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Die Vier-Tage-Woche ist in aller Munde: mehr Effizienz, mehr Freizeit, mehr Mitarbeiterzufriedenheit. Doch bei der Umsetzung gibt es nicht nur ein Modell – was für die eine Kanzlei funktioniert, ist für die andere nicht geeignet. In seinem Artikel: „Die Vier-Tage-Woche. Angst oder Traum?“[1] schreibt Jurist Wolfgang Pichler: „Nichts ist unmöglich und gerade aus Sicht junger Generationen hat die Vier-Tage-Woche sicher ihren Reiz. Weil aber alles im Leben seinen Preis hat, gilt es, der Einführung einer solchen Veränderung besonderes Augenmerk zu widmen.“ In diesem Beitrag lassen wir fünf Kanzleien zu Wort kommen, die die Vier-Tage-Woche eingeführt haben und über ihre Erwartungen und die Vorbereitung dieser Veränderung berichten.

Freitag ist Ruhetag: Zusätzliche Freizeit und Attraktivität als Arbeitgeber

Sven Wilhelmy, Rechtsanwalt und Partner bei Quirmbach & Partner:

„In unserer Kanzlei haben wir die Vier-Tage-Woche eingeführt, um die Effizienz in den täglichen Abläufen zu steigern und gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben. Diese Entscheidung basiert auf dem Ziel, eine gesunde Arbeitsumgebung zu schaffen, die die Produktivität fördert und die Work-Life-Balance unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessert.

Die Herausforderungen, denen wir begegnet sind, waren vielfältig. Die Entscheidung, die Kanzlei an vier Tagen pro Woche zu besetzen, erforderte sorgfältige Planung. Wir haben uns für eine einheitliche Arbeitswoche von Montag bis Donnerstag entschieden, um eine klare Struktur zu schaffen. Die externe Kommunikation dieser Umstellung stellte eine Herausforderung dar. Wir mussten sicherstellen, dass gegenüber unseren Mandantinnen und Mandanten sowie Geschäftspartnern die neue Arbeitszeitregelung gut kommuniziert wird und die telefonische Erreichbarkeit an fünf Tagen durch externe Dienstleister gewährleistet bleibt.

Bislang ziehen wir eine positive Bilanz aus der Einführung der Vier-Tage-Woche. Erste Effizienzgewinne sind spürbar und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzen die zusätzliche Freizeit. Die Testphase läuft bis Jahresende und es wird kontinuierliches Feedback gesammelt, um sicherzustellen, dass die Umstellung langfristig erfolgreich ist. Wir sind optimistisch, dass die Vier-Tage-Woche nachhaltig zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und zur Stärkung unserer Position als attraktiver Arbeitgeber beitragen wird.“

Rechtsanwalt Sven Wilhelmy ist einer der drei Partner der Kanzlei Quirmbach und Partner. Die Kanzlei vertritt im Personenschadenrecht ausschließlich schwerstgeschädigte Opfer von ärztlichen Behandlungsfehlern und Unfallopfer. Neben seiner juristischen Tätigkeit im Arzthaftungsrecht beschäftigt sich RA Wilhelmy intensiv mit dem Themen Legal Tech, Social Media und Agilität.

Organisationsstärke gefragt: Die Vier-Tage-Woche in einer Boutique-Kanzlei mit über 70 Mitarbeitenden

Lasse Konrad, HÄRTING Rechtsanwälte PartGmbB:

lasse-konrad„Unser Ziel war und ist es, durch die Vier-Tage-Woche eine bessere Work-Life-Balance für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere für diejenigen mit Familie, zu ermöglichen. Vor der Einführung unserer Testphase haben wir uns mit den möglichen Herausforderungen befasst und sind u. a. zu dem Ergebnis gekommen, dass ein wirklich freier Tag für uns nur dann durchsetzbar ist, wenn er für alle zeitgleich gilt. An dem so gewonnenen freien Freitag kann man notwendige Behördengänge, Arztbesuche, Sportaktivitäten oder ein verlängertes Wochenende planen. Natürlich dürfte sich durch die längeren Erholungsphasen auch die Attraktivität bei Neueinstellungen erhöhen. Zugleich soll die Effektivität gesteigert werden, sodass trotz weniger Arbeitszeit derselbe oder gar höherer Output erreicht wird.

Die größten Herausforderungen liegen in der Arbeitsorganisation, insbesondere wenn die Auslastung am höchsten ist. Wenn in einer Situation der Voll- oder gar Überlastung nicht gut organisiert und kommuniziert wird, führt dies zur Überforderung einzelner (Teams). Die Bewältigung der organisatorischen Rahmenbedingungen war und ist stets das wichtigste Thema – unabhängig von Branche oder Kanzleigröße.

Weitere Herausforderungen konnten wir bereits vor Beginn der Testphase adressieren. So wurde u. a. geklärt, dass es einen Notdienst am Freitag gibt (da wir als Anwältinnen und Anwälte stets erreichbar sein müssen). Dieser Notdienst kann dann aber nicht mit regulären Aufgaben betraut werden. Reguläre Arbeit wird auf die regulären vier Tage „unter der Woche“ verteilt. Somit wird der Notdienst einerseits am Freitag nicht überfrachtet und andererseits staut sich auch nichts auf den jeweils folgenden Montag an.

Dass der Notfallplan an Freitagen funktioniert, haben wir direkt an dem ersten freien Freitag mit einem Mandat im einstweiligen Rechtsschutz erleben dürfen.

Nach unserer Einschätzung hat sich die Einführung positiv auf die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden ausgewirkt. Wirklich messbar ist dies aber nicht. Deutlich geworden ist aber, dass vor allem die Flexibilität gut angenommen wurde. Wir haben mittlerweile unsere Testphase um weitere sechs Monate verlängert – da die Datenlage und das gesamte Konzept noch nicht an einem Punkt angelangt sind, um eine endgültige Entscheidung fällen zu können. Feinheiten haben sich erst in der Testphase eingespielt. Mit den Daten von einem vollen Jahr mit sämtlichen saisonalen Auf und Abs und Auslastungs-Peaks werden wir nächstes Jahr eine Entscheidung treffen können, wie es konkret weiter geht.“

Lasse Konrad, geboren 1988, ist ein erfahrener Anwalt und Partner bei HÄRTING Rechtsanwälte. Mit einer starken Fokussierung auf IT- und Medienrecht sowie Litigation und Entertainment Law verfügt er über fundierte Expertise, um Mandanten erfolgreich durch die digitale Welt zu führen und die Interessen der Unterhaltungsbranche zu schützen.

Die Vier-Tage-Woche als Treiber für effizientere Digitalisierung und Automatisierung

Tanja Göhring, Blömer und Kollegen:

tanja-göhring„Hohe Arbeitsbelastung, Termindruck und Fachkräftemangel – in dieser Situation befinden wir uns als mittelständische Steuer-, Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfungskanzlei mit rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Oldenburger Münsterland und Brandenburg seit geraumer Zeit. Mit Unterstützung der Unternehmens- und Organisationsentwicklungsberatung agile Macher[2] haben wir nach einer Lösung gesucht und über die Vier-Tage-Woche in einer Testphase zu leistungsfähigeren Teams und einem weitaus effizienteren Grad der Digitalisierung gefunden.

Es bestanden unser Wunsch und die Erwartung, die Qualität der technischen Zusammenarbeit (Mensch und Maschine) und der zwischenmenschlichen (Arbeits-) Beziehungen genau zu betrachten, um unsere Leistungsfähigkeit zu steigern. Sehr schnell war uns klar: Um die Arbeitszeit bei gleichem Arbeitspensum verringern zu können, benötigen wir weitere Wege der Automatisierung von Arbeitsschritten und strategische und transparente Planung der vielen Aufgaben mit verbindlichen Spielregeln und Stärkung der Kommunikationsstrukturen. Nach der Testphase mit dem Team Handwerk & Anlagenbau stand für uns fest: Die große Kraftanstrengung für diese Veränderung lohnt sich.

Bevor die Vier-Tage-Woche eingeführt wird, müssen jedoch für alle Expertenteams die notwendigen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung fest in den Arbeitsalltag integriert sein. Das gezeigte Engagement und die voranschreitende Digitalisierung machen eine Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich möglich und es werden zusätzlich Kapazitäten für weiteres Wachstum geschaffen. Die Social-Media-Kampagnen haben zu einem deutlich gestiegenen Bewerbereingang geführt, was uns natürlich sehr freut! Und durch die gesteigerte Leistungsfähigkeit und die gehobene Zufriedenheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können wir wieder Fahrt aufnehmen und die Zukunftsfähigkeit unserer Kanzlei weiter in den Fokus stellen.“

Seit September 2023 ist Frau Göhring als Kanzleimanagerin/COO bei Blömer & Kollegen GmbH begonnen, um u. a. die Einführung der Vier- Tage-Woche mit ihren erforderlichen Rahmenbedingungen zu verantworten. Sie ist in Vechta aufgewachsen. Nach ihrem Abitur hat sie ihre Ausbildung bei der Landessparkasse zu Oldenburg absolviert und über die Sparkassenakademie studiert. Im Anschluss hat es sie beruflich nach München gezogen. Hier war sie in verschiedenen Führungsfunktionen im Bankenbereich (Direktanlagebank; Privatbank) tätig. Zuletzt hat sie das Kanzleimanagement einer großen mittelständischen Wirtschaftsanwaltskanzlei in München, Berlin und Frankfurt verantwortet.

Mehr Freiheit und Regeneration, aber auch: mehr Zeit für Nichterwerbsarbeit

Katja Dunkel, Dr. Katrin Giere & Rebecca Richter, DUNKEL RICHTER Rechtsanwältinnen:

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„Seit unserer Gründung pflegen wir eine Vier-Tage-Woche, die unsere Überzeugung einer nachhaltigen Unternehmensführung widerspiegelt. Unser Ziel ist es, Mitarbeitenden und Führungskräften eine verbesserte Work-Life-Balance zu ermöglichen – mit dem Ziel, effizienteres, fokussierteres und weniger belastendes Arbeiten, emotionale Ausgeglichenheit und mehr Freiheit zu fördern. Hierbei geht es nicht nur um mehr Freizeit. Ein zusätzlich freier Tag ermöglicht vielmehr, zwingende persönliche Angelegenheiten, wie häusliche und organisatorische Aufgaben, effizienter zu erledigen.

Die komprimierte Arbeitszeit fördert zudem eine höhere Konzentration und Produktivität während der Arbeitstage, da die Mitarbeitenden ausgeruhter und motivierter sind. Eine Vier-Tage-Arbeitswoche kann somit nicht nur das Wohlbefinden der Mitarbeitenden steigern, sondern auch zu einer nachhaltigen und zufriedenstellenden Arbeitsumgebung beitragen.

Um dennoch zügig auf Anfragen zu reagieren und umfassend für unsere Mandantschaft und Rechtsratsuchende da zu sein, ist unser Büro an allen fünf Werktagen besetzt – aber nicht immer mit allen Mitarbeitenden. So können wir auch auf Eilsachen flexibel reagieren.

Einen freien Tag in die Fünf-Tage-Arbeitswoche einzubauen, die in vorherigen Arbeitsverhältnissen üblich war, gestaltete sich anfangs als herausfordernd: Es war schwer, Grenzen zu ziehen, da wir alle es gewohnt waren, ständig erreichbar zu sein und mehr als 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Mit der Zeit hat sich der innere Druck jedoch gelegt. Bei uns setzt zum Beispiel ein einfacher Hinweis in der E-Mail-Signatur bezüglich der Arbeitstage klare Grenzen nach außen, die es uns einfacher machen, auch uns selbst die Grenze zu setzen.

Wir sind fest davon überzeugt, dass durch fokussiertes Arbeiten die Arbeitslast auch innerhalb von vier Tagen bewältigt werden kann, insbesondere wenn ein zusätzlich freier Tag in der Woche in Aussicht steht.“

Katja Dunkel, Dr. Katrin Giere und Rebecca Richter verfolgen in ihrer Berliner Medienrechtskanzlei DUNKEL RICHTER die Vision, eine Kanzlei zu führen, die auf Solidarität, Gleichberechtigung und moralischer Verantwortung basiert. Ein Gegenentwurf zum Status Quo. Sie vertritt ausschließlich Menschen, die in einer offenen und gerechten Gesellschaft leben wollen – die Unterstützung von Frauen und der Queer- Community ist ihr dabei ein besonders Anliegen. Die klassische Mandatsarbeit liegt in den Bereichen Presse- und Äußerungsrecht sowie Gründung, Filmrecht und Urheberrecht. Dazu bietet DUNKEL RICHTER regelmäßig Vorträge und Workshops zu Themen wie New Work, Diskriminierungsschutz und vieles mehr an.

Flexibilität statt Zwang bei der Gestaltung des Arbeitszeitmodells

Bernfried Rose, ROSE & PARTNER:

„Seit 13 Jahren mache ich freitags frei und seit 2019 kann das jeder bei uns in der Kanzlei – bei vollem Gehalt. Anlass meiner Vier-Tage-Woche war die Geburt meines ersten Kindes 2010. Nach den Anfangsjahren der Selbständigkeit mit viel Arbeit und wenig Geld hatte die Kanzlei gerade Fahrt aufgenommen. Für mich die Gelegenheit, meinen Wunsch nach mehr Freizeit zu verwirklichen. 2019 beschlossen wir die Einführung der Vier-Tage-Woche für alle.

Zentrale Säule unseres Arbeitszeitmodells war und ist die Reduzierung der Arbeitszeit. Es ging also nicht darum, die bestehende Workload auf nur noch vier Tage zu verteilen, sondern die Wochenstunden so anzupassen, dass sie auch mit einem langen Wochenende bewältigt werden kann. Hierfür reduzierten wir unsere (schon vorher niedrige) tatsächliche Wochenarbeitszeit für angestellte Anwältinnen und Anwälte von 40 auf 36 Stunden.

Für sonstige Mitarbeitende verringerte sich die Wochenarbeitszeit auf 34 Wochenstunden. Im Sekretariat bringt die Arbeitszeitverkürzung unter Beibehaltung des vollen Gehalts besonders viel, da die familiären und finanziellen Herausforderungen meist noch größer sind als bei den Anwältinnen und Anwälten.

Gerade für Mütter und Väter ist es aber oft gar nicht so attraktiv, die Wochenstunden in der Kanzlei auf vier Tage zu komprimieren. Familienfreundlicher sind da eher fünf kurze Tage, damit man Kinder aus Betreuungseinrichtungen abholen und die Familien-Primetime mit ihnen zu Hause verbringen kann. Aus diesen Erwägungen können unsere Mitarbeitenden frei wählen, ob sie ihre reduzierten Arbeitszeiten auf vier oder fünf Tage verteilen.

Auf der Anwaltsebene spielt die Vier-Tage-Woche heute bei ROSE & PARTNER faktisch kaum noch eine Rolle. Grund dafür ist, dass die meisten unserer mehr als 40 Kolleginnen und Kollegen inzwischen selbstständige „Umsatzpartner“ sind, die zu 50 Prozent an ihren persönlichen Umsätzen beteiligt sind und arbeiten, wann und wo, mit wem und für wen sie wollen. Ob nun 45 Wochenstunden an vier Tagen im Büro oder 36 Wochenstunden an sechs Tagen überwiegend im Homeoffice – jeder baut sich sein eigenes Arbeitszeitmodell für die passende Work-Life-Balance.“

Bernfried Rose ist Gründungspartner der Wirtschafts- und Steuerkanzlei ROSE & PARTNER. Als Rechtsanwalt ist er überwiegend im Private Clients- Bereich aktiv. Sein Schwerpunkt im Kanzleimanagement liegt im Marketing und in der Schaffung von Strukturen, wie etwa Beschäftigungsmodellen.

Möchten auch Sie in Ihrer Kanzlei die 4-Tage-Woche austesten oder sich weitergehend zum Thema informieren? Hier ein paar Lese- und Hörtipps:

Martin Gaedt, Bettina Burhardt, et.al.: 4 TAGE WOCHE: Mehr Gesundheit, Freizeit und Lebensqualität. Mehr Produktivität, Umsatz und Bewerbungen

Guido Zander: Wundermittel 4-Tage-Woche?: Chancen, Risiken, Grenzen und flexible Alternativen

Elton Schwerzel: So gelingt die Umsetzung einer Vier-Tage-Woche, online abzurufen unter: personalwirtschaft.de

Stefanie Hornung: Modelle der Viertagewoche: Was Unternehmen beachten sollten, online abzurufen unter: haufe.de

Kanzleikompass, Folge 31: Die 4-Tage-Woche: Revolution im Kanzleialltag? Mit Sven Wilhelmy, zu hören auf: kanzleikompass.de

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