Wir Juristinnen und Juristen verhandeln ständig. Offensichtlich natürlich vor Gericht oder außergerichtlich in Vergleichsgesprächen. Wir verhandeln jedoch auch gegenüber dem Mandanten, wenn es um die Bedingungen unserer Arbeit geht. Ebenso als angestellte Juristin oder angestellter Jurist zu den eigenen Arbeitsbedingungen. Verhandlungen durchziehen daher unser gesamtes berufliches wie auch privates Leben. In diesem Artikel wird dargelegt, warum die Intrinsik oder innere Einstellung maßgeblich für eine erfolgreiche Verhandlungstaktik ist.

Allgemeine Verhandlungstechniken – für jeden etwas dabei?

Es gibt eine Fülle von allgemeinen Tipps und Tricks, wie ich zum besten Verhandlungsergebnis komme. Ich selbst gebe hierzu Seminare, die teilweise mehrere Tage dauern. Diese Tipps und Tricks, wie etwa die Elemente des Harvard-Prinzips oder die verschiedenen Techniken des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP) unterscheiden nicht danach, wer eigentlich verhandelt und wie er oder sie selbst „tickt“. Vielmehr nehmen sie – teilweise zu Recht – Allgemeingültigkeit in Anspruch. Dennoch fühlt sich die- oder derjenige, die bzw. der die entsprechenden Verhandlungstechniken studiert mit der einen Technik wohl und kann sich mit der anderen wiederum ganz und gar nicht identifizieren. Das Harvard-Prinzip etwa basiert auf vielen „weichen“ Strategien. Es wird nach Interessen und nicht nach Positionen gefragt, es wird versucht eine Win-Win-Situation zu schaffen. NLP-Techniken sind eher manipulativ und gehören in die „Trickkiste“.

Weshalb wollen Menschen unterschiedlich verhandeln?

Woran liegt es, dass wir unterschiedlich auf Verhandlungstaktiken reagieren und die einen gerne einsetzen, die anderen jedoch gar ablehnen?

Ganz wesentlichen Einfluss auf unsere eigene Verhandlungstaktik haben unsere jeweiligen intrinsischen Treiber. Diese sind mit Abschluss der Pubertät nahezu fertig ausgeprägt und ändern sich im Laufe des Lebens gar nicht bis kaum. Ein von mir angewandtes Analyseverfahren, genannt LUXXprofile, bestimmt die intrinsische Motivation in insgesamt 16 Motiven. Besonders wichtig im Zusammenhang mit dem eigenen Verhalten bei Verhandlungen sind dabei Motive wie „Besitz“, „Sicherheit“, „Revanche“ und „Einfluss“. Die jeweilige intrinsische Ausprägung in diesen Motiven bestimmt wesentlich meine Sprache und meine Verhandlungstaktik:

Das Motiv „Besitz“

Bin ich in diesem Motiv stark ausgeprägt, dann werde ich regelmäßig den „Preis“ des Verhandlungsgegenstandes und generell alles, was ich durch die Verhandlung direkt bekomme, in den Mittelpunkt rücken. Nebenpunkte sind für mich weniger von Bedeutung, wie etwa eine längere Vertragslaufzeit, Sonderkündigungsrechte oder Wettbewerbsverbote. Ich neige dazu, in der Verhandlung viel darüber zu erzählen, was ich schon erreicht habe und besitze. Die Nachteile einer solch engen Betrachtung liegen auf der Hand.

Das Motiv „Sicherheit“

„Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“. Dieser Glaubenssatz prägt Menschen, die in diesem Motiv hoch ausgeprägt sind. Oft wird zu ängstlich verhandelt. Das erste Angebot, das den „Anker“ für die Verhandlung setzt, ist manchmal schon ein zu großes Zugeständnis an den Verhandlungspartner, da die Angst mitschwingt, dass die Verhandlungen ansonsten schnell scheitern könnten. Auch hier ist offensichtlich, dass angstbesetztes Verhalten nicht zum optimalen Ergebnis führen kann.

Das Motiv „Revanche“

Wer in diesem Motiv hoch ausgeprägt ist, fühlt sich bei der kleinsten Attacke des Verhandlungspartners bereits angegriffen und will zurückschlagen. Ein Nachteil liegt darin, dass die Verhandlung schnell zu Ende sein kann und die Parteien sich geraume Zeit nicht mehr an einen Tisch setzen. Zudem komme ich allzu schnell ins Stammhirn und bin dann nicht mehr Herr oder Frau meiner Sinne. Ich verliere die Kontrolle, stelle das Denken ein und will Rache. Auch hier liegen die Nachteile auf der Hand.

Das Motiv „Einfluss“

Eine hohe Ausprägung in diesem Motiv (das früher „Macht“ hieß) ist bei den meisten Führungskräften messbar. Solche Menschen wollen entscheiden und vorangehen. Dies ist im Führungsbereich eine hilfreiche Eigenschaft, als Verhandlungstaktik jedoch nicht immer zielführend. Fange ich an, den Verhandlungspartner dominieren zu wollen, dann könnte er sich zurückziehen und „auf stumm schalten“. Zudem ist auch Ungeduld eine wesentliche Eigenschaft des Machtmenschen. Bei Verhandlungen, die erhebliche Geduld erfordern und lange dauern müssen, da sie komplex sind, wiederum ein Nachteil.

Wir können uns nicht ändern, aber …

Wie eingangs schon erwähnt, steht meine intrinsische Motivation im Wesentlichen mit dem Abschluss der Pubertät fest. Man könnte nun sagen, dass die eigene Persönlichkeit eben in Stein gemeißelt ist und der Andere diese akzeptieren sollte. Bis zu einem gewissen Punkt ist dies auch durchaus richtig. „Sich verbiegen“ ist nicht authentisch und fehlende Authentizität wirkt gekünstelt und unsympathisch. Dies hat wiederum Einfluss auf den mit dem Verhandlungspartner am besten herzustellenden Rapport, einem Gleichklang, der einem den Zugang zum Gegenüber erleichtert. Dennoch sind zwei Dinge wichtig und machbar:

  1. Kenne dein eigenes Profil.
  2. Passe dich dem Gegenüber in deinen extremen Ausprägungen an.

Die LUXXprofile-Analyse als Schlüssel zur eigenen Verhandlungstaktik

Um das eigene Profil kennenzulernen, sollte eine Analyse gemacht werden. Hierzu wird eine Fülle von Fragen beantwortet, danach gibt es ein Auswertungsgespräch, in dem das Ergebnis erklärt und in den richtigen Kontext gebracht wird. In den insgesamt 16 Motiven wird im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt die jeweilige Abweichung nach oben oder unten festgestellt. Je höher die Abweichung vom Durchschnitt, umso mehr sollte ich mich mit der jeweiligen Ausprägung beschäftigen, denn sie bestimmt unser tägliches Handeln.

Anpassung von extremen Ausprägungen

Während die intrinsische Motivation eines Menschen kaum veränderlich ist – man spricht hier von sog. „Traits“ – kann das Verhalten natürlich geändert werden (sog. „States“). Traits und States sollten nicht in vielen Motiven deutlich auseinanderfallen. Dies führt zur Demotivation und teilweise sogar zum Burnout. Wenn ich allerdings in einem Motiv eine extreme Ausprägung habe, die deutlich vom Durchschnitt der Menschen abweicht, dann kann ich mich da sehr wohl zurücknehmen. Dies ist in Verhandlungssituationen absolut ergebnisrelevant, denn Sie kennen die intrinsische Motivation Ihres Gegenübers grundsätzlich nicht.

Würden Sie als Person mit einer hohen Besitzausprägung auf einen Verhandlungspartner mit einer niedrigen Besitzausprägung treffen, dann haben Sie ihn schon verloren, wenn Sie erzählen, was Sie schon so alles geleistet haben. Verkneifen Sie sich daher Sprache und Verhalten, das Ihren extremen Ausprägungen entspricht. Der Machtmensch sollte sich in Geduld üben und nicht dominieren. Wer einen hohen Sicherheitstreiber hat, sollte etwas mehr ins Risiko gehen. Wer gerne Revanche übt, sollte ggfs. die Verhandlung, wenn es hitzig werden könnte, kurz verlassen und durchatmen. So kann ich meine Schwachstellen – wenn ich sie kenne – kaschieren und werde schlicht erfolgreicher im Verhandeln.

Fazit: Eine erfolgreiche Verhandlungstaktik heißt anpassen – nicht verbiegen

Der persönliche Verhandlungsstil basiert auf der eigenen intrinsischen Persönlichkeit. Diese kann Vor- und Nachteile mit sich bringen. Deshalb sollte ich meine intrinsische Ausprägung gut kennen und mich anpassen, ohne mich zu verbiegen. Damit bleibe ich in jeder Situation am Steuer und habe die so wichtige eigene Verhandlungsmacht inne.

Foto: Adobe Stock/©Alex from the Rock

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