BRAO-Reform

Von Julian Oehlenschläger

Am 1. August 2022 tritt die BRAO-Reform in Kraft – und verändert grundlegend die Konzeption der Berufshaftpflichtversicherung. Im Interview klärt Versicherungsexperte Julian Oehlenschläger deshalb darüber auf, wer sich nun auf strengere Vorgaben in Bezug auf die Berufshaftpflichtversicherung einstellen muss, welche Gesellschaftsformen attraktiver werden und warum die Ein-Personen-Anwalts-GmbH für Einzelkämpfer eine echte Alternative sein kann.

Herr Oehlenschläger, viele Versicherungsverträge werden im Zuge der BRAO-Reform an das neue Recht angepasst. Können Sie zusammenfassen, für wen es besonders attraktiv sein wird, sich mit dem Thema Berufshaftpflichtschutz neu zu befassen und sich ggfs. für eine andere Gesellschaftsform zu entscheiden?

Für alle Anwälte und Anwältinnen, die sich bislang nicht in Form einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung oder Anwalts-GmbH zusammengeschlossen haben, weil sie die Kosten für die Haftpflichtversicherung der Gesellschaft scheuen, ergeben sich nun neue Perspektiven. Während für die GbR und die einfache Partnerschaftsgesellschaft ab dem 1.8.2022 strengere Regeln in Bezug auf die Berufshaftpflichtversicherung greifen werden, lockern sich die Vorgaben für kleine Gesellschaften mit beschränkter (Berufs-)Haftung.

Jede Berufsausübungsgesellschaft, auch die GbR und PartG, muss künftig eine Berufshaftpflichtversicherung in eigenem Namen mit der Mindestdeckungssumme von 500.000 Euro abschließen. Die Prämien für die Haftpflichtversicherung werden sich nur noch marginal gegenüber den Prämien für eine kleine PartG mbB oder Anwalts-GmbH (bis zehn Berufsträger) mit der Mindestdeckungssumme von 1 Mio. Euro unterscheiden.

Die Vorteile der PartG mbB, die sich aus der Haftungsbeschränkung für berufliche Fehler und der gleichzeitigen Besteuerung als Personengesellschaft ergeben, sind vielen Anwälten und Anwältinnen bewusst.

Weniger bekannt ist, dass der PartG mbB bessere Versicherungsbedingungen als einer GbR oder PartG zur Verfügung gestellt werden.

Der Gesetzgeber schreibt Versicherungsschutz auch im Falle einer wissentlichen Pflichtverletzung vor. Manche Versicherungsgesellschaften bieten Anwälten und Anwältinnen auch einen Regressverzicht bei wissentlicher Pflichtverletzung an.

Für Berufsausübungsgesellschaften mit beschränkter (Berufs-)Haftung gilt bald eine Mindestversicherungssumme von 2,5 Mio. Euro pro Versicherungsfall, für kleine Berufsausübungsgesellschaften „nur“ von 1 Mio. Euro. Aber die Mindestversicherungssummen sind ja nur die Minimalanforderung. Würden Sie sagen, dass diese in den meisten Fällen auch ausreichend sein wird?

Aus meiner Sicht macht es Sinn, einen ausreichenden Puffer in der Berufshaftpflichtversicherung zu haben. Gerade vor dem Hintergrund, dass nach unserer Erfahrung die meisten Fälle, in denen Anwälte sowie Anwältinnen ohne Deckung dastehen, sich nicht dadurch ergeben, dass ein Schaden in den Versicherungsbedingungen nicht abgedeckt ist, sondern durch zu niedrige Deckungssummen verursacht werden. Es gibt jedoch Rechtsgebiete, in denen die Deckungssumme von 1 Mio. Euro durchaus angemessen sein kann. Und auch für Berufsausübungsgesellschaften mit beschränkter (Berufs-)Haftung, die neu gegründet werden, ist die Deckungssumme von 1 Mio. Euro in den ersten Jahren durchaus eine Option.

Hinweisen möchte ich auch auf die spannende Möglichkeit für kleine Gesellschaften mit beschränkter (Berufs-)Haftung (bis zehn Berufsträger), die Haftung nun schon ab der Deckungssumme von 4 Mio. Euro über vorformulierte Vertragsbedingungen beschränken zu können (§ 52 BRAO). Ohne Vereinbarung zur Haftungsbeschränkung mit der Mandantschaft kann ein großer Haftpflichtfall, der die Deckungssumme überschreitet, die Existenz des Unternehmens gefährden.

Was muss ich über das Thema persönliche Haftung und Berufshaftpflicht wissen, wenn ich darüber nachdenke, mich mit Personen aus anderen Berufsgruppen zusammenzuschließen (z. B. mit einem Architekten)?

Grundsätzlich wird der Anwaltschaft künftig die Zusammenarbeit mit allen freien Berufen nach § 1 Abs. 2 PartGG ermöglicht. In Fragen der interprofessionellen Zusammenarbeit steht noch nicht genau fest, welche Lösungen die Versicherungswirtschaft hier anbieten wird. Es wird keine Pflichtversicherung für die akzessorische Haftung aus berufsfremden Tätigkeiten geben. Denkbar ist ein „Partizipationsmodell“, bei dem die Gesellschafter gegenseitig am Versicherungsschutz des anderen Gesellschafters partizipieren. Dies ist besonders deshalb wichtig, weil über die Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte und Anwältinnen in der Regel keine Personen oder Sachschäden versichert sind. Für die Bedingungswerke der Berufsausübungsgesellschaften wird wichtig sein, dass dort immer die Versicherungsbedingungen aller beteiligten Professionen hinterlegt sind.

Ändert sich für Einzelkanzleien, z. B. bei Gründung einer Ein-Personen-Anwalts-GmbH, etwas?

In der Praxis gibt es die Ein-Personen-Anwalts-GmbH schon länger. In § 59b Abs. 1 Satz 2 BRAO-E wird nun erstmals eindeutig geregelt, dass die Gründung einer Berufsausübungsgesellschaft mit einer Person zulässig ist. Gleichzeitig sinken für eine Anwalts-GmbH mit nicht mehr als zehn Berufsträgern die Anforderungen an die Berufshaftpflichtversicherung. Musste bisher eine Berufshaftpflichtversicherung mit der Mindestdeckungssumme von 2,5 Mio. Euro vorgehalten werden, ist nun eine Mindestdeckungssumme von 1 Mio. Euro ausreichend.

Zukünftig wird die Ein-Personen-Anwalts-GmbH für alle Einzelkämpfer eine echte Alternative darstellen und deutlich mehr Zulauf bekommen.

Übrigens greifen auch für diese Gesellschaftsform bei einigen Versicherern wieder die besseren Bedingungen (analog PartG mbB), die bei wissentlicher Pflichtverletzung auf einen Regress gegen den Versicherungsnehmer verzichten.

Wer keine Gesellschaft gründen möchte, kann natürlich weiterhin als klassischer Einzelanwalt oder als Einzelanwältin tätig sein. An der Mindestdeckungssumme von 250.000 Euro ändert sich mit der BRAO-Reform nichts.

Herr Oehlenschläger, vielen Dank für das Interview.

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Julian Oehlenschläger ist seit 2007 im Vorstand der hemmer finance AG und dort zuständig für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung der rechtsberatenden Berufe. Die hemmer finance AG gehört, wie das Juristischen Repetitorium hemmer, zur hemmer.group und unterstützt junge Anwälte und Anwältinnen bei der Absicherung von Haftungsrisiken.

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Foto: Adobe Stock/©Nuthawut