Von Carmen Wolf
Termine und Fristen beherrschen gerade bei Anwältinnen und Anwälten, die überwiegend prozessual tätig sind, den oft hektischen Kanzleialltag. Dadurch wird die eigentlich rechtliche Ausnahme der Fristverlängerung in vielen Kanzleien zur Regel. Doch was gilt es dabei zu beachten – und wie kann der gesamte Ablauf von der Stellung des Fristverlängerungsantrags bis hin zur (endgültigen) Fristnotierung optimiert werden?
Voraussetzungen und Inhalt der Antragsschrift zur Fristverlängerung
Einschlägig ist hier zunächst die allgemeine Vorschrift, § 224 ZPO, nach der grundsätzlich „richterliche und gesetzliche Fristen abgekürzt oder verlängert werden (können), wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche Fristen jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen“. Insofern sollte Ihnen vor Beantragung klar sein, welche Frist gerade verlängert werden soll. Notfristen sind insoweit ganz klar ausgeklammert.
Insbesondere in Eilverfahren ist ebenfalls Vorsicht geboten: In der Regel entfällt die Dringlichkeit (die ja regelmäßig auf Seiten des Antragstellers besteht) bereits mit der Einreichung des Fristverlängerungsantrags! Insoweit sollten Sie die Reihenfolge der Abarbeitung der Fristsachen auf den Prüfstand stellen.
Ist ein Fristverlängerungsantrag aus Ihrer Sicht geboten, ist der Antrag (zugleich mit der Stellung und nicht erst nachträglich) insoweit zu begründen, als dass er auf „als erheblich anerkannte Gründe“ gestützt wird, denn der Inhalt bzw. die Begründung ist entscheidend dafür, ob Sie auf die Gewährung der Fristverlängerung vertrauen dürfen oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung werden insoweit keine hohen Anforderungen an die Begründung des Fristverlängerungsantrags gestellt, vielmehr reicht der Hinweis auf einen anerkannten Grund aus, der nicht näher substantiiert werden muss. Als „erheblich anerkannte Gründe“ können Arbeitsüberlastung, laufende Vergleichsverhandlungen, aber auch Urlaub und Krankheit des sachbearbeitenden Rechtsanwalts bzw. der sachbearbeitenden Rechtsanwältin sein. Bei Urlaub und Krankheit besteht jedoch rein theoretisch die Gefahr, dass der Einwand gebracht wird, der Vertreter müsse die Erledigung der Frist vornehmen können. Dieser Einwand ist jedoch praxisfern, weil die Einarbeitung in die entsprechende Akte durch den Vertreter wiederum zu dessen Arbeitsüberlastung führen könnte, die wiederum als Grund ausreicht.
Von der in der Praxis auch üblichen Begründung, dass „noch eine Rücksprache des Prozessbevollmächtigten mit der Partei erforderlich“ ist, sollte nach herrschender Meinung in der Literatur hingegen Abstand genommen. Diese Begründung gehört demnach nicht zu den regelmäßig als erheblich anerkannten Gründen.
Selbstverständlich ist der Antrag vor Ablauf der zu verlängernden (Ursprungs-)Frist bei Gericht einzureichen. Die Bewilligung der Fristverlängerung selbst kann bei rechtzeitigem Antrag auch nach Fristablauf erfolgen.
Ist Ihr Antrag form- und fristgerecht eingereicht und darüber hinaus ordnungsgemäß begründet, können Sie grundsätzlich darauf vertrauen, dass Ihrem Fristverlängerungsbegehren stattgegeben wird.
Aber Achtung:
Vorstehendes gilt nur bei der ersten Verlängerung. Soll eine Frist zum wiederholten Mal verlängert werden, darf die Verlängerung nur nach Anhörung des Gegners bewilligt werden (§ 225 Abs. 2 ZPO). Hier dürfen Sie dann im Allgemeinen nicht darauf vertrauen, dass das Fristverlängerungsgesuch positiv beschieden wird und müssen entsprechende Vorkehrungen treffen, damit bei Ablehnung die vorherige (bereits verlängerte) Frist eingehalten werden kann.
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
Wie die eingangs zitierte Vorschrift schon vermuten lässt, gilt Vorstehendes zur Fristverlängerung nicht generell, sondern es gibt auch spezielle Regelungen zu bestimmten (gesetzlichen) Fristen – so zum Beispiel gibt es bei der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist in Abweichung zu vorstehender Vorschrift drei Gründe, die zu einer positiven Bescheidung eines entsprechenden Fristverlängerungsantrages führen können (§ 520 ZPO):
- die Einwilligung der Gegenseite liegt vor,
- nach Überzeugung des Richters/der Richterin wird der Rechtsstreit nicht verzögert oder
- der Berufungskläger trägt erhebliche Gründe vor.
Die Einwilligung der Gegenseite muss nicht schriftlich vorliegen. Es reicht aus, wenn die Zusage telefonisch eingeholt und im entsprechenden Fristverlängerungsantrag darauf hingewiesen wird, dass die Gegenseite (Berufungsbeklagte/r) mit der Fristverlängerung einverstanden ist. Aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht sollte das Telefonat in der Akte dokumentiert, bestenfalls die Einwilligung aber tatsächlich von der Gegenseite kurz schriftlich bestätigt werden.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Fristverlängerung stets den Rechtsstreit verzögert: Ein Bearbeitungsrückstand bzw. Terminrückstand des entsprechenden Berufungssenates kann kein Grund sein, hier keine Verzögerung anzunehmen, denn eine spätere Berufungsbegründung hat wiederum auch eine noch spätere Terminierung zur Folge. Deshalb sei davon abgeraten, sich alleine auf die Begründung „die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist führt nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits“ zu stützen.
Die alternativ geforderten erheblichen Gründe decken sich wiederum insoweit mit den nach § 224 ZPO geforderten Begründungen. Erhebliche Gründe ohne nähere Substantiierung sind insoweit auch bei der ersten Fristverlängerung bei Berufungsbegründungen ausreichend.
Gerade bei Beschwerdebegründungen oder bei Berufungsbegründungen gilt dies nach herrschender Meinung aber nur für erstmalige Fristverlängerungen von bis zu einem Monat; bei der zweiten Fristverlängerung oder bei erstmaligen Fristverlängerungen über einen Monat hinaus soll stets die Einwilligung des Gegners erforderlich sein.
Berechnung der verlängerten Frist – Klarheit schon beim Antrag schaffen
Grundsätzlich wird die neue Frist „von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet, wenn nicht im einzelnen Fall ein anderes bestimmt ist“ (§ 224 Abs. 3 ZPO).
Die beantragte Verlängerung wird also ab Ursprungsfristablauf berechnet. Um Berechnungsfehler beim Notieren im Fristenkalender zu vermeiden, empfiehlt es sich, das errechnete Datum unmittelbar in den Antrag aufzunehmen. Das schafft ein klares Bild für alle Beteiligten in der Kanzlei sowie bei Gegner und Gericht:
In dem Rechtsstreit
X ./. Y
Aktenzeichen:
beantragen wir die am 22. März 2022 ablaufende Frist zur Vorlage der Klageerwiderung um zwei Wochen, mithin bis zum
5. März 2022,
zu verlängern.
Begründung:
– Einwilligung Gegner liegt vor
– Arbeitsüberlastung
– Urlaub/Krankheit
Unterzeichner
…
Die Aufnahme des Fristablaufdatums unterstützt nicht nur die für die Fristnotierung zuständige Fachkraft, sie vermeidet zudem, dass Fristverlängerungen beantragt werden, die möglicherweise auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fallen, was oft im Sekretariat für Irritationen sorgt.
Würde die errechnete Frist beispielsweise rein rechnerisch auf einen Sonntag fallen, so dass diese tatsächlich am darauffolgenden Werktag abläuft, empfiehlt sich die Antragstellung wie folgt:
In dem Rechtsstreit
X ./. Y
Aktenzeichen:
beantragen wir die am 10. März 2022 ablaufende Frist zur Vorlage der Berufungsbegründung um einen Monat, mithin bis zum
11. April 2022
(der 10. April ist ein Sonntag),
zu verlängern.
Begründung:
– Einwilligung Gegner liegt vor
– Arbeitsüberlastung
– Urlaub/Krankheit
Unterzeichner
…
Kleiner Praxistipp am Rande: Schreiben Sie den Monat im Fristdatum immer aus, damit vermeiden Sie schnelle „Vertipper“, die gerade bei Zahlen häufig vorkommen.
Vorläufige Fristnotierung, Friststreichung und optimierte Fristenorganisation
Gefahren lauern nicht nur im Vorfeld bei der Beantragung der Fristverlängerung, sondern auch und gerade im Rahmen der Fristnotierung und -kontrolle, auch dann, wenn – wie oben angeregt – das Ende der begehrten verlängerten Frist im Antrag auftaucht: Denn das beantragte Fristende ist zunächst nur vorläufig – bis es endgültig bewilligt wird. Und genau das muss der Fristenkalender – unabhängig davon, ob digital oder in Papier geführt – widerspiegeln, da es anderenfalls sehr schnell zu Fristversäumnissen kommen kann, für die der Weg der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerade nicht eröffnet ist.
Selbstverständlich sollte sein, dass die Ursprungsfrist solange unangetastet bleibt – also weder gestrichen noch „gelöscht“ wird – bis die Bewilligung der verlängerten neuen Frist vorliegt. Zugleich muss das begehrte Ende der neuen Frist mit einer entsprechenden Vorfrist notiert werden, wobei es aber unerlässlich ist, diese Frist als „vorläufig“ zu kennzeichnen. Denn es handelt sich hierbei lediglich um eine hypothetische Frist, die noch nicht bestätigt ist und durchaus anders vom Richter bzw. der Richterin beschieden werden kann. Erst mit der Bestätigung des Gerichts über die Bewilligung der verlängerten Frist ist der Vorläufigkeitsvermerk zu entfernen oder aber die Frist (möglicherweise auf ein früheres Datum) zu notieren.
Fehlt die Vorläufigkeitskennzeichnung, kann z. B. fälschlich davon ausgegangen werden, dass die verlängerte Frist bewilligt, aber versäumt wurde, die Ursprungsfrist zu streichen.
Beispiel:
Die Rechtsanwältin beantragt, die Stellungnahmefrist zum umfangreichen Gutachten des Sachverständigen, die am 10. März 2022 abläuft, um sechs Wochen, mithin bis zum 21. April 2022 zu verlängern.
Der Fachangestellte F1 notiert unmittelbar bei Fertigung des Schriftsatzes die neue Frist – eine Anweisung zur Kennzeichnung dieser Frist als vorläufig existiert nicht, sodass der 21. April 2022 als Fristablauf (mit Vorfrist) notiert wird.
Einige Tage vor Fristablauf (der Ursprungsfrist) geht ein Schreiben des Gerichts in der Kanzlei ein, mit dem die Frist – entgegen dem Antrag – nur um vier Wochen verlängert wird, mithin am 7. April 2022 abläuft.
Der Fachangestellte F2 notiert die Frist ordnungsgemäß auf den 7. April 2022 mit entsprechender Vorfrist, streicht zwar die Ursprungsfrist, streicht aber die tatsächlich nur vorläufige Frist – als „normale“ Frist auf den 21. April 2022 im Kalender auffindbar – nicht.
Zwei Tage vor Ablauf der tatsächlichen und bewilligten neuen Frist, nämlich am 5.04.2022, prüft der Fachangestellte F1 den Fristenkalender auf die Fristen der kommenden vier Wochen, stolpert über die Frist am 7. April, die zugleich auf den 21. April notiert ist, erinnert sich daran, dass er selbst diese Frist auf den 21. April notiert hat, geht davon aus, dass dem Kollegen F2 bei der Fristnotierung ein Fehler unterlaufen ist und streicht die auf den 7. April 2022 notierte Frist. Die Frist wird versäumt …
Fazit: Klare Arbeitsabläufe beim Fristverlängerungsantrag festlegen
Mit Fristverlängerungen darf nicht zu lässig umgegangen werden: Vor Stellung des Antrages sollte überlegt werden, ob die Frist überhaupt verlängerbar ist, bejahendenfalls: unter welchen Voraussetzungen, und ob die Verlängerung ebendieser Frist (z. B. in Eilsachen) überhaupt sinnvoll ist. Zudem sollten klare Arbeitsanweisungen existieren, dass die Ursprungsfrist bis zur Bestätigung der Bewilligung unangetastet – also bestehen – bleibt und die unmittelbar bei Stellung des Fristverlängerungsantrages zu notierende Frist – mit Vorfrist – als vorläufig gekennzeichnet wird.
Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin, Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte sowie Büroleiterin der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM. Dort ist sie mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut.
Sie hat mehrere Fachbücher, wie „Arbeitshilfen für Rechtsanwaltsfachangestellte“ und „RVG für Einsteiger“ verfasst und ist Herausgeberin des „Infobriefs anwaltbüro“.
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