Bevor man sich als Anwältin oder Anwalt dazu entscheidet, die Karriere durch einen Fachanwaltslehrgang voranzutreiben, stellt man sich vermutlich erst einmal mehrere Fragen. Lohnt sich ein solcher Lehrgang, wie lange dauert er und was kommt inhaltlich auf einen zu? Das Für und Wider muss natürlich jeder letztendlich für sich selbst entscheiden, doch dieser Artikel soll ein wenig dabei helfen, indem er die grundlegenden Fragen zum Fachanwaltslehrgang im Sozialrecht beantwortet. Der Fachanwalt im Sozialrecht gehörte zu einer der ersten Fachanwaltsbezeichnungen seit Einführung der Fachanwaltsordnung 1979. Zum 1. Januar 2024 waren in Deutschland 1.667 Fachanwälte und Fachanwältinnen für Sozialrecht zugelassen.
Voraussetzungen für die Verleihung des Fachanwaltstitels?
Die zuständige Rechtsanwaltskammer verleiht nach Maßgabe der FAO die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung. Die Voraussetzungen für diese Verleihung sind:
- Dreijährige Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwalt innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung (§ 3 FAO)
- Antragstellung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer (§ 22 FAO)
- Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse (§§ 4, 4a und 6 FAO)
- Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen (§§ 5, 6 FAO)
- Nachweis besonderer Kenntnisse (§ 14b FAO)
Wie lange dauert der Lehrgang?
Der Erwerb des Fachanwaltstitels setzt voraus, dass der Antragsteller an einem auf die Bezeichnung als Fachanwalt vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgang teilgenommen hat, der alle relevanten Bereiche des jeweiligen Fachgebiets umfasst. Die Gesamtdauer des Lehrgangs muss dabei mindestens 120 Zeitstunden betragen. Der Zeitraum, in dem sie absolviert werden, ist individuell und variiert je nach Anbieter. Die Leistungskontrollen sind hier nicht umfasst.
Welche Leistungskontrollen gibt es?
Der Antragsteller muss – um den Fachanwaltstitel führen zu dürfen – mindestens drei schriftliche Leistungskontrollen (Aufsichtsarbeiten) in Präsenzform aus verschiedenen Bereichen des Lehrgangs erfolgreich ablegen. Eine Leistungskontrolle muss mindestens eine Zeitstunde ausfüllen und darf fünf Zeitstunden nicht überschreiten. Die Gesamtdauer der bestandenen Leistungskontrollen darf fünfzehn Zeitstunden nicht unterschreiten (§ 4a FAO). Man sieht also auch hier, dass es die pauschale Antwort an dieser Stelle nicht gibt. Das Gute daran ist jedoch, dass man – je nach persönlichen Vorlieben – verschiedene Möglichkeiten hat, je nachdem welche Art von Lehrgang man bevorzugt.
Welche Inhalte kommen auf einen zu?
Für den Fachanwalt im Verwaltungsrecht sind laut § 11 FAO in folgenden Bereichen besondere Kenntnisse nachzuweisen:
- allgemeines Sozialrecht einschließlich Verfahrensrecht,
- besonderes Sozialrecht a) Arbeitsförderungs- und Sozialversicherungsrecht (Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung),
b) Recht der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden,
c) Recht des Familienlastenausgleichs,
d) Recht der Eingliederung von Menschen mit Behinderung,
e) Sozialhilferecht,
f) Ausbildungsförderungsrecht.
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Welche praktischen Erfahrungen muss man nachweisen?
Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen setzt voraus, dass man innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung im jeweiligen Fachgebiet als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei eine bestimmte Anzahl an Fällen bearbeitet hat (§ 5 FAO). Den Mindestumfang gibt ebenfalls die FAO vor. Für das Sozialrecht sind es laut § 5 Abs. 1d) FAO 60 Fälle aus mindestens drei der in § 11 Nr. 2 FAO bestimmten Gebiete. Hiervon müssen mindestens 20 Fälle gerichtliche Verfahren sein.
Lohnt sich ein Fachanwaltstitel?
Viele Mandanten suchen speziell nach fachlich erfahrenen Anwälten und Anwältinnen. Insofern ist eine weitere Spezialisierung, die auch von der zuständigen Berufskammer kontrolliert und vergeben wird, ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil. Des Weiteren verpflichtet der Fachanwaltstitel, durch Fortbildungen den hohen Qualitätsstandard der Arbeit sicherzustellen. Wer seiner Fortbildungspflicht nicht nachkommt, dem droht der Widerruf der Erlaubnis, den Titel zu führen.
Die Fachanwaltsordnung verlangt hier, dass man entweder kalenderjährlich auf dem jeweiligen Gebiet publiziert oder mindestens 15 Fortbildungsstunden in einem Jahr ableistet (§ 15 FAO). Derartige Fortbildungen werden sowohl online, als auch in Präsenz angeboten. Sie bieten zum einen die Möglichkeit, speziell zu dem gewählten Fachbereich Vorträge zu hören oder an Seminaren teilzunehmen. Zum anderen haben aber gerade Präsenzveranstaltungen den Vorteil, Kolleginnen und Kollegen zu treffen und kennenzulernen, die im selben Fachbereich tätig sind. Vor dem Hintergrund der Akquise eigener Mandate ist vor allem dieser Aspekt nicht zu unterschätzen. Eine Empfehlung wird nämlich immer derjenige erhalten, den man kennt und mit dem man gerne zusammenarbeitet.
Wo kann man einen Fachanwaltslehrgang absolvieren?
Auch den Fachanwaltslehrgang selbst kann man als Online- oder Präsenzlehrgang absolvieren. Nachdem der Fachanwaltslehrgang im Sozialrecht schon seit vielen Jahren Teil der FAO ist, werden hier zahlreiche Lehrgänge angeboten. Drei verschiedene Anbieter sollen im Folgenden vorgestellt werden:
ARBER Seminare bieten praktischerweise Hybridlehrgänge an. Der Vorteil ist hier ganz klar, dass man bei jeder Einheit wählen kann, ob man vor Ort oder Online teilnimmt. Die Lehrgänge im Sozialrecht finden dabei innerhalb von fünf Monaten einmal im Monat an jeweils drei Tagen statt. Der Preis liegt bei rund 1.490 Euro.
Die Anwaltsakademie bietet einen reinen Online-Lehrgang im Sozialrecht an, der ebenfalls etwa fünf Monate dauert und blockweise ein- bis zweimal im Monat stattfindet. Der Preis liegt – je nachdem, in welche Kategorie man fällt – in diesem Bereich:
- 095 Euro RAe/-innen bis 3 Jahre nach Zulassung/Assessoren/-innen bis 3 Jahre nach 2. Examen/Referendare/-innen
- 250 Euro Mitglieder Anwaltverein
- 450 Euro Nichtmitglieder
- 280 Euro Gebühr Klausuren
Die Hagen Law School bietet einen Fachanwaltslehrgang im Sozialrecht als reinen Fernlehrgang an, das bedeutet, dass man unabhängig von Zeit und Ort in Form von Skripten jederzeit teilnehmen kann. Dies eignet sich vor allem für Teilnehmende, die gerne eigenständig arbeiten und dazu in der Lage sind, sich selbst zu organisieren. Der Preis liegt hier bei rund 1.750 Euro.
Egal, wo man seinen Fachanwaltslehrgang letztendlich absolviert – es empfiehlt sich in jedem Fall, beim Arbeitgeber in Erfahrung zu bringen, ob die Kosten (zumindest teilweise) übernommen werden und unter welchen Bedingungen dies geschieht.
Karrierechancen als Fachanwalt oder Fachanwältin im Sozialrecht?
Hat man den Fachanwaltslehrgang abgeschlossen, sind die Einsatzgebiete für vielfältig, sei es als Richter oder Richterin am Sozialgericht, als Fachanwalt oder Fachanwältin im Anstellungsverhältnis oder selbstständig, oder innerhalb eines Sozialleistungsträgers (gesetzliche Kranken-, Renten-, Unfall, Pflegeversicherung). Auch im öffentlichen Dienst werden Juristinnen und Juristen im Sozialrecht gesucht, beispielsweise beim Jugendamt oder im Bereich des Wohngelds. Wer demgegenüber ein gesteigertes Interesse an zentralen Gemeinschaftsaufgaben und wirtschaftspolitischen Fragen hat, kann auch eine Karriere in einem Wirtschaftsverband oder einer Wirtschaftsorganisation anstreben, sei es in der Rechtsabteilung oder sogar in der Geschäftsführung. Derartige Verbände und Organisationen suchen bevorzugt Juristinnen und Juristen mit guten Kenntnissen auf dem Gebiet des Sozialrechts, die aber Erfahrungen im Wirtschafts- und Steuerrecht mitbringen.
Wie sind die Gehaltsaussichten?
Das Gehalt als Fachanwalt oder Fachanwältin im Sozialrecht variiert natürlich je nach Region, Berufserfahrung und Branche. Je nachdem, ob man beispielsweise Krankenkassen oder Privatpersonen rechtlich berät, kann die Zahlungsfähigkeit der Mandantschaft zudem stark variieren. Sozialrechtlerinnen und Sozialrechtler gelten innerhalb der Anwaltschaft im Durchschnitt nicht als Spitzenverdiener, können sich aber einer stabilen Nachfrage nach ihrer Beratung vergleichsweise sicher sein. Im Durchschnitt verdienen Anwälte in diesem Beruf allerdings zwischen 55.600 Euro und 75.500 Euro im Jahr. Das sind ca. 4.633 Euro – 6.292 Euro im Monat.
Fazit: Kosten und Nutzen abwägen
Ob sich ein Fachanwaltstitel für den Einzelnen nun lohnt, muss selbstverständlich jeder selbst beurteilen. So müssen Kosten und Nutzen einer weiteren Ausbildung neben der beruflichen Tätigkeit gründlich abgewogen werden. Ist man als Fachanwalt oder -anwältin in einer Kanzlei tätig, kann es sich in jedem Fall lohnen. In anderen Bereichen kann möglicherweise die praktische Erfahrung mehr wiegen, als der akademische Titel. Es kommt – wie immer – darauf an.
Pia Nicklas hat Rechtswissenschaften in Bayreuth und Wirtschaftsrecht an der Fernuniversität Hagen studiert. Sie arbeitete erst als Werkstudentin und nach Ihrem Abschluss als Wirtschaftsjuristin im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Nach einem kurzen Ausflug in die Kanzleiwelt und in ein großes Wirtschaftsunternehmen, ist sie seit Anfang 2020 als freiberufliche Fachtexterin im juristischen Bereich tätig.
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