Resilienztraining

Von Simone Scholz

Die Widerstandsfähigkeit von Anwältinnen und Anwälten wird bereits im Studium und später im Kanzleialltag getestet. Simone Scholz ist neben ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin Betriebliche Resilienztrainerin und Resilienztrainerin. Sie bietet Kolleginnen und Kollegen das Resilienz-Training nach LOOVANZ an. Im Interview verrät sie, welchen Nutzen das Resilienztraining für Anwält:innen und Kanzleien hat – und warum es hilfreich sein kann, die eigene Grundhaltung zu ändern, auch wenn die berufliche Überlastung durch andere ausgelöst wird.

Frau Scholz, laut Statistiken wird jeder vierte bis fünfte Erwerbstätige im Laufe seines Berufslebens mindestens einmal berufsunfähig – häufig aufgrund von psychischen Erkrankungen wie Burnout. Wie kann ein Resilienztraining hier ansetzen?

Das Resilienztraining regt dazu an, sich mit sich selbst und den verschiedenen Rollen, die wir innehaben, aktiv auseinanderzusetzen. Wir sind nicht nur „Anwält:innen“, sondern üben alle verschiedene andere Funktionen aus, deren Erwartungen wir bestmöglich gerecht werden möchten. Letztlich wirkt alles zusammen und beeinflusst unsere psychische Widerstandsfähigkeit.

Start des Resilienztrainings ist ein Fragebogen, der zur ehrlichen Bestandsaufnahme gedacht ist, um festzustellen, wo und wie wir uns noch besser präparieren können. Zahlreiche Übungen helfen dabei, entsprechendes Potenzial zu erkennen, um uns gut zu wappnen. Im Rahmen eines Gruppentrainings profitieren die Teilnehmer:innen voneinander. Jede(r) hat individuell andere Themenschwerpunkte, so dass hier der Erfahrungsaustausch wertvolle Impulse gibt.

In einem Einzeltraining kann gezielter und länger an den Themen gearbeitet werden, die gerade individuell die höchste Priorität haben. Einzelne Übungen können auch speziell auf die Arbeit als Anwält:in und die sich aktuell stellenden Herausforderungen angeleitet und durchgeführt werden. Auch einzelne Fälle können so mit einem lösungsorientierten Ansatz von einer weiteren Seite beleuchtet werden.

Was ist das Besondere am Resilienztraining nach LOOVANZ?

Kurz zur Erläuterung, was es mit dem Wort LOOVANZ auf sich hat. LOOVANZ ist ein Kunstwort. Die Anfangsbuchstaben stehen für die sieben Resilienzfaktoren: Lösungsorientierung, Optimismus, Opferrolle verlassen, Verantwortung, Akzeptanz, Netzwerkorientierung und Z wie Zukunftsplanung/Zielorientierung.

Das Besondere ist, dass nicht nur die Einzelperson angesprochen wird, sondern explizit das Unternehmen, also in unserem Fall, die Kanzlei. Für Letztere gibt es ein spezielles betriebliches Resilienztraining. In drei Workshops à drei Stunden werden insbesondere dem leitenden Management die Resilienzfaktoren vorgestellt. Ziel ist es, dass die Führungskräfte den positiven Effekt verinnerlichen und als Multiplikatoren fungieren sowie bei Herausforderungen im Team eine zusätzliche Herangehensweise zur Lösung parat haben.

Durch die Übungen wird erkennbar, wo individuell Stellschrauben bewegt oder nachgezogen werden können. Mit dieser Erkenntnis lässt sich individuell ein verbesserter Umgang mit verschiedenen, sich immer wieder zeigenden, belastenden Themenfeldern trainieren. Die Grundsätze, die durch das Training vermittelt werden, lassen sich universal zur Lösung einsetzen. Es geht um die Verbesserung der eigenen Widerstandsfähigkeit und Standfestigkeit in stürmischen Zeiten, bei gleichzeitiger Bereitschaft flexibel und agil zu bleiben. Das betrifft das Individuum, aber auch die gesamte Organisation, also die Kanzlei.

Besonders begrüßenswert ist es, wenn Führungskräfte den Nutzen für die Kanzlei erkennen und den Mitarbeiter:innen ebenfalls Zeit einräumen, um an einem Resilienztraining teilnehmen zu können. Der positive Effekt wird bald spür- und zählbar werden. So wird es beispielsweise weniger Zeiten von krankheitsbedingten Arbeitsausfällen geben.

Kann man seine Widerstandsfähigkeit wirklich verbessern – ist diese nicht weitestgehend angeboren?

Die psychische oder seelische Widerstandsfähigkeit lässt sich immer weiter ausbauen und sollte stetig trainiert werden. Manche von uns sind vielleicht „angeboren“ resilienter, weil sie vom familiären Umfeld den Umgang mit verschiedenen herausfordernden Situationen mit auf den Weg bekommen haben. Der persönliche Lebenslauf und die Lebensumstände führen jedoch dazu, dass sich Belastungen zeigen, auf die wir uns nicht vorbereiten konnten, sei es, durch einen privaten Schicksalsschlag oder einfach aufgrund von zunehmender Komplexität im Allgemeinen und insbesondere im beruflichen Kontext.

Hier ist es von Vorteil, wenn wir gut aufgestellt sind und wissen, wo wir ansetzen können, damit uns die Bewältigung der Aufgaben leichter fällt und wir weiterhin als Anwält:innen gute Arbeit für unsere Mandantschaft leisten können. Das bedeutet auch, vorausschauend zu agieren, um Krisen zu vermeiden. Und auch wenn wir bereits sehr effektiv arbeiten, gibt es immer noch Potenzial, um entweder mehr Zeit für die Mandatsbearbeitung oder auch für sich und die Familie zu schaffen.

Vor allem bei angestellten Anwältinnen und Anwälten kommt die psychische Belastung häufig von außen, weil der Chef oder die Chefin z. B. keinen Wert darauf legt, dass die Mitarbeitenden einen Ausgleich zur Arbeit haben. Warum sollte der Anwalt oder die Anwältin an der eigenen Grundhaltung arbeiten, wenn das Problem der Überlastung eher durch andere verursacht wird?

Das sehe ich nicht auf angestellte Anwält:innen begrenzt. Die Chefin/der Chef ist auch nur ein Mensch und bekommt von außen Druck.

Im Übrigen sind selbständige Einzelanwält:innen oder Anwält:innen in kleineren Zusammenschlüssen ebenso stark von psychischen Belastungen betroffen. Zahlreiche Fristen, steigende Erwartungshaltung der Mandantschaft, lange Verfahrensdauer u. v. m. verstärken täglich die Belastung. Interessant hierzu ist eine aktuelle Studie des Instituts für Freie Berufe[1], beauftragt durch die Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V. „Anwaltschaft 4.0 – Lage und Entwicklung“. Auf Platz 2 der Aspekte, die den Berufsträger:innen „missfallen“ wurde die Arbeitsbelastung und der Zeitdruck genannt.

Dauerstress und die einzelnen Stressoren, die auf uns einwirken, beeinflussen unsere Leistungsfähigkeit. Wenn wir hier präventiv Mechanismen erkennen, entwickeln und trainieren, die zum einen helfen, aktuell mit den Herausforderungen besser umgehen zu können, aber vor allem auch die Zukunft so zu planen, dass Krisen gar nicht erst entstehen, dann bereiten wir keinen Nährboden für Leistungsabfall und vermeiden letztlich Erkrankungen, die sich durch negativen Dauerstress Platz zu verschaffen suchen. Re- und proaktives Handeln ist symbiotisch gefragt, um die individuelle und unternehmerische Widerstandsfähigkeit zu fördern.

Einzelanwält:innen, wie auch (große) Kanzleien benötigen langfristig Stabilität, um wirtschaftlich am Markt gut aufgestellt zu sein. Stabil bedeutet dabei aber nicht starr. Denn es ist aktuell wichtiger denn je, flexibel zu sein, um auf die sich nahezu täglichen Veränderungen gut eingehen zu können. Der Begriff Resilienz kommt ursprünglich aus der Materialwirtschaft. Stellen wir uns eine Glaskugel vor. Fällt diese zu Boden, ist sie kaputt. Ein Gummiball behält seine Form, wenn er zu Boden geworfen wird und kommt wieder zurück. Die Glaskugel ist nicht resilient. Der Gummiball schon. Das Beispiel soll verdeutlichen, was damit gemeint ist, einerseits stabil zu sein und andererseits aber Agilität und Flexibilität großzuschreiben.

Was Ihre Frage betrifft, warum man an der eigenen Grundhaltung arbeiten soll, wenn das Problem der Überlastung eher durch andere verursacht wird:

Hier möchte ich auf einen Resilienzfaktor Bezug nehmen: „Opferrolle verlassen“.

Wenn ich erkenne, dass andere für mich ein Problem sind oder mich äußere Einflüsse straucheln lassen, dann verhilft mir das Resilienztraining u. a. in der Einheit „Opferrolle verlassen“ genau dort anzusetzen: Ich bin nicht das Opfer, sondern ich kann aktiv etwas entgegensetzen. Kombiniert mit den anderen Resilienzfaktoren wird das Thema „Überlastung“ mit Sicherheit gelöst werden. Genau das wird das Resilienztraining und die Beispiele verdeutlichen.

Ziel des (betrieblichen) Resilienztrainings ist es, zu einer resilienten Kanzlei / einem resilienten Unternehmen zu verhelfen.

Folgendes bitte ich noch zu bedenken:

Gerade wir als Anwält:innen[2] sind seit dem Studium und Referendariat ein hohes Pensum an Stress gewohnt. Das führt wiederum dazu, dass wir den negativen Dauerstress in unserem Kanzleialltag oftmals gar nicht aktiv bemerken. Wir stufen diesen Dauerstress als normal ein. Die durch den Stress entstehenden körperlichen Befindlichkeiten interpretieren wir dann möglicherweise nicht als Folge des Dauerstresses. Die Stressfolgen setzen uns jedoch mehr und mehr mental wie körperlich zu. Dies gilt es rechtzeitig zu bemerken bzw. besser noch: vorzubeugen. Vergessen wir dabei auch eines nicht: Während dem Studium und Referendariat waren wir alle um einiges jünger, hatten mehr Energie und größtenteils keine anderen Herausforderungen. Mit Einstieg in das aktive Berufsleben steigt die Verantwortung und privat entwickeln sich mit den Jahren Situationen, die alle dazu beitragen, dass unsere psychische Widerstandsfähigkeit dankbar für Unterstützung ist.

Frau Scholz, vielen Dank für das Interview.

Das Resilienztraining (Kompakt) nach LOOVANZ dauert zwölf volle Zeitstunden. Die gesetzlichen Krankenkassen beteiligen sich vielfach an den Kursgebühren (§ 20 Abs. V SGB V).

Das Einzeltraining mit Simone Scholz ist nach Absprache möglich.

Interesse? Dann freut sich RA Simone Scholz über Ihre E-Mail: kein-stress@einfach-atmen.de

Website: einfach-atmen.de

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Simone Scholz ist seit Oktober 2018 Geschäftsführerin der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V. und führt zugleich seit Januar 2015 ihre eigene Kanzlei mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und Familienrecht. Simone Scholz war nach ihrer Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau dreizehn Jahre in einer großen Krankenversicherung aktiv. Diese Praxiserfahrung motivierte zum Studium der Rechtswissenschaften an der LMU München.

[1] an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg e.V., Marienstraße 2, 90402 Nürnberg

[2] Gilt auch für andere freie Berufe (§ 18 EStG)

Foto: Adobe Stock/©beeboys

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