Vorschuss

Von Detlef Burhoff

Jeder Rechtsanwalt kennt sein sich aus § 9 RVG ergebendes Vorschussrecht gegenüber dem Mandanten. Darüber habe ich in den letzten Ausgaben berichtet (vgl. dazu MkG). Häufig übersehen wird aber, dass ggf. auch ein Vorschussrecht gegenüber der Staatskasse besteht. Dessen Voraussetzungen  sollen nachfolgend dargestellt werden.

Frage 1: Wo ist das Vorschussrecht gegenüber der Staatskasse geregelt?

Die Regelung findet man in § 47 RVG.

Frage 2: Welchen (allgemeinen) Umfang hat das Vorschussrecht?

Nach der ausdrücklichen Regelung in § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt sowohl einen Vorschuss auf seine Gebühren als auch auf seine voraussichtlich entstehenden Auslagen verlangen.

Frage 3: Muss der Rechtsanwalt einen Vorschuss aus der Staatskasse verlangen?

Nein, dem Rechtsanwalt steht insoweit ein Ermessen zu. Er ist nicht verpflichtet, seinen Vorschussanspruch geltend zu machen.

Frage 4: Welche Rechtsanwälte können einen Vorschuss nach § 47 RVG verlangen?

Jeder Rechtsanwalt, dem ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht, kann einen Vorschuss nach § 47 RVG verlangen, und zwar:

  • der im Wege der PKH beigeordnete oder nach §§ 57, 58 ZPO zum Prozesspfleger bestellte Rechtsanwalt (vgl. dazu Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl. 2016, § 45 Rn. 3);
  • der in Verfahren nach den Teilen 4–6 VV RVG bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt, also z.B. in Straf-/Bußgeldsachen der Pflichtverteidiger oder Pflichtbeistand (§§ 141, 397a, 406g Abs. 3 Nr. 1 StPO), aber auch der gem. § 68b StPO beigeordnete Zeugenbeistand oder der im Auslieferungsverfahren nach § 40 IRG bestellte Beistand;
  • unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Frage 9) der nach §§ 138, 270 FamFG beigeordnete Rechtsanwalt;
  • unter besonderen Voraussetzungen (vgl. dazu Frage 9) der nach § 67a Abs. 1 Satz 2 VwGO bestellte Rechtsanwalt;
  • aufgrund der Formulierung in § 45 Abs. 3 RVG sämtliche sonst beigeordnete oder bestellte Rechtsanwälte, also insbesondere der Pflichtverteidiger.

Frage 5: Kann der Rechtsanwalt auch bei Beratungshilfe einen Vorschuss aus der Staatskasse verlangen?

Kann der Rechtsanwalt auch bei Beratungshilfe einen Vorschuss aus der Staatskasse verlangen?

Frage 6: Kann die Beratungshilfegebühr Nr. 2500 VV RVG vorschussweise verlangt werden?

Nein (vgl. Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 7 Rn 52).

Frage 7: Kann der Pflichtverteidiger auch einen Vorschuss auf eine Pauschgebühr verlangen?

Ja, aber dieser Vorschuss richtet sich nicht nach § 47 RVG, sondern nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG. Der Vorschussanspruch tritt neben den sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG ergebenden Vorschussanspruch auf die gesetzlichen Gebühren. Der Anspruch nach § 47 RVG hat insofern für den Pflichtverteidiger Bedeutung, weil er die Unzumutbarkeit i.S.d. § 51 RVG entfallen lassen kann (BVerfG NJW 2005, 3699 = RVGreport 2005, 467; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Aufl. 2016, § 51 Rn 68). Der Pflichtverteidiger wird daher im Zweifel vor der Geltendmachung eines Anspruchs nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG den Vorschussanspruch nach § 47 Abs. 1 RVG geltend machen (müssen).

Frage 8: Wer ist zur Zahlung des Vorschusses verpflichtet?

Verpflichtet ist nach § 47 Abs.  1 Satz 1 RVG grds. die Staatskasse (zum Festsetzungsverfahren s. Checkliste 3).

Frage 9: Gibt es von dem vorstehenden Grundsatz Ausnahmen?

Ja, und zwar nach § 47 Abs. 1 Satz 2 RVG für die nach §§ 138, 270 FamFG beigeordneten bzw. die nach § 67a Abs. 1 Satz 2 VwGO bestellten Rechtsanwälte. Diese haben nicht nur einen Vergütungs-, sondern auch einen Vorschussanspruch gegen die Partei (vgl. §§ 39, 40 RVG). Ein Anspruch gegen die Landeskasse entsteht nach § 45 Abs. 2 RVG in diesen Fällen erst, wenn der Verpflichtete mit der Zahlung auch nur teilweise in Verzug ist. Das gilt nach § 47 Abs. 1 Satz 2 RVG für den Vorschuss entsprechend (zur Geltendmachung des Vorschusses s. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Aufl. 2016, § 39 Rn 27).

Frage 10: Hat die Staatskasse ein „Festsetzungsermessen“?

Nein, wenn die Voraussetzungen für einen Vorschuss nach § 47 RVG vorliegen und der Rechtsanwalt die Antragsvoraussetzungen erfüllt hat, muss der Vorschuss festgesetzt werden.

Frage 11: Ist für ein Vorschussverlangen die Fälligkeit des Gebührenanspruchs nach § 8 RVG erforderlich?

Nein. Der Vorschuss ist fällig mit dem Entstehen der Gebühr, für die ein Vorschuss verlangt werden soll (AG Lichtenberg RVGprofessionell 2013, 74).

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Rechtsanwalt und RiOLG a.D. Detlef Burhoff ist Herausgeber, Autor oder Mitautor einer Vielzahl von Fachbüchern aus den Bereichen Strafrecht, Verkehrsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht sowie der Rechtsanwaltsvergütung. Daneben ist er Herausgeber von Fachzeitschriften zu den vorgenannten Themen (StRR und VRR) und unterhält die Internetseiten www.burhoff.de sowie blog.burhoff.de.

Bild: Adobe Stock/©v.poth

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