
Bevor man sich als Anwältin oder Anwalt dazu entscheidet, die Karriere durch einen Fachanwaltslehrgang voranzutreiben, hat man vermutlich erst einmal etliche Fragen. Lohnt sich ein solcher Lehrgang, wie lange dauert er und was kommt inhaltlich auf einen zu?
Das Für und Wider muss natürlich jeder letztendlich für sich selbst entscheiden, doch dieser Artikel soll ein wenig dabei helfen, indem er die grundlegenden Fragen zum Fachanwaltslehrgang im Verwaltungsrecht beantwortet. Der Fachanwaltstitel im Verwaltungsrecht ist ein schon lange bestehender Fachanwaltstitel. Bereits in den 60er Jahren spezialisierten sich die ersten wenigen Anwälte in diesem Bereich. Während es damals allerdings gerade einmal 75 Fachanwälte in ganz Deutschland gab, waren es im Jahr 2024 bereits 1583 Fachanwälte im Verwaltungsrecht.
Voraussetzungen für die Verleihung des Fachanwaltstitels?
Die zuständige Rechtsanwaltskammer verleiht nach Maßgabe der FAO die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung. Die Voraussetzungen für diese Verleihung sind:
- Dreijährige Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwalt innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung (§ 3 FAO)
- Antragstellung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer (§ 22 FAO)
- Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse (§§ 4, 4a und 6 FAO)
- Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen (§§ 5, 6 FAO)
- Nachweis besonderer Kenntnisse (§ 14b FAO)
Wie lange dauert der Lehrgang?
Der Erwerb des Fachanwaltstitels setzt voraus, dass der Antragsteller an einem auf die Bezeichnung als Fachanwalt vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgang teilgenommen hat, der alle relevanten Bereiche des jeweiligen Fachgebiets umfasst. Die Gesamtdauer des Lehrgangs muss dabei mindestens 120 Zeitstunden betragen. Der Zeitraum, in dem er absolviert wird, ist individuell und variiert je nach Anbieter. Die Leistungskontrollen sind hier nicht umfasst.
Welche Leistungskontrollen gibt es?
Der Antragsteller muss – um den Fachanwaltstitel führen zu dürfen – mindestens drei schriftliche Leistungskontrollen (Aufsichtsarbeiten) in Präsenzform aus verschiedenen Bereichen des Lehrgangs erfolgreich ablegen. Eine Leistungskontrolle muss mindestens eine Zeitstunde ausfüllen und darf fünf Zeitstunden nicht überschreiten. Die Gesamtdauer der bestandenen Leistungskontrollen darf fünfzehn Zeitstunden nicht unterschreiten (§ 4a FAO). Man sieht also auch hier, dass es die pauschale Antwort an dieser Stelle nicht gibt. Das Gute daran ist jedoch, dass man – je nach persönlichen Vorlieben – verschiedene Möglichkeiten hat, je nachdem welche Art von Lehrgang man bevorzugt.
Welche Inhalte kommen auf einen zu?
Die Norm des § 8 FAO bestimmt die Kenntnisse, die man als angehender Fachanwalt im Verwaltungsrecht nachzuweisen hat. Das Verwaltungsrecht umfasst eine große thematische Bandbreite. Gerade deshalb gibt es zahlreiche Spezialisierungsmöglichkeiten sowie enorm viele Möglichkeiten für eine persönliche und fachliche Weiterentwicklung. Ob man hinterher lieber hoch spezialisiert arbeiten oder eher in die Breite gehen möchte, ist Geschmackssache.
Für den Fachanwalt im Verwaltungsrecht sind laut § 8 FAO in folgenden Bereichen besondere Kenntnisse nachzuweisen:
1. besondere Kenntnisse in den Bereichen
a) allgemeines Verwaltungsrecht
b) Verfahrensrecht
c) Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistung
2. besondere Kenntnisse in zwei Bereichen des besonderen Verwaltungsrechts, von denen einer aus folgenden Gebieten gewählt sein muss:
a) öffentliches Baurecht
b) Abgabenrecht, soweit die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben ist
c) Wirtschaftsverwaltungsrecht (Gewerberecht, Handwerksrecht, Wirtschaftsförderungsrecht, Gaststättenrecht, Berg- und Energierecht)
d) Umweltrecht (Immissionsschutzrecht, Abfallrecht, Wasserrecht, Natur- und Landschaftsschutzrecht)
e) öffentliches Dienstrecht
Welche praktischen Erfahrungen muss man nachweisen?
Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen setzt voraus, dass man innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung im jeweiligen Fachgebiet als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei eine bestimmte Anzahl an Fällen bearbeitet hat (§ 5 FAO). Den Mindestumfang gibt ebenfalls die FAO vor. Für das Verwaltungsrecht sind es laut § 5 Abs. 1a) FAO 80 Fälle, davon mindestens 30 gerichtliche Verfahren. Mindestens 60 Fälle müssen sich auf drei verschiedene Bereiche des besonderen Verwaltungsrechts beziehen, dabei auf jeden dieser drei Bereiche mindestens fünf Fälle. Von den drei Bereichen muss einer zu den in § 8 Nr. 2 FAO aufgeführten Bereichen gehören.
Lohnt sich ein Fachanwaltstitel?
Viele Mandanten suchen speziell nach fachlich erfahrenen Anwälten und Anwältinnen. Insofern ist eine weitere Spezialisierung, die auch von der zuständigen Berufskammer kontrolliert und vergeben wird, ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil. Des Weiteren verpflichtet der Fachanwaltstitel dazu, durch Fortbildungen den hohen Qualitätsstandard der Arbeit sicherzustellen. Wer seiner Fortbildungspflicht nicht nachkommt, dem droht der Widerruf der Erlaubnis, den Titel zu führen.
Die Fachanwaltsordnung verlangt hier, dass man entweder
- kalenderjährlich auf dem jeweiligen Gebiet publiziert oder
- mindestens 15 Fortbildungsstunden in einem Jahr ableistet (§ 15 FAO).
Derartige Fortbildungen werden sowohl online, als auch in Präsenz angeboten. Sie bieten zum einen die Möglichkeit, speziell zu dem gewählten Fachbereich Vorträge zu hören oder an Seminaren teilzunehmen. Zum anderen haben aber gerade Präsenzveranstaltungen den Vorteil, Kolleginnen und Kollegen zu treffen und kennenzulernen, die im selben Fachbereich tätig sind. Vor dem Hintergrund der Akquise eigener Mandate ist vor allem dieser Aspekt nicht zu unterschätzen. Eine Empfehlung wird nämlich immer derjenige erhalten, den man kennt und mit dem man gerne zusammenarbeitet.
Wo kann man einen Fachanwaltslehrgang absolvieren?
Auch den Fachanwaltslehrgang selbst kann man als Online- oder Präsenzlehrgang absolvieren. Nachdem der Fachanwaltslehrgang im Verwaltungsrecht schon seit vielen Jahren Teil der FAO ist, werden hier zahlreiche Lehrgänge angeboten. Drei verschiedene Anbieter sollen im Folgenden vorgestellt werden:
ARBER Seminare bieten einen Lehrgang an, der einmal im Monat über ca. vier Monate lang stattfindet. Der Preis liegt bei rund 1.490 Euro.
Die Anwaltsakademie bietet einen Lehrgang an, der ebenfalls etwa vier Monate dauert, jedoch blockweise jeweils an zwei Wochenenden im Monat stattfindet. Der Preis liegt – je nachdem, in welche Kategorie man fällt – in diesem Bereich:
- 165 Euro RAe/-innen bis 3 Jahre nach Zulassung/Assessoren/-innen bis 3 Jahre nach 2. Examen/Referendare/-innen
- 285 Euro Mitglieder Anwaltverein
- 485 Euro Nichtmitglieder
- 280 Euro Gebühr Klausuren
Die Hagen Law School bietet einen Fachanwaltslehrgang als reinen Fernlehrgang an, das bedeutet, dass man unabhängig von Zeit und Ort in Form von Skripten jederzeit teilnehmen kann. Dies eignet sich vor allem für Teilnehmer, die gerne eigenständig arbeiten und dazu in der Lage sind, sich selbst zu organisieren. Der Preis liegt hier bei rund 1.750 Euro.
Egal, wo man seinen Fachanwaltslehrgang letztendlich absolviert, es empfiehlt sich in jedem Fall, beim Arbeitgeber in Erfahrung zu bringen, ob die Kosten (zumindest teilweise) übernommen werden und unter welchen Bedingungen dies geschieht.
Brauchen Sie noch Unterstützung beim Sammeln der erforderlichen Fälle für die Anerkennung Ihres Fachanwaltstitels durch die BRAK? Mit dem Projekt „Fälle-Booster“ möchte eine Initiative des FFI-Verlags in Kooperation mit Corominas Consulting, Justin Legal und Anbietern von Fachanwaltslehrgängen Ihnen helfen, dieses Ziel in 6 bis 12 Monaten zu erreichen und gleichzeitig Ihren Gewinn im Jahr 2025 deutlich zu steigern. Mehr Infos gibt es hier.
Karrierechancen als Fachanwalt im Verwaltungsrecht?
Aufgrund der Vielseitigkeit des Verwaltungsrechts sind auch die Karrieremöglichkeiten dementsprechend vielfältig. Man kann natürlich klassisch als Fachanwalt oder Fachanwältin im Verwaltungsrecht arbeiten, entweder im Anstellungsverhältnis oder in einer eigenen Kanzlei. Jedoch ist gerade als Verwaltungsjurist auch die Beamtenlaufbahn eine attraktive Berufsalternative, entweder in einer Behörde oder beispielsweise auch als Richter oder Richterin an einem Verwaltungsgericht, sofern man die Voraussetzungen erfüllt. Als Unternehmensjurist oder -juristin mit einer Spezialisierung im Verwaltungsrecht kann man beispielsweise im Energiesektor, für Bau- oder Immobilienunternehmen oder in anderen Bereichen arbeiten, die regulatorischen Rahmenbedingungen stärker unterliegen. Hat man Interesse im Bereich der Lehre, hat man außerdem die Möglichkeit an Hochschulen oder Berufsausbildungsstätten im Verwaltungsbereich zu lehren. Man sieht also, dass sich sowohl inhaltlich, als auch bei der Wahl der Kanzlei bzw. des Arbeitgebers extrem viele Möglichkeiten ergeben.
Wie sind die Gehaltsaussichten?
Das Gehalt als Fachanwalt oder Fachanwältin im Verwaltungsrecht variiert je nach Region, Berufserfahrung und Branche. Im Durchschnitt verdienen Anwälte in diesem Beruf allerdings jährlich rund 76.596 Euro. Dabei bewegt sich das Gehalt häufig zwischen 55.248 Euro für Berufseinsteiger und 97.944 Euro für erfahrene Fachanwälte.
Im Durchschnitt verdient ein Fachanwalt bzw. eine Fachanwältin im Verwaltungsrecht also etwa 6.383 Euro brutto im Monat.
Fazit: Kosten und Nutzen abwägen
Ob sich ein Fachanwaltstitel für den Einzelnen im Endeffekt nun lohnt, muss selbstverständlich jeder selbst beurteilen. Besteht ein grundsätzliches Interesse an dem Thema Verwaltung und kann man sich zusätzlich vorstellen, mit Behörden zusammenzuarbeiten, sind schon einmal die Voraussetzungen geschaffen, die ein Fachanwalt oder eine Fachanwältin im Verwaltungsrecht mitbringen sollte. Kosten und Nutzen einer weiteren Ausbildung neben der beruflichen Tätigkeit stehen natürlich auf einem anderen Blatt.
Pia Nicklas hat Rechtswissenschaften in Bayreuth und Wirtschaftsrecht an der Fernuniversität Hagen studiert. Sie arbeitete erst als Werkstudentin und nach Ihrem Abschluss als Wirtschaftsjuristin im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Nach einem kurzen Ausflug in die Kanzleiwelt und in ein großes Wirtschaftsunternehmen, ist sie seit Anfang 2020 als freiberufliche Fachtexterin im juristischen Bereich tätig.
Pia Nicklas hat Rechtswissenschaften in Bayreuth und Wirtschaftsrecht an der Fernuniversität Hagen studiert. Sie arbeitete erst als Werkstudentin und nach Ihrem Abschluss als Wirtschaftsjuristin im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Nach einem kurzen Ausflug in die Kanzleiwelt und in ein großes Wirtschaftsunternehmen, ist sie seit Anfang 2020 als freiberufliche Fachtexterin im juristischen Bereich tätig.