Neben den Fällen der tatsächlichen Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV kann in erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV auch eine sog. „fiktive“ Terminsgebühr anfallen, also eine Terminsgebühr für einen Termin, der gar nicht stattgefunden hat.
I. Gemeinsame Voraussetzung: Vorgeschriebene mündliche Verhandlung
Voraussetzung für alle Varianten der fiktiven Terminsgebühr ist, dass im zugrunde liegenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Im Gegensatz zu den „echten“ Terminen nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV kann also eine fiktive Terminsgebühr nur in Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung ausgelöst werden. Die Frage, ob eine mündliche Verhandlung im Verfahren vorgeschrieben ist, darf nicht mit der Frage verwechselt werden, ob die konkrete Entscheidung einer mündlichen Verhandlung bedarf.
Vorgeschrieben ist die mündliche Verhandlung
- im Erkenntnisverfahren (§ 128 Abs. 1 ZPO),
- in einstweiligen Verfügungsverfahren (OLG Düsseldorf AGS 2017, 559 = RVGreport 2018, 19; OLG Oldenburg AGS 2017, 176 = RVGreport 2017, 225; OLG Zweibrücken AGS 2015, 16 = RVGreport 2015, 20) sowie
- in Arrestverfahren nach Widerspruch.
Nicht vorgeschrieben ist die mündliche Verhandlung dagegen
- im Mahnverfahren,
- im selbstständigen Beweisverfahren (§§ 490 Abs. 1, 128 Abs. 4 ZPO),
- in Arrestverfahren bis zum Widerspruch (§§ 922 Abs. 1, 128 Abs. 4 ZPO) und
- in einem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 127 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die gegenteilige Auffassung des KG (AGS 2008, 68 = RVGreport 2007, 458), das eine Terminsgebühr bejaht, ist mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren und zudem auch vom BGH abgelehnt worden (AGS 2012, 274 = RVGreport 2012, 184).
II. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Einverständnis mit den Parteien
Zum einen entsteht nach Anm. Abs. 1 Nr. 1, 1. Var. zu Nr. 3104 VV eine Terminsgebühr, wenn das Gericht im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Im erstinstanzlichen Verfahren ist hiermit der Fall des § 128 Abs. 2 ZPO gemeint. Nach § 128 Abs. 1 ZPO ist im erstinstanzlichen Verfahren grundsätzlich mündlich zu verhandeln. Im Einverständnis mit den Parteien kann das Gericht jedoch auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Voraussetzung ist eine Entscheidung des Gerichts. Dabei muss es sich nicht um eine Endentscheidung handeln. Vielmehr genügt jede Entscheidung, durch die die beabsichtigte Endentscheidung wesentlich sachlich vorbereitet wird, nicht jedoch eine Entscheidung zur Prozess- und Sachleitung (AnwK-RVG/Wahlen/Onderka/N. Schneider, Nr. 3104 Rn 58 ff.).
Ergeht nur zum Teil eine Entscheidung, dann entsteht die Terminsgebühr auch nur aus dem (Teil-)Wert, über den noch entschieden worden ist.
Erforderlich ist, dass die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gerade aufgrund des Einverständnisses der Parteien im Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO ergeht. Soweit das Gericht aufgrund anderer Vorschriften ohne mündliche Verhandlung entscheidet, es also gar nicht des Einverständnisses der Parteien bedarf, entsteht keine Terminsgebühr. Gegebenenfalls muss daher genau geprüft werden, auf welche Grundlage das Gericht seine Entscheidung gestützt hat. Keine Terminsgebühr wird daher ausgelöst, wenn die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht nach § 128 Abs. 2 ZPO ergeht, sondern das Gericht
- nach § 91a ZPO über die Kosten des erledigten Verfahrens entscheidet (BGH AGS 2007, 610 u. 2008, 610 = RVGreport 2007, 460),
- nach § 269 ZPO über die Kosten nach Klagerücknahme entscheidet (OLG Naumburg AGS 2014, 118 = RVGreport 2014, 22; a. A. AG Mönchengladbach AGS 2008, 25),
- nach §§ 700 Abs. 1, 341 Abs. 2 ZPO den Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid als unzulässig verwirft (OLG Köln AGS 2019, 266 = RVGreport 2019, 297; OLG Koblenz AGS 2011, 482 = JurBüro 2011, 590; AG Ansbach AGS 2006, 544 = RVGreport 2006, 388; LG Berlin RVGreport 2006, 347),
- nach § 281 ZPO die Verweisung ausspricht oder
- nach § 358a ZPO einen vorbereitenden Beweisbeschluss erlässt (OLG München AGS 2008, 69 = JurBüro 2008, 196).
III. Entscheidung nach § 307 ZPO
Des Weiteren fällt gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1, 2. Var. zu Nr. 3104 VV eine Terminsgebühr an, wenn im schriftlichen Verfahren gem. § 307 ZPO entschieden wird, wenn also ein Anerkenntnisurteil ergeht (OLG Karlsruhe JurBüro 2006, 195; OLG Jena JurBüro 2005, 529 = RVGreport 2005, 389; OLG Stuttgart AGS 2006, 24 = NJW-RR 2005, 1735; LG Stuttgart AGS 2005, 328 = NJW 2005, 3152).
Die Terminsgebühr entsteht dabei sowohl für die Anwältin bzw. den Anwalt des Klägers, die oder der das Anerkenntnisurteil beantragt, als auch für die Anwältin oder den Anwalt des Beklagten, die oder der das Anerkenntnis abgibt. Da weder die Anm. Abs. 1 Nr. 1, 2. Var. zu Nr. 3104 VV noch § 307 ZPO einen Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils voraussetzen, entsteht die Gebühr auch dann, wenn das Anerkenntnisurteil ohne Antrag ergeht.
Unerheblich ist, ob das Anerkenntnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergeht oder zu einem späteren Zeitpunkt (unzutreffend AG Halle [Saale] AGS 2008, 280).
Auch hier entsteht die Terminsgebühr nur, wenn auch ein Anerkenntnisurteil ergeht. Daran fehlt es, wenn sich das Verfahren zuvor erledigt, bevor das Urteil ergangen ist. Das Anerkenntnis alleine reicht nicht aus. Eine Terminsgebühr entsteht daher auch nicht, wenn nur noch die Kostenlast anerkannt wird.
IV. Entscheidung im Verfahren nach § 495a ZPO
Die Terminsgebühr entsteht gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. zu Nr. 3104 VV auch im Verfahren nach § 495a ZPO, wenn dort ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Erforderlich ist auch hier eine Entscheidung, die jedoch wiederum keine Endentscheidung sein muss. Fehlt es an einer Entscheidung, entsteht auch keine Terminsgebühr. Ergeht nur zum Teil eine Entscheidung, dann entsteht die Terminsgebühr auch nur aus dem (Teil-)Wert, über den noch entschieden worden ist. Die volle 1,2-Terminsgebühr entsteht auch dann, wenn sich der Beklagte am Verfahren nicht beteiligt (OLG Düsseldorf AGS 2009, 172 = RVGreport 2009, 185).
Möglich ist im Verfahren nach § 495a ZPO auch der Erlass eines Versäumnisurteils. In diesem Fall entsteht die Terminsgebühr nur zu 0,5 (AG Pforzheim AGS 2019, 6 = JurBüro 2019, 197).
V. Schriftlicher Vergleich
Ebenso entsteht die Terminsgebühr, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird (Anm. Abs. 1 Nr. 1, 4. Var. zu Nr. 3104 VV). Hauptanwendungsfall dieser Variante ist das Zustandekommen eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO (BGH AGS 2006, 488 = RVGreport 2006, 387). Der Anwendungsbereich der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV ist jedoch nicht auf die Fälle des § 278 Abs. 6 ZPO beschränkt. Die Terminsgebühr entsteht auch dann, wenn ein privatschriftlicher Vergleich geschlossen wird (OLG Köln RVGreport 2016, 259 = AGS 2016, 391; LAG Hamburg RVGreport 2011, 110).
Wird ein schriftlicher Vergleich auch über nicht anhängige Gegenstände geschlossen, so entsteht die Terminsgebühr auch aus dem Mehrwert (OLG Saarbrücken AGS 2010, 161 = JurBüro 2010, 302).
Wird in einem Verfahrensstadium, in dem eine mündliche Verhandlung nicht (mehr) vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen, so entsteht keine Terminsgebühr. Die Terminsgebühr entsteht nur, wenn im Falle einer Entscheidung eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben wäre. So löst ein Kostenvergleich nach übereinstimmend erklärter Erledigung der Hauptsache keine Terminsgebühr aus, weil über die Kosten gem. § 128 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden könnte.
VI. Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren
Ergeht im schriftlichen Vorverfahren gem. § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; 697 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 331 Abs. 3 ZPO nach Ausbleiben der Verteidigungsanzeige ein Versäumnisurteil, entsteht ebenfalls eine Terminsgebühr (Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV). Allerdings beträgt die Höhe des Gebührensatzes jetzt nur 0,5. Die Terminsgebühr für das Erwirken eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren entsteht auch dann, wenn die Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO ohne einen entsprechenden (Prozess-)Antrag des Klägers ergeht (BGH AGS 2017, 174 = RVGreport 2017, 140).
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Rechtsanwalt Norbert Schneider ist einer der versiertesten Praktiker im Bereich des anwaltlichen Gebühren- und Kostenrechts und Autor zahlreicher Fachpublikationen und Seminare. Er ist außerdem Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2024 zur Reisekostenabrechnung.