
Bevor man sich als Anwältin oder Anwalt dazu entscheidet, die Karriere durch einen Fachanwaltslehrgang voranzutreiben, hat man vermutlich erst einmal etliche Fragen. Lohnt sich ein solcher Lehrgang, wie lange dauert er und was kommt inhaltlich auf einen zu? Das Für und Wider muss natürlich jeder letztendlich für sich selbst entscheiden, doch dieser Artikel soll ein wenig dabei helfen, indem er die grundlegenden Fragen zum Fachanwaltslehrgang im Medizinrecht beantwortet. Der Fachanwaltstitel im Medizinrecht ist ein noch recht junger Fachanwaltstitel, der erst 2005 in die Fachanwaltsordnung (FAO) aufgenommen wurde. Dennoch zeigt sich in der Berufswelt, dass es einen hohen Bedarf an der Spezialisierung gibt.
Voraussetzungen für die Verleihung des Fachanwaltstitels?
Die zuständige Rechtsanwaltskammer verleiht nach Maßgabe der FAO die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung. Die Voraussetzungen für diese Verleihung sind:
- Dreijährige Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwalt innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung (§ 3 FAO)
- Antragstellung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer (§ 22 FAO)
- Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse (§§ 4, 4a und 6 FAO)
- Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen (§§ 5, 6 FAO)
- Nachweis besonderer Kenntnisse (§ 14b FAO)
Wie lange dauert der Lehrgang?
Der Erwerb des Fachanwaltstitels setzt voraus, dass der Antragsteller an einem auf die Bezeichnung als Fachanwalt vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgang teilgenommen hat, der alle relevanten Bereiche des jeweiligen Fachgebiets umfasst. Die Gesamtdauer des Lehrgangs muss mindestens 120 Zeitstunden betragen. Der Zeitraum, in dem sie absolviert werden, ist individuell und variiert je nach Anbieter. Die Leistungskontrollen sind hier nicht umfasst.
Welche Leistungskontrollen gibt es?
Der Antragsteller muss – um den Fachanwaltstitel führen zu dürfen – mindestens drei schriftliche Leistungskontrollen (Aufsichtsarbeiten) in Präsenzform aus verschiedenen Bereichen des Lehrgangs erfolgreich ablegen. Eine Leistungskontrolle muss mindestens eine Zeitstunde ausfüllen und darf fünf Zeitstunden nicht überschreiten. Die Gesamtdauer der bestandenen Leistungskontrollen darf fünfzehn Zeitstunden nicht unterschreiten (§ 4a FAO). Man sieht also auch hier, dass es die pauschale Antwort an dieser Stelle nicht gibt. Das Gute daran ist jedoch, dass man – je nach persönlichen Vorlieben – verschiedene Möglichkeiten hat, je nachdem welche Art von Lehrgang man besucht.
Welche Inhalte kommen auf einen zu?
Die Norm des § 14b FAO bestimmt die Kenntnisse, die man als angehender Fachanwalt für Medizinrecht nachzuweisen hat. Das Medizinrecht wird nicht umsonst als Querschnittsmaterie bezeichnet, da es sich aus vielen verschiedenen Rechtsgebieten und Gesetzen zusammensetzt. Gerade deshalb gibt es aber auch zahlreiche Spezialisierungsmöglichkeiten sowie enorm viele Möglichkeiten für eine persönliche und fachliche Weiterentwicklung.
Für das Fachgebiet Medizinrecht sind laut § 14b FAO besondere Kenntnisse nachzuweisen in folgenden Bereichen:
- Recht der medizinischen Behandlung, insbesondere
a) zivilrechtliche Haftung,
b) strafrechtliche Haftung, - Recht der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere Vertragsarzt- und Vertragszahnarztrecht, sowie Grundzüge der Pflegeversicherung,
- Berufsrecht der Heilberufe, insbesondere
a) ärztliches Berufsrecht,
b) Grundzüge des Berufsrechts sonstiger Heilberufe, - Vertrags- und Gesellschaftsrecht der Heilberufe, einschließlich Vertragsgestaltung,
- Vergütungsrecht der Heilberufe,
- Krankenhausrecht, einschließlich Bedarfsplanung, Finanzierung und Chefarztvertragsrecht,
- Grundzüge des Arzneimittel- und Medizinprodukterechts,
- Grundzüge des Apothekenrechts,
- Besonderheiten des Verfahrens- und Prozessrechts
Welche praktischen Erfahrungen muss man nachweisen?
Auch hier hat die FAO eine entsprechende Antwort parat. Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen setzt voraus, dass man innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung im jeweiligen Fachgebiet als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei gearbeitet hat (§ 5 FA). Im Rahmen dieser Arbeit werden im Regelfall dann auch die Fälle gesammelt, die für die Ausbildung nachgewiesen werden müssen. Den Mindestumfang gibt hier ebenfalls die FAO vor. Für das Medizinrecht sind es laut § 5 Abs. 1i) FAO 60 Fälle, davon mindestens 15 rechtsförmliche Verfahren (davon mindestens 12 gerichtliche Verfahren). Die Fälle müssen sich dabei auf mindestens drei verschiedene Bereiche des § 14b Nr. 1 bis 8 beziehen, dabei auf jeden dieser drei Bereiche mindestens drei Fälle.
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Lohnt sich ein Fachanwaltstitel?
Viele Mandanten suchen speziell nach fachlich erfahrenen Anwälten und Anwältinnen. Insofern ist eine weitere Spezialisierung, die auch von der zuständigen Berufskammer kontrolliert und vergeben wird, ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil. Des Weiteren verpflichtet der Fachanwaltstitel, durch Fortbildungen den hohen Qualitätsstandard der Arbeit sicherzustellen. Wer seiner Fortbildungspflicht nicht nachkommt, dem droht der Widerruf der Erlaubnis, den Titel zu führen.
Die Fachanwaltsordnung verlangt hier mindestens 15 Fortbildungsstunden in einem Jahr in dem Rechtsgebiet, in dem man sich spezialisiert hat (§ 15 FAO). Derartige Fortbildungen werden mittlerweile sowohl online, als auch in Präsenz angeboten. Sie bieten zum einen die Möglichkeit, speziell zu dem gewählten Fachbereich Vorträge zu hören oder an Seminaren teilzunehmen. Zum anderen haben aber gerade Präsenzveranstaltungen den Vorteil, Kolleginnen Kollegen zu treffen und kennenzulernen, die im selben Fachbereich tätig sind. Vor dem Hintergrund der Akquise eigener Mandate ist vor allem dieser Aspekt nicht zu unterschätzen. Eine Empfehlung wird nämlich immer derjenige erhalten, den man kennt und mit dem man gerne zusammenarbeitet.
Wo kann man einen Fachanwaltslehrgang absolvieren?
Auch den Fachanwaltslehrgang selbst kann man mittlerweile als Online- oder Präsenzlehrgang absolvieren. Nachdem der Fachanwaltslehrgang im Medizinrecht allerdings noch relativ jung ist, werden hier tatsächlich weniger Lehrgänge angeboten, als in vergleichsweise verbreiteteren Rechtsgebieten.
Beispielsweise bietet ARBER Seminare einen Lehrgang an (s. hier), der einmal im Monat über fünf Monate lang stattfindet. Der Preis liegt bei 1.590 Euro. Es empfiehlt sich hier, beim Arbeitgeber in Erfahrung zu bringen, ob die Kosten (zumindest teilweise) übernommen werden und unter welchen Bedingungen dies geschieht.
Auch Anbieter wie die AK JURA und die Deutsche Anwaltakademie bieten in regelmäßigen Abständen Fachanwaltslehrgänge im Medizinrecht an.
Karrierechancen als Fachanwalt im Medizinrecht?
Aufgrund der Vielseitigkeit des Medizinrechts, das nicht umsonst als Querschnittsmaterie bezeichnet wird, sind auch die Karrieremöglichkeiten sehr vielseitig. Macht man sich nur einmal bewusst, wer Rechtsrat im Medizinrecht benötigt, so wird klar, dass man als Fachanwalt oder Fachanwältin im Medizinrecht im Anstellungsverhältnis oder selbstständig, jedoch auch in der freien Wirtschaft, beispielsweise in Pharmaunternehmen oder Kliniken tätig werden kann. Selbst die Beamtenlaufbahn – man denke hier beispielsweise an Gesundheitsämter oder auch Gerichte – ist nicht ausgeschlossen. Hat man Interesse an Forschung und Lehre, hat man außerdem die Möglichkeit, an medizinischen oder juristischen Fakultäten zu lehren. Von Patienten über Arztpraxen bis hin zu Apotheken und Unternehmen im Bereich des Gesundheitswesens kann nahezu jeder, der in der Heilkunde tätig ist oder Berührungspunkte mit dieser hat, Unterstützung in rechtlichen Belangen benötigen. Die zunehmende Verrechtlichung der Medizin vergrößert den Bedarf an Rechtsexperten und -expertinnen im Medizinrecht, so dass sich die Karriereaussichten eher noch weiter verbessern werden.
Wie sind die Gehaltsaussichten?
Die Einstiegsgehälter liegen Umfragen zufolge im Durchschnitt bei 96.500 Euro im Jahr[1]. In mittelständischen Kanzleien liegt der durchschnittliche Jahresverdienst hier bei knapp 82.000 Euro und in Großkanzleien bei 122.000 Euro. Doch wie das immer ist, bringen Statistiken relativ wenig, wenn das Gesamtpaket am Ende nicht stimmt. Eine Statistik ist eben doch nur eine Statistik.
Fazit: Kosten und Nutzen abwägen
Ob sich ein Fachanwaltstitel für den Einzelnen im Endeffekt nun lohnt, muss selbstverständlich jeder selbst beurteilen. Besteht die Bereitschaft, sich auch in fachfremde Materien einzuarbeiten sowie ein grundsätzliches Interesse an der Medizin, sind schon einmal die Voraussetzungen geschaffen, die ein Fachanwalt oder eine Fachanwältin im Medizinrecht mitbringen sollte. Kosten- und Nutzen einer weiteren Ausbildung neben der beruflichen Tätigkeit stehen natürlich auf einem anderen Blatt.
[1] Vgl. https://iurratio.de/berufsspecials/medizinrecht
Pia Nicklas hat Rechtswissenschaften in Bayreuth und Wirtschaftsrecht an der Fernuniversität Hagen studiert. Sie arbeitete erst als Werkstudentin und nach Ihrem Abschluss als Wirtschaftsjuristin im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Nach einem kurzen Ausflug in die Kanzleiwelt und in ein großes Wirtschaftsunternehmen, ist sie seit Anfang 2020 als freiberufliche Fachtexterin im juristischen Bereich tätig.