revision im strafverfahren

Von Detlef Burhoff

Das Revisionsrecht ist gerade für junge Kollegen und Kolleginnen häufig (noch) ein „Buch mit sieben Siegeln“. Das führt dazu, dass in der Revisionsinstanz ggf. Fehler gemacht werden, die wegen der Formenstrenge des Revisionsverfahrens irreparabel sind, was für die Mandantschaft weittragende Folgen haben kann. Dieser Beitrag beantwortet daher 14 Fragen zur Verteidigung im Revisionsverfahren und gibt einen Überblick über Fehler, die in der Praxis häufig gemacht werden. Der nachfolgende Fragenkatalog gilt über § 46 OWiG sinngemäß auch für die Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren nach den §§ 79 ff. OWiG.

1. Wie bereite ich die Revision vor?

Die Formenstrenge der Revision, die sich insbesondere auf die Verfahrensfragen auswirkt und schnell zum Rügeverlust führen kann, macht eine möglichst frühzeitige Vorbereitung erforderlich. Der Verteidiger sollte sich daher schon während der noch laufenden Hauptverhandlung alle für eine Revision auch nur entfernt in Betracht kommenden Verfahrensvorgänge notieren und für eine ggf. notwendige Protokollierung sowie für die Sicherung des (Frei-)Beweises sorgen. Zur Vorbereitung gehört auch, dass der Verteidiger in der Hauptverhandlung § 238 Abs. 2 StPO nichts übersieht und ggf. Maßnahmen/Anordnungen des Vorsitzenden beanstandet und auf einen Gerichtsbeschluss besteht. Den benötigt er nämlich für eine Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 8 StPO auf jeden Fall.

War der Verteidiger in der ersten Instanz Pflichtverteidiger, erstreckt sich die Bestellung, wenn sie nicht beschränkt worden ist, nach der Neuordnung des Rechts der Pflichtverteidigung gemäß § 143 Abs. 1 StPO auch auf das Revisionsverfahren, und zwar grundsätzlich auch auf eine dort ggf. stattfindende Hauptverhandlung.

2. Ist die Revision überhaupt statthaft?

Nach § 333 StPO ist die Revision statthaft gegen die Urteile der (großen und kleinen) Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte. Eine Erweiterung des § 333 StPO sieht § 335 StPO vor. Danach kann ein amtsgerichtliches Urteil, gegen das die Berufung zulässig ist, mit der (Sprung-)Revision angefochten werden. Für diese gelten die allgemeinen Regeln des Revisionsrechts.

3. Ist mein Mandant beschwert?

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision ist eine Beschwer des Revisionsführers. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln: Es ist also nur derjenige beschwert, dessen Rechte oder schutzwürdigen Interessen durch das Urteil unmittelbar beeinträchtigt sind. Das sind der Beschuldigte, der Privatkläger und der Nebenkläger, dieser aber nur wegen des Nebenklagedelikts im Rahmen des § 400 StPO. Natürlich ist ggf. auch die Staatsanwaltschaft beschwert.

4. Wo muss die Revision eingelegt werden?

Nach § 341 Abs. 1 StPO muss die Revision bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, eingelegt werden.

5. Welche Frist gilt für die Einlegung der Revision?

Die Revision muss nach § 341 Abs. 1 StPO binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden. § 341 Abs. 2 Hs. 1 StPO sieht davon eine Ausnahme vor, wenn die Verkündung des Urteils in Abwesenheit des Angeklagten stattgefunden hat. Das gilt nach § 341 Abs. 2 Hs. 2 StPO aber nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Abs. 2, 387 Abs. 1, 411 Abs. 2, 434 Abs. 1 Satz 1 StPO. Andere Fälle der Abwesenheit des Angeklagten, so z. B. nach § 231 StPO, werden aber nicht erfasst.

6. Welche Form ist bei der Revisionseinlegung zu beachten?

Nach § 341 Abs. 1 StPO muss die Revision schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Für den Verteidiger gilt seit dem 1.1.2022 der (neue) § 32d StPO. Der verlangt in seinem Satz 2, dass die Revision „als elektronisches Dokument“ zu übermitteln ist.

Stichwort beA: Nur, wenn das aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, ist nach Satz 3 die Übermittlung in Papierform zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit muss dann aber – so Satz 4 – unverzüglich glaubhaft gemacht werden. Von der Einlegung durch E-Mail ist, da die Frage der Zulässigkeit dieser Form in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist, abzuraten.

7. Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn die Einlegungsfrist versäumt wurde?

Hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, die Revision wegen Fristversäumung als unzulässig verworfen, kann der Beschwerdeführer binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses gem. § 346 Abs. 2 StPO den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts stellen. Der Antrag ist schriftlich zu stellen, bedarf aber sonst keiner besonderen Form. Über den Antrag entscheidet das Revisionsgericht. Dieses prüft, ob die Frist tatsächlich versäumt worden ist. Ist das nicht der Fall, wird der Verwerfungsbeschluss aufgehoben.

Neben dem Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO kann auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den §§ 44, 45 StPO beantragt werden. Werden beide Anträge gestellt, wird zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden, weil sich bei dessen Erfolg der Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO erledigt.

8. Welchen Inhalt muss die Revisionsbegründung allgemein haben?

Aus der Begründungsschrift muss sich der Anfechtungswille des Beschwerdeführers entnehmen lassen, der sich gegen ein bestimmtes Urteil richtet. Dieser Anfechtungswille darf nicht an eine Bedingung geknüpft sein.

9. Welche Fehler können mit der Revision geltend gemacht werden?

Der Revisionsführer kann nur Rechtsfehler geltend machen. Als Faustregel gilt: Verfahrensfehler werden mit der Verfahrensrüge, materielle Fehler des Urteils mit der Sachrüge geltend gemacht.

10. Müssen Revisionsanträge gestellt werden?

Nach § 344 Abs. 1 StPO muss angegeben werden, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird. Ggf. ist es unschädlich, wenn konkrete Anträge fehlen. Dann muss aber das Ziel der Revision aus dem Inhalt der Revisionsschrift oder aus dem Gang des bisherigen Verfahrens eindeutig erkennbar sein.

11. Welche Frist gilt für die Begründung der Revision?

Die Frist zur Begründung der Revision beträgt nach § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO grundsätzlich einen Monat. Nach § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO verlängert sie sich ggf., wenn das Urteil später als innerhalb der 5-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO abgesetzt werden durfte. Die Frist beginnt mit der wirksamen Zustellung des vollständigen angefochtenen Urteils. Sie beginnt nicht, wenn die Zustellung vor Fertigstellung des Sitzungsprotokolls (§ 271 StPO) erfolgen sollte. Bei Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte, z. B. mehrere Verteidiger, ist nach § 37 Abs. 2 StPO die letzte Zustellung maßgebend. Die Begründungfrist kann nicht auf Antrag verlängert werden.

12. Welche Form muss für die Revisionsbegründung eingehalten werden?

Nach § 345 Abs. 2 StPO muss die Revisionsbegründung des Verteidigers in einer von dem Verteidiger oder von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift erfolgen. Erforderlich ist grundsätzlich die Schriftform. Es gilt auch hier der (neue) § 32d StPO (vgl. dazu oben Ziffer 6). Der Rechtsanwalt oder der Verteidiger muss die Schrift nicht selbst verfassen. Es genügt, wenn er an ihr mitgewirkt hat oder für ihren Inhalt die volle Verantwortung übernimmt.

13. Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn die Revision wegen Fehlern bei der Begründung als unzulässig verworfen wird?

Wird die Revision wegen Versäumung der Begründungsfrist oder wegen nicht ausreichender Begründung als unzulässig verworfen, kann der Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO gestellt und/oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden. Es gelten die Ausführungen zur Versäumung der Einlegungsfrist entsprechend (vgl. oben Ziffer 7).

14. Kann die Revision beschränkt werden?

Ja, die Revision kann schon bei der Einlegung oder später durch Teilrücknahme beschränkt werden. Für die beschränkte Einlegung benötigt der Verteidiger keine besondere Vollmacht, wohl aber nach § 302 Abs. 2 StPO für die Teilrücknahme. Die Beschränkung muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Sie kann sich auch aus der Begründung der Revision ergeben.

Die grundsätzlich zulässige und in der Praxis häufige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, setzt zur Wirksamkeit voraus, dass das angefochtene Urteil die isolierte Prüfung der Rechtsfolgen ermöglicht. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn die getroffenen tatsächlichen Feststellungen dazu nicht ausreichen.

Exkurs: Häufige Fehler in der Praxis

1. Der Rechtsanwalt meint, er könne in der Revision ggf. weitere Tatsachen vortragen oder gar eine Neuverhandlung erreichen.

Das ist jedoch falsch, denn mit der Revision kann der Revisionsführer nur erreichen, dass das Revisionsgericht auf entsprechende Rüge das Urteil und das ihm zugrundeliegende Verfahren auf Rechtsfehler prüft. Eine Neuverhandlung der Sache im Revisionsrechtszug ist ausgeschlossen. Das Revisionsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des Tatgerichts gebunden, die es nur darauf überprüft, ob sie einwandfrei zustande gekommen sind und ob der Tatrichter die erhobenen Beweise fehlerfrei gewürdigt hat.

2. Der Rechtsanwalt/Verteidiger übersieht, dass in einigen Fällen die Revision gesetzlich ausgeschlossen ist.

Das trifft u. a. im Jugendstrafverfahren nach der häufig übersehenen Vorschrift des § 55 Abs. 2 JGG für denjenigen zu, der bereits eine zulässige Berufung eingelegt hatte. D. h., dass dem Verteidiger im Jugendstrafverfahren nur entweder das Rechtsmittel der Berufung oder das der Revision zur Verfügung steht. Man muss sich also entscheiden, was man erreichen möchte: eine neue Tatsachenhauptverhandlung oder eine Überprüfung des amtsgerichtlichen Urteils auf Rechtsfahler.

3. Der Rechtsanwalt/Verteidiger beantragt nicht bereits mit der Einlegung der Revision eine Abschrift des Hauptverhandlungsprotokolls.

Im Hinblick auf die mögliche Erhebung von Verfahrensrügen ist es zumindest sinnvoll, schon mit der Einlegung der Revision um die Übersendung einer Abschrift des Hauptverhandlungsprotokolls zu bitten (zur kostenfreien Übersendung s. Nr. 9000 Anm. 3 Ziff. 3 KV GKG). Denn der Verteidiger hat nach § 345 Abs. 1 StPO nach der Zustellung des angefochtenen Urteils nur einen Monat Zeit, um die Revision zu begründen. Deshalb empfiehlt sich der möglichst frühzeitige Antrag auf Übersendung des fertig gestellten Hauptverhandlungsprotokolls, weil bei späterer Antragstellung diese schon gesetzlich kurze Begründungsfrist noch verkürzt wird. Denn die Frist ist im Übrigen nicht verlängerbar.

4. Der Rechtsanwalt/Verteidiger rügt schon bei Einlegung der Revision (formelhaft) die „Verletzung materiellen und formellen“ Rechts.

Das ist ein häufig zu beobachtender Fehler, der anwaltlicher Fürsorge und Vorsicht entspringt, aber – zumindest – bedenklich ist. Denn mit diesen Ausführungen ist die Revision bereits ausreichend begründet. Das bedeutet, ein nun noch ggf. mit der – weiteren/eingehenderen – Revisionsbegründung beauftragter Verteidiger wird, wenn überhaupt, noch schwerer als sonst im Fall der Versäumung Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen erhalten. Hinzu kommt: Begnügt sich der Verteidiger nicht mit der formelhaften Ausführung, kann ihm ggf. eine – vom Verteidiger im Zweifel nicht gewollte, unbedachte – Beschränkung der Revision entnommen werden. Diese kann dann nach h. M. nur bis zum Ablauf der Einlegungsfrist rückgängig gemacht werden, im Übrigen wird das Urteil sonst im Umfang der Beschränkung rechtskräftig.

5. Die Revisionsbegründung enthält nur Angriffe auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils.

Das ist unzulässig und führt zur Unwirksamkeit der Revision. Das Revisionsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, deren Nachprüfung ist ihm nicht gestattet.

6. Der Verteidiger/Rechtsanwalt stellt keinen Revisionsantrag.

Obwohl ein konkreter Revisionsantrag nicht unbedingt erforderlich ist, sollte der Verteidiger, um jede Unklarheit hinsichtlich des erstrebten Ziels auszuschließen, einen Revisionsantrag stellen. Grundsätzlich lautet der Revisionsantrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils, ein Antrag auf Freisprechung des Angeklagten ist nicht erforderlich und für die Entscheidung des Revisionsgerichts bedeutungslos. Hat die Hauptverhandlung der ersten Instanz in einer für den Mandanten ungünstigen Atmosphäre stattgefunden, kann es sich empfehlen, die Zurückverweisung an ein anderes Gericht desselben Landes zu beantragen (§ 354 Abs. 2 StPO).

7. Der Verteidiger beantragt, die Revisionsbegründungsfrist zu verlängern.

Ein solcher Antrag ist ein schwerer Fehler. Denn im Strafverfahren ist eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist – im Gegensatz zu allen anderen Verfahrensordnungen – nicht möglich. Erfolgt sie dennoch, ist sie unwirksam. Der Antrag zeigt zudem, dass der Rechtsanwalt nur geringe Kenntnisse vom strafverfahrensrechtlichen Revisionsrecht hat.

8. Aus der Revisionsbegründung ist nicht klar ersichtlich, ob sie vom Verteidiger stammt.

Der Verteidiger muss für den Inhalt der Revisionsbegründung die volle Verantwortung übernehmen. Das muss aus der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen sein. Bestehen an der Verantwortungsübernahme des Verteidigers für den Inhalt der Begründungsschrift auch nur Zweifel, ist die Revisionsbegründung unzulässig. Eine Heilung dieses Mangels nach Ablauf der Frist ist ausgeschlossen. Der Verteidiger sollte daher alles vermeiden, was zu Zweifeln an der vollen Übernahme der Verantwortung führen kann, also z. B. Formulierungen wie: „Nach Auffassung des Angeklagten“, „Auf Wunsch meines Mandanten trage ich noch vor “ oder: „Der Angeklagte lässt vorbringen.“.

Im zweiten Teil der Artikelreihe zur Revision im Strafverfahren werden die wichtigsten Fragen rund um die Sachrüge beantwortet.

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Rechtsanwalt und RiOLG a.D. Detlef Burhoff ist Herausgeber, Autor oder Mitautor einer Vielzahl von Fachbüchern aus den Bereichen Strafrecht, Verkehrsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht sowie der Rechtsanwaltsvergütung. Daneben ist er Herausgeber von Fachzeitschriften zu den vorgenannten Themen (StRR und VRR) und unterhält die Internetseiten www.burhoff.de sowie blog.burhoff.de.

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Foto: Adobe Stock/©kwarner

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