Das RVG hat nach seiner Einführung im Jahr 2004 zu einem erhöhten Gebührenaufkommen insbesondere bei Strafverteidigern geführt. Deren Rahmengebühren sind aber immer noch recht niedrig, was u. a. daran liegt, dass Verteidiger häufig nur als Pflichtverteidiger tätig sind und/oder sich die Staatskasse in Freispruchfällen mit der Erstattung angemessener, am Aufwand des Verteidigers orientierender Verteidigergebühren schwertut. So stellt sich insbesondere bei Berufsanfängern schnell die Frage, ob man einem als zu gering empfundenen Honorar nicht mit einer Vergütungsvereinbarung begegnen kann.
Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich zunächst mit der Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, um als Verteidiger mit dem Mandanten ein Gespräch über die anwaltliche Vergütung zu führen. Außerdem sollen einige allgemeine Punkte vorgestellt werden, auf die man beim Abschluss einer Vergütungsvereinbarung achten sollte.
1. Wann sollte man als Strafverteidiger über eine Vergütungsvereinbarung sprechen?
Die Frage des richtigen Zeitpunkts für das Gespräch über eine Vergütungsvereinbarung lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Das Gespräch darf nicht zu früh, aber auch nicht zu spät stattfinden.
Zu früh ist es m. E., wenn der (potenzielle) Verteidiger bereits zu Beginn des ersten Gesprächs mit dem Mandanten die Frage einer Honorierung seiner Tätigkeiten durch eine „besondere“ Vergütung thematisiert. Denn zu diesem Zeitpunkt weiß der Verteidiger im Zweifel noch gar nicht, was dem Mandanten überhaupt vorgeworfen wird und damit auch nicht, welcher zeitliche Arbeitsaufwand auf den Verteidiger zukommt. Das auf den Mandanten zukommende Kostenrisiko lässt sich also überhaupt nicht abschätzen. Zudem sind weitere Umstände, die für den Inhalt und den Abschluss der Vergütungsvereinbarung maßgeblich sein können nicht bekannt. Dazu gehören z. B. die Alleinverteidigung, die finanzielle Situation des Mandanten und eine ggf. drohende Inhaftierung.
Andererseits darf das Gespräch nicht zu spät geführt werden. Darauf muss man gerade in Strafsachen achten, da ein (zu) spätes Gespräch, also z. B. erst vor einem anstehenden Hauptverhandlungstermin oder vor drohenden Zwangsmaßnahmen schnell dazu führt, dass der Mandant sich (vermeintlich) in einer Drucksituation befindet, was dann im Hinblick auf § 138 BGB Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung haben kann (vgl. dazu BGH NJW 2010, 1364 = AGS 2010, 267; , NJW 2019, 676 = JurBüro 2019, 72; LG Karlsruhe MDR 1991, 548; AG Butzbach JurBüro 1986, 1033; AG München RVGreport 2010, 411 = AGS 2011, 20). Zudem wird sich ein Mandant, der unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 138 BGB, von seinem Verteidiger zu spät über eine potenzielle Vergütungsvereinbarung informiert wird, „hintergangen“ fühlen, was ggf. Auswirkungen auf die Zahlungswilligkeit haben kann.
Daher ist es ratsam, das „Vergütungsgespräch“ entweder am Ende des ersten (Informations-)Gesprächs zu führen oder zu Beginn des ersten Gesprächs nach Akteneinsicht. Spätestens dann hat der Verteidiger einen Überblick, was auf ihn an Arbeit und was ggf. auf den Mandanten an vereinbarter Vergütung zukommen kann. Im Übrigen gilt: Je näher ein Hauptverhandlungstermin rückt, desto weniger zulässig ist im Hinblick auf § 138 BGB der Vorschlag einer Vergütungsvereinbarung. Dem Mandanten muss es immer noch möglich sein, einen anderen Verteidiger zu beauftragen. Das gilt vor allem in Haftmandaten.
2. Wie informiere ich den Mandanten über die auf ihn zukommenden Kosten?
In dem Gespräch über die Vergütung sollte der Verteidiger den Mandanten möglichst umfassend über die auf ihn zukommenden Kosten informieren.
Es ist sinnvoll, den Mandanten durch einige Vorabinformationen auf das Gespräch vorzubereiten. Es empfiehlt sich daher, das Vergütungssystem – RVG – Pflichtverteidigung – Vergütungsvereinbarung – vorab zu erläutern. In dem Zusammenhang kann dann auch gleich mit einem weit verbreiteten Irrtum aufgeräumt werden: Die Pflichtverteidigung ist keine „Verteidigung zum Nulltarif“. Zwar muss der Beschuldigte im Fall der Beiordnung zunächst keine Gebühren bevorschussen, aber: Die an den Pflichtverteidiger gezahlten gesetzlichen Gebühren sind Gerichtskosten (Nr. 9007 VV GKG), die im Fall einer Verurteilung vom Angeklagten im Rahmen des Kostenansatzes eingefordert werden. Ggf. kommt aber eine „Niederschlagung“ der Kosten in Betracht, wenn der Mandant nicht in der Lage ist, sie zu zahlen (vgl. § 2 Abs. 2 GebührenbefreiungsG).
Es empfiehlt sich, die Berechnungsgrundlagen für die zu vereinbarende Vergütung transparent zu machen. Im besten Fall stehen dazu bereits Informationen auf der Website der Kanzlei des Verteidigers. Es empfiehlt sich beispielsweise ein Merkblatt, das dem Mandanten ausgehändigt wird, das man ihm vorab übersendet oder das im Wartebereich der Kanzlei ausliegt. Wird die Vergütungsfrage nicht bereits im ersten Gespräch abschließend erörtert, kann es sich empfehlen, dem Mandant die zu unterzeichnende Vergütungsvereinbarung mit Erläuterungen zuzusenden. Dies gibt dem Mandanten die Möglichkeit, in Ruhe darüber nachzudenken. Zudem schließt diese Vorgehensweise den Einwand aus, der Mandant sei zum Abschluss der Vereinbarung unzulässig gedrängt worden.
Die Erfahrung zeigt: Je umfassender der Mandant über die Grundlagen der potenziellen Vergütungsvereinbarung, die verschiedenen Abrechnungsmodelle und die Abrechnungsmodalitäten im Vorfeld informiert wird, desto höher ist die Akzeptanz, eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen. Dazu gehört auch der Hinweis, dass – falls dies beabsichtigt ist – der Verteidiger nur auf Grundlage einer Vergütungsvereinbarung tätig wird. Diese Verknüpfung ist zulässig (BGH NJW 2013, 1591 = RVGreport 2013, 265). Und: Dazu gehört sicherlich auch der frühzeitige Hinweis, dass die Staatskasse, im Fall einer Erstattung nach einem Freispruch, nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss (§ 3a Abs. 1 Satz 3 RVG).