KostRÄndG

Von Detlef Burhoff

Zuletzt hat man im RVG in der 19. Legislaturperiode mit dem KostRÄndG lineare und/oder strukturelle Änderungen vorgenommen. Diese Änderungen sind am 1.1.2021 in Kraft getreten. Um weitere, bzw. neue Änderungen „anzustoßen“, haben DAV und BRAK nun im September 2023 gemeinsam ein Papier vorgelegt, in dem sie ihre „Vorschläge zur linearen Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung sowie zu strukturellen Änderungen des RVG“ formuliert haben. Wir stellen Ihnen diese in einem Überblick vor.

1. Lineare Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung

Gefordert wird zunächst eine weitere „zeitnahe lineare Erhöhung“ der anwaltlichen Vergütung, um diese an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen. Die Erhöhung im Rahmen des KostRÄG 2021 habe keine vollständige Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung seit dem zweiten KostRMoG 2013 gebracht. U. a. müsse diese Differenz aufgeholt werden.

Diese Änderung würde die Anwaltschaft sicherlich sehr begrüßen. Einen konkreten „Erhöhungssatz“ wird im Papier allerdings nicht genannt. Durch das KostRÄG 2021 sind die anwaltlichen Gebühren zuletzt pauschal um zehn Prozent angehoben worden.

2. Änderungen bei der Berechnung der Vergütung (§ 10 RVG)

10 RVG sieht für Rechtsanwaltsrechnungen bisher die Schriftform vor (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Teil A Rn 534 ff.). Erforderlich ist auch die eigenhändige Unterschrift.

Diese Vorgaben sind in einer digitalen Welt nicht mehr zeitgemäß. Es wird daher vorgeschlagen, die Schriftform durch die Textform zu ersetzen und damit die Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung der Rechnung zu vereinfachen.

Gegen diesen Vorschlag ist schon deshalb nichts einzuwenden, weil § 3a RVG bereits für Vergütungsvereinbarungen nur die Textform vorsieht (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A Rn 2447 ff.).

3. Klarstellung beim Angelegenheitsbegriff (§ 17 RVG)

Vor Inkrafttreten des zweiten KostRMoG war in § 15 Abs. 2 S. 2 RVG a. F. geregelt, dass in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug gefordert werden können. Diese Regelung ist gestrichen und in § 17 Nr. 1 RVG neu formuliert worden, dass das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten sind. Seitdem wird in der Rechtsprechung teilweise vertreten, dass auch verschiedene gerichtliche bzw. behördliche Verfahren nur eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit sein können, wenn sie inhaltlich zusammenhängen.

Da mit der Aufhebung der Regelung eine Änderung der Rechtslage nicht beabsichtigt war, ist es zu begrüßen, wenn nun im Gesetzeswortlaut klargestellt wird, dass auch parallele behördliche bzw. gerichtliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Es gilt der Grundsatz: ein Verfahren = eine Angelegenheit.

4. Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands (§ 48 RVG)

Bisher ist im RVG die Honorierung der Tätigkeit eines Zeugenbeistands (im Strafverfahren) nicht geregelt. Das hat von Inkrafttreten des RVG an zu einem heftigen Streit in Rechtsprechung und Literatur geführt, wie die Tätigkeit des Zeugenbeistands zu vergüten ist (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A Rn 2673 und Vorbem. 4.1 VV Rn 5 ff.). Dazu macht man nun einen neuen Vorschlag. Danach soll in § 48 RVG eine Vergütungsregelung für die Zeugenbeistandsleistung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die nach § 68b StPO beigeordnet sind, dahingehend normiert werden, dass sich die Beiordnung auf alle vorbereitenden und nachsorgenden Tätigkeiten erstreckt und damit die Tätigkeit nicht (mehr) nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, sondern nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG honoriert werden soll.

Der Vorschlag ist sicherlich zu begrüßen, da damit endlich eine Problematik gelöst würde, die Rechtsprechung und Literatur seit 2004 beschäftigt. Allein mir fehlt der Glaube, dass es zu dieser Änderung kommen wird. Denn bisher haben die Bundesländer bei allen vom Bund für die Frage in der Vergangenheit vorgeschlagenen Lösungen wohl im Hinblick auf die leeren Länderkassen erbitterten Widerstand geleistet. Zudem wird der Vorschlag auch beim Bund im Zweifel nicht auf offene Ohren stoßen, denn man hat ja gerade erst durch das KostRÄG 2021 die Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG an die andere Formulierung der Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG angepasst. Damit ist jedoch ein Argument für diejenigen, die den Zeugenbeistand wie den Verteidiger honorieren wollen, entfallen.     

5. Wertgebühren aus der Staatskasse (§ 49 RVG)

Vorgeschlagen werden für § 49 RVG zwei Änderungen:

  • Die Grenze reduzierter PKH-Gebühren soll auf 5.000 Euro Gegenstandswert angehoben und damit an die übrigen Kostengesetze angepasst werden.
  • Zudem soll die Kappungsgrenze RVG zur Anpassung an die Inflationsentwicklung auf 100.000 Euro angehoben werden.

Die Änderungen hätten im Strafverfahren Auswirkungen für den Pflichtverteidiger und Rechtsanwälte im Adhäsionsverfahren, also bei der Nr. 4142 VV RVG und bei den Nrn. 4143, 4144 VV RVG. Sie wären zu begrüßen. Denn zum einen besteht eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Bewertung bei den PKH-Gebühren nicht. Zum anderen würde die Anhebung der Kappungsgrenze gerade bei den Pflichtverteidigern im Hinblick auf die Nr. 4142 VV RVG zu erhöhten gesetzlichen Gebühren führen.

6. Zusatzgebühr Nr. 1010 VV RVG

Die Terminsgebühr nach Nr. 1010 VV RVG, die eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahme vorsieht, soll nach den Vorstellungen von DAV/BRAK dahingehend geändert werden, dass diese unabhängig der Durchführung einer Beweisaufnahme bei der Teilnahme an mehr als zwei gerichtlichen Terminen entsteht – und zwar sowohl gerichtliche, einschließlich der vor einem Güterichter oder einer Güterichterin, als auch von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumte Termine, mit einer Gesamtdauer von insgesamt mehr als 120 Minuten.

Die Überlegung ist zu begrüßen, denn die im Jahr 2013 eingeführte Terminsgebühr Nr. 1010 VV RVG kommt in der Praxis aufgrund der hohen Hürde der Kombination aus besonders umfangreicher Beweisaufnahme und drei gerichtlichen Terminen fast nie zur Anwendung. Allerdings entsteht Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen auch bei Verfahren nach Teil 3 VV RVG bei mehreren Terminen ein erheblicher zusätzlicher Aufwand.

7. Fiktive Terminsgebühr auch bei vorgeschriebener Erörterung (Nr. 3104 VV RVG)

In Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, kann nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG auch ohne Termin oder Besprechung eine Terminsgebühr anfallen, u. a. dann, wenn in einem solchen Verfahren eine Einigung erzielt wird (Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 VV RVG). Damit sollen gebührenrechtliche Anreize geschaffen werden, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Vermeidung oder Erledigung von Rechtsstreiten ohne gerichtlichen Termin beitragen und dadurch dem Gericht Aufwand ersparen.

Da die Rechtsprechung die Frage, ob das auch für sogenannte Erörterungstermine (wie z. B. nach § 155 FamFG) gilt, nicht einheitlich beantwortet wird, wird zur Klärung dieser Frage eine Ergänzung der Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 VV RVG um Erörterungstermine vorgeschlagen.

Diese Klarstellung wäre im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung und die Entlastung der Gerichte zu begrüßen.

8. Neues strafrechtliches Zwischenverfahren (Teil 4 VV RVG)

Im Eckpunktepapier wird vorgeschlagen, die vergütungsrechtliche Regelung des RVG, die bislang ein Zwischenverfahren nicht kennt, an die prozessrechtliche Struktur des Strafverfahrens anzupassen. Das wird einmal mit dem ggf. nicht unerheblichen Arbeitsaufwand für Verteidigerinnen und Verteidiger, die erst im Zwischenverfahren mit Zustellung der Anklage erstmalig Gelegenheit erhalten, festzustellen und zu prüfen, welche konkreten Vorwürfe erhoben werden und welche Beweismittel zur Verfügung stehen. Erst in diesem Stadium besteht dann vielfach auch die (sinnvolle) Möglichkeit zur Sach- und Rechtslage umfassend Stellung zu nehmen.

Vorgeschlagen wird eine (neue) Verfahrensgebühr Nr. 4105a VV RVG, welche für eine Tätigkeit in dem Verfahren vom Eingang der Anklageschrift bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens entsteht. Diese soll nach der neuen Nr. 4105 VV RVG ggf. auch mit Zuschlag entstehen. Alternativ wird vorgeschlagen, entsprechend der Regelungssystematik in Vorbem. 5.1.3 VV RVG, die Gebühren des Unterabschnitts 2 (Verfahrensgebühr Nr. 4104 und 4105 VV RVG) für anwendbar zu erklären und in Vorbem. 4.1.2 VV RVG zu regeln, dass die Gebühren dieses Unterabschnitts für das Zwischenverfahren gesondert anfallen.

Auch diese Ergänzung des RVG wäre zu begrüßen. Man würde damit das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung des RVG, die anwaltlichen Gebühren an die Strukturen des Strafverfahrens anzupassen, fortführen. Zudem ist kein Grund erkennbar, warum die ggf. umfangreichen Tätigkeiten, die die Verteidigung nach Anklageerhebung erbringt, dann nur noch mit der gerichtlichen Verfahrensgebühr (vgl. Anm. zu Nr. 4104 VV RVG) honoriert werden. Das höhlt letztlich den Abgeltungsbereich der gerichtlichen Verfahrensgebühr aus und verhindert eine leistungsgerechte Honorierung der Tätigkeiten des Verteidigers oder der Verteidigerin.

9. Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG

Gefordert wird, die Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG klarstellend dahingehend zu ergänzen, dass auch das Einscannen von in Papierform vorliegenden Akten zur weiteren Bearbeitung als elektronische Akte von der Pauschale erfasst wird.

Diese Änderung wäre sehr erfreulich, Denn die Ungleichbehandlung von Kopien und Scans, die derzeit dazu führt, dass das Einscannen von Akten nicht honoriert wird, ist nicht nachvollziehbar und wird der Praxis nicht mehr gerecht, da im Hinblick auf die elektronische Akte, Verteidiger heute Akten meist nicht mehr kopieren, sondern einscannen. Der dafür entstehende Personalaufwand ist jedoch mit dem Kopieren identisch. Zudem entstehen auch höhere Kosten für leistungsfähige Geräte zur Erstellung von Scans.

10. Fahrtkostenpauschale Nr. 7003 VV RVG

Derzeit beträgt nach den Änderungen durch das KostRÄG 2021 die Kilometerpauschale 0,42 Euro. Diese ist angesichts der seitdem erheblich gestiegenen Kraftstoffpreise nicht mehr kostendeckend. Vorgeschlagen wird eine Anhebung der Kilometerpauschale auf mindestens 0,50 Euro.

Fazit: Vorschläge sind zu begrüßen

Insgesamt kann man die Vorschläge nur unterstützen. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Änderungen würde dem anwaltlichen Gebührenrecht sicherlich guttun. Man kann nur hoffen, dass sie kommen. Und man kann nur hoffen, dass sie bald in Angriff genommen werden. Denn die laufende 20. Legislaturperiode endet im Herbst 2025. Viel Zeit für Änderungen im RVG bleibt also nicht mehr.

Weitere Beiträge

Rechtsanwalt und RiOLG a.D. Detlef Burhoff ist Herausgeber, Autor oder Mitautor einer Vielzahl von Fachbüchern aus den Bereichen Strafrecht, Verkehrsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht sowie der Rechtsanwaltsvergütung. Daneben ist er Herausgeber von Fachzeitschriften zu den vorgenannten Themen (StRR und VRR) und unterhält die Internetseiten www.burhoff.de sowie blog.burhoff.de.

Bild: Adobe Stock/©artefacti

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