Vier-Tage-Woche

Von Bernfried Rose

Seit 13 Jahren mache ich freitags frei und seit 2019 kann das jeder bei uns in der Kanzlei – bei vollem Gehalt. Wann das lange Wochenende aber zur Mogelpackung wird, warum es nicht zu jedem passt und warum es trotzdem kein Zurück gibt, verrate ich in diesem Beitrag.

Der Wunsch nach weniger Work und mehr Life

Anlass meiner Vier-Tage-Woche war die Geburt meines ersten Kindes 2010. Nach den Anfangsjahren der Selbständigkeit mit viel Arbeit und wenig Geld hatte die Kanzlei gerade Fahrt aufgenommen. Für mich die Gelegenheit, meinen Wunsch nach mehr Freizeit zu verwirklichen. Ich arbeitete weniger, kam am Freitag nicht mehr und verzichtete dafür gegenüber meinen Partnern auf einen Teil meines Gewinns. Nach ein paar Jahren gab es erste Nachahmer:innen und weil die Kanzlei sich trotzdem weiter gut entwickelte, beschlossen wir 2019 die Einführung der Vier-Tage-Woche für alle.

36 Wochenstunden an vier Tagen

Zentrale Säule unseres Arbeitszeitmodells war und ist die Reduzierung der Arbeitszeit. Es ging also nicht darum, die bestehende Workload auf nur noch vier Tage zu verteilen, sondern die Wochenstunden so anzupassen, dass sie auch mit einem langen Wochenende bewältigt werden kann. Hierfür reduzierten wir unsere (schon vorher niedrige) tatsächliche Wochenarbeitszeit für angestellte Anwältinnen und Anwälte von 40 auf 36 Stunden.

Für sonstige Mitarbeitende verringerte sich die Wochenarbeitszeit auf 34 Wochenstunden. Im Sekretariat bringt die Arbeitszeitverkürzung unter Beibehaltung des vollen Gehalts besonders viel, da die familiären und finanziellen Herausforderungen meist noch größer sind als bei den Anwältinnen und Anwälten.  

Option statt Zwang

Gerade für Mütter und Väter ist es aber oft gar nicht so attraktiv, die Wochenstunden in der Kanzlei auf vier Tage zu komprimieren. Familienfreundlicher sind da eher fünf kurze Tage, damit man Kinder aus Betreuungseinrichtungen abholen und die Familien-Primetime mit ihnen zu Hause verbringen kann. Aus diesen Erwägungen können unsere Mitarbeitenden frei wählen, ob sie ihre reduzierten Arbeitszeiten auf vier oder fünf Tage verteilen.

Und die Mandant:innen?

Die Frage, die mir wirklich seit 2019 immer wieder gestellt wurde, ist die nach dem Mandanten-Feedback. Was halten die davon, dass ihr Anwalt bzw. ihre Anwältin freitags nicht zur Verfügung steht? Würde mich ein Kunde oder eine Kundin tatsächlich darauf ansprechen, würde ich ihm oder ihr wohl darlegen, wie sehr er bzw. sie davon profitiert, dass der Anwalt/die Anwältin wenig arbeitet und daher sehr konzentriert, motiviert und fit das Mandat betreuen kann. Da mich tatsächlich aber noch nie jemand darauf angesprochen hat, vermute ich mal, dass die Mandant:innen diesen Vorteil selbst sehen.

Der Notfall kann kommen

Dazu gehört aber natürlich auch, dass die Kanzlei an fünf Tagen erreichbar ist. Dafür sorgen entweder die Mitarbeitenden, die sich ohnehin für eine Fünf-Tage-Woche entschieden haben, oder gegebenenfalls ein interner wechselnder Notdienst. Und wenn wirklich mal die Welt untergeht, ist auch der Anwalt oder die Anwältin telefonisch erreichbar – genau wie am Wochenende oder im Urlaub. Allerdings geht die Welt irgendwie extrem selten unter. Als Wirtschafts- und Private Clients-Kanzlei haben wir natürlich anspruchsvolle Mandant:innen, die Nettostundensätze zwischen 350 und 450 Euro zahlen. Aber auch denen muss man nicht die ständige Erreichbarkeit als vermeintliches Qualitätsmerkmal aufdrängen.

Umsetzung? Einfach machen!

Kanzleien, denen die Vorstellungskraft für ein langes Wochenende fehlt, bringen oft vor, dass die Arbeit an vier Tagen schlicht nicht zu bewältigen sei. Klar, wer es schon bei einer Fünf-Tage-Woche nicht hinbekommt, die Mandate und Aufgaben so zu verteilen, dass jeder das im Normalfall in seiner vereinbarten Arbeitszeit schaffen kann, der sollte lieber die Finger von der Vier-Tage-Woche lassen. Im Zweifel müssen eben mehr Mandatsanfragen abgesagt werden, insbesondere, wenn Anwältinnen und Anwälte signalisieren, dass die Kapazitäten erschöpft sind. Diesen Luxus muss man sich leisten können und wollen.

Es gibt also keine unlösbaren Probleme bei der Einführung dieses Arbeitszeitmodells. Natürlich muss man ein wenig organisieren, für befürchtete Engpässe gegebenenfalls das Personal aufstocken und das komplette Team in die Planung einbeziehen und „mitnehmen“. Da gibt es aber wahrlich schwieriger zu kommunizierende Themen.

Vier-Tage-Woche reicht nicht

Auf der Anwaltsebene spielt die Vier-Tage-Woche heute bei ROSE & PARTNER faktisch kaum noch eine Rolle. Grund dafür ist, dass die meisten unserer mehr als 40 Kolleg:innen inzwischen selbstständige „Umsatzpartner“ sind, die zu 50 Prozent an ihren persönlichen Umsätzen beteiligt sind und arbeiten, wann und wo, mit wem und für wen sie wollen. Ob nun 45 Wochenstunden an vier Tagen im Büro oder 36 Wochenstunden an sechs Tagen überwiegend im Homeoffice – jeder baut sich sein eigenes Arbeitszeitmodell für die passende Work-Life-Balance. Diese Selbstbestimmtheit ist der überragende Vorteil der Selbstständigkeit, die den Anwaltsberuf als Freiberufler:in ja eigentlich auch ausmacht.

„Maximale Flexibilität“ – das versprechen viele Kanzleien heute auch ihren Angestellten. Für die Work-Life-Balance bringt diese Freiheit aber wenig, wenn nicht auch der Workload auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Was nützt es mir, wenn ich meine 60-Stunden-Woche zum Teil auch sonntags im Homeoffice ableisten kann?

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Bernfried Rose ist Gründungspartner der Wirtschafts- und Steuerkanzlei ROSE & PARTNER. Als Rechtsanwalt ist er überwiegend im Private Clients-Bereich aktiv. Sein Schwerpunkt im Kanzleimanagement liegt im Marketing und in der Schaffung von Strukturen, wie etwa Beschäftigungsmodellen.

Bild: Adobe Stock/©Vadym

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