Sie beginnen, diesen Erfolg zu messen und ihn in einen Kontext setzen – die Jahresplanung – erhält das Konstrukt eine greifbare Form. Ohne klare Ziele verliert sich eine Kanzlei schnell im operativen Alltag: Sie unternehmen zwar vieles, dies bringt Sie aber nicht auf ihrem Weg in Richtung des Ziels (hier: Kanzleipositionierung Arbeitsrecht) voran! Durch Planung setzen Sie Prioritäten, können fokussierter arbeiten und messen die Frucht dieses Einsatzes als realistische Umsatz- oder Wachstumsziele.
Effizientere Ressourcennutzung
Eine strategische Jahresplanung schärft ihren Blick für alle verfügbaren Ressourcen wie Zeit, Budget und Kapazitäten. Gerade in kleinen Kanzleien haben Sie nur sehr begrenzte Mittel und diese wollen weise eingesetzt werden, sodass der höchste Ertrag für Sie herausspringt. „More bang for the buck!“ nennen das die Amerikaner und das sollten Sie auch berücksichtigen. Wo können Sie mit einer Stunde Arbeit am meisten bewegen – ist es das hochindividuelle Geschäft oder eine wiederholgleiche Mengenabwicklung? Sie bestimmen, wo Sie Ressourcenverschwendung verhindern wollen.
Vertriebsplanung und Mandantenbindung
Mit Vertriebsplanung haben viele Juristinnen und Juristen noch immer Berührungsängste oder schlicht und einfach keine Erfahrung, wie diese aussehen soll. Die systematische Planung von Akquiseterminen und -kanälen über das Jahr verteilt, systematisiert den Mandatsfluss, der den Betriebsstoff für das Wachstum stellt. „Viel hilft viel!“ lautet eine alte Vertriebsweisheit. Das hat auch heute noch Gültigkeit – wichtig ist aber, dass Sie Ihren Auftritt bedacht wählen (siehe Ressourcen). Doch nicht nur neue Mandantinnen und Mandanten wollen überzeugt werden! Wenden Sie genügend Zeit für ihre Bestandsmandanten auf, denn die müssen Sie nur noch halten. Das ist deutlich weniger aufwändig, als erst neue für sich zu gewinnen.
Zeitersparnis und weniger Stress im Alltag
Wer den Jahresverlauf vorausschauend plant, reduziert deutlich persönlichen Stress. Sie fahren ja auch nicht mit verbundenen Augen Auto – warum sollten Sie folglich ihre Kanzlei mit verbundenen Augen bewegen?! Der Vorteil ist, dass Sie immer wieder auf ihre Planung zurückgreifen können und schon sehr schnell genau wissen, worauf Sie achten müssen. Darüber hinaus: Die Aussicht auf ein strukturiertes Jahr motiviert und gibt Ihnen Sicherheit. Das sollten Sie sich und Ihrem Kanzleiteam wert sein!
Langfristige wirtschaftliche Stabilität
Ihre Finanz- und Einnahmenplanung sind das A und O für die Stabilität Ihrer Kanzlei. Durch die Überwachung von Cashflow und Budget kann rechtzeitig reagiert und ggf. gegengesteuert werden. Sie merken sehr früh, wenn etwas „aus dem Ruder läuft“ und können frühzeitig aktiv werden. Ein Blindflug hingegen lässt Sie erst hart aufschlagen, bevor Sie Gegenmaßnahmen ergreifen können – das überlassen wir ab jetzt lieber dem Wettbewerb!
3. Die Grundelemente einer Jahresplanung für Kanzleien
Umsatzziele und Budgetplanung
Das Setzen realistischer Umsatzziele und die Entwicklung eines Budgets sind essenzielle Bestandteile der Jahresplanung. Wissen Sie beispielsweise, wie viele Arbeitstage Ihnen im Monat zu Verfügung stehen? Wenn Sie davon noch den Urlaub abziehen, sind es nicht mehr als 18 Tage – zieht man noch Weiterbildungen etc. ab, ergibt das eine erschreckend geringe Anzahl an Tagen, die jeden Monat verbleiben, um ihre Kosten reinzuverdienen. Bei der Budgetplanung sollten Sie daher alle wiederkehrenden Kosten und möglichen Investitionen berücksichtigen, um Finanzengpässe zu vermeiden.
Vertriebs- und Akquiseplanung
Hierzu zählen allen Aktivitäten, die Ihre künftigen und auch bestehenden Mandate betrifft. Vorträge bei relevanten Stellen, die Vortragserarbeitung, der vertrieblichen Nachfassaktivitäten – alles sollte zeitlich berücksichtigt werden, denn diese Zeit fehlt Ihnen an anderer Stelle für die (bezahlte) Mandatsarbeit! Setzen Sie sich aber auch mit „harten Fakten“ im Vertrieb auseinander: Wie viele Mandate erwarten Sie aus einem Vortrag? Welchen Anspruch haben Sie an die bezahlte Klick-Werbung, die Sie schalten? Alles sollte auf Zahlen, Daten, Fakten heruntergebrochen werden.
Teamentwicklung und interne Kommunikation
Gerade wenn eine Kanzlei klein(er) ist, ist Teamentwicklung wichtig. Ein klarer Plan für Teammeetings, Fortbildungen und Feedbackgespräche trägt dazu bei, das Team zu motivieren und eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Eine strukturierte Kommunikation hilft, Missverständnisse zu vermeiden und das Team auf gemeinsame Ziele auszurichten. Delegieren Sie kleinere Aufgaben an ihr Team, damit dieses sich einbringt und es als „ihr Baby“ ansieht. Damit holen Sie alle ins Boot und wenn es läuft, weiten Sie das Delegieren von Aufgaben aus und lassen sich „nur noch“ berichten.
Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung
Prozessverbesserungen, wie die Digitalisierung von Arbeitsabläufen, helfen, die Arbeitslast zu verringern. Wenn Prozesse im Voraus optimiert und effizient gestaltet werden, bleibt mehr Zeit für die Mandatsbetreuung und die eigentliche juristische Arbeit. Wenn jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin genau weiß, wie und wo etwas zu erledigen ist, kommen Sie fast ganz automatisch in einen „Flow“ und viele Themen folgen. Auf den ersten Blick mag das mit Jahresplanung nichts zu tun haben, doch es sollte Teil Ihrer Routine werden. Fangen Sie Mitarbeiterbesprechungen mit der „Effizienzminute“ an: Was fällt jedem auf, was man verbessern könnte? Dokumentieren Sie das und wenn Sie jedes Jahr nur um zehn Prozent besser werden, haben Sie nach sieben Jahren Ihren Output verdoppelt.
4. Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Erstellung einer Jahresplanung
Analyse des aktuellen Standes der Kanzlei
Beginnen Sie mit einer Bestandsaufnahme: Wie wurde das letzte Jahr beendet?
- Wie viel Umsatz wurde mit welchen Mandaten erzielt?
- Welche Kosten sind wo entstanden?
- Ist die Liquidität gefährdet?
- Wie viele neue Mandate kamen über welche Kanäle?
Die Analyse bildet die Basis für die zukünftige Planung.
Festlegung von realistischen und erreichbaren Zielen
Definieren Sie konkrete, erreichbare Ziele, z. B.
- Umsatzsteigerungen
- die Anzahl neuer Mandanten
- oder die Verbesserung interner Prozesse.
Diese Ziele sollten spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert (➔ SMART) sein.
Planung der notwendigen Ressourcen und Maßnahmen
Von nichts kommt nichts, wusste schon Ihre Oma! Überlegen Sie also, welche Ressourcen für das Erreichen Ihrer Ziele notwendig sind – ein bisschen strecken sollen Sie sich schon. Dazu zählen fachliche Schwerpunkte, externe Unterstützung in Bereichen, die man nicht so beherrscht, die aber wichtig sind – und der eigene Aufbau von unternehmerischer Kompetenz und Vertriebsexpertise. Das ist Chefsache und dürfen Sie nicht anderen überlassen. Planen Sie konkrete Maßnahmen, beispielsweise Vertriebskampagnen, die zur Erreichung der Jahresziele beitragen.
Festlegung von Kennzahlen zur Erfolgsmessung
Definieren Sie die Ziel-Kennzahlen, die Ihren Fortschritt messen. Beispiele sind Kostenquote, Umsatz, Anzahl neuer Mandanten oder Anteile bestimmter Teil(rechts)bereiche. Durch regelmäßiges Überprüfen der Kennzahlen bleibt der Fokus auf diesen Zielen.
Planung von Rückblicken und Anpassungen
Gestalten Sie die Jahresplanung flexibel. Planen Sie regelmäßige Rückblicke, etwa einmal pro Quartal, um den Fortschritt zu bewerten und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. Diese Rückblicke erlauben es, den Kurs rechtzeitig anzupassen. Bei Verfehlung der Werte seien Sie kritisch mit sich! Woran lag’s? Was sind Ihre konkreten Ansätze zum Gegensteuern?
5. Tipps zur Umsetzung und kontinuierlichen Optimierung
Praktische Tipps für den Kanzleialltag
Stellen Sie sicher, dass die Jahresplanung leicht zugänglich und in tägliche Abläufe integriert ist. Regelmäßige Check-ins, zum Beispiel wöchentliche Besprechungen oder ein übersichtliches Dashboard, fördern die Umsetzung der Planung. Visualisieren Sie Kernwerte wie den Jahreszielumsatz, brechen Sie diesen auf „verständliche“ Größen, z. B. Tag oder Woche herunter.
Beispiel:
Ziel: Jahreszielumsatz von 210.000 Euro erreichen. Bei 12 Monaten zu je 17,5 Arbeitstagen sind das pro Arbeitstag 1.000 Euro Umsatz. Bei 250 Euro Stundensatz wären das vier fakturierte Stunden – jeden Tag. So wird eine abstrakte Zahl „greifbar“ und konkret.
Nutzung von Tools oder Software
Digitale Tools wie Kalender, Budgetierungstools oder spezielle Anwaltssoftware können die Planung vereinfachen und strukturieren. Eine einfache Tabellenkalkulation oder ein Planungsdokument kann schon ausreichen, um Übersicht und Struktur in die Planung zu bringen.
Strategien zur Selbstdisziplin und regelmäßigen Überprüfung
Selbstdisziplin ist entscheidend für den Erfolg der Jahresplanung. Definieren Sie feste Termine, an denen Sie die Planung überprüfen und Anpassungen vornehmen. Ein fester Zeitplan für die Überprüfung und Anpassung der Ziele unterstützt ihre kontinuierliche Entwicklung und das Erreichen langfristiger Ziele.
6. Fazit: Jahresplanung als Schlüssel zum langfristigen Erfolg
Die Jahresplanung ist für Ihre Kanzlei eine entscheidende Weichenstellung in die Zukunft. Eine Studie der Universität Harvard, welche seit 1979 laufend fortgeführt wird, hat Absolventen und Absolventinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren begleitet. Von diesen gaben 83 Prozent an, keine Pläne zu haben. 14 Prozent der Absolventen hatten Pläne, welche aber nicht schriftlich fixiert waren. Diese erzielten nach zehn Jahren ein dreimal höheres Gehalt als die erste Gruppe. Diejenigen drei Prozent aber, die ihre Ziele schriftlich dokumentiert hatten, verfügten nach zehn Jahren sogar über ein zehnfach höheres Gehalt als die erste Gruppe. Worauf warten Sie also noch? Auf die Ziele, fertig, los!
Götz F. Vinnen ist Geschäftsführer und Gründer von viax consulting. Als Wachstumsberater für Anwälte und Notare verhilft er diesen zu einer planbaren Kanzleientwicklung. Der studierte Betriebswirt und MBA berät Kanzleien im DACH-Raum bei Fragen zu Business Development, Positionierung, Kennzahlenentwicklung und Pricing.
Götz F. Vinnen ist Geschäftsführer und Gründer von viax consulting. Als Wachstumsberater für Anwälte und Notare verhilft er diesen zu einer planbaren Kanzleientwicklung. Der studierte Betriebswirt und MBA berät Kanzleien im DACH-Raum bei Fragen zu Business Development, Positionierung, Kennzahlenentwicklung und Pricing.