DAT 2023

Von MkG-Redaktion

„Mit Recht nachhaltig“ – so lautete das Motto des diesjährigen Deutschen Anwaltstages in Wiesbaden. Dieses Motto lässt sich vielfältig interpretieren: Nachhaltigkeit muss mit dem Recht gestaltet werden – aber auch das Recht und der Rechtsstaat selbst müssen nachhaltig funktionsfähig sein. All das war Thema des diesjährigen DAT und ergab eine bunte Mischung spannender Vorträge und Diskussionen rund um die Themen: Mandate nachhaltig bearbeiten, nachhaltig führen, Nachhaltigkeitsziele rechtskonform erreichen. Für alle, die nicht dabei waren, gibt es in diesem Bericht Wissenswertes über die Schnittpunkte von Nachhaltigkeit und Recht zu lesen.

Das Recht selber muss nachhaltig sein

In ihrer Eröffnungsrede des diesjährigen DAT wies die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins und sehr versierte Rednerin Edith Kindermann mit Hinblick auf das diesjährige Motto des DAT darauf hin, dass das Thema Nachhaltigkeit komplex ist: So gibt es 17 globale Nachhaltigkeitsziele, die aber in Zielkonflikten zueinander stehen können. Ihrer Einführung folgte Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann mit einigen Ausführungen zur Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Anwaltschaft – dazu gehört vor allem die Staatsferne und wirtschaftliche Unabhängigkeit (Stichwort: RVG-Reform) der Anwaltschaft – denn nur so könne sie nachhaltig gute Arbeit leisten.

Auch die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Dr. Katharina Barley, griff Buschmanns Interpretation des diesjährigen Mottos auf: Das Recht selbst müsse nachhaltig sein. In der EU ist das gelinde gesagt derzeit eine Herausforderung – nicht nur wegen der heiklen Frage der Flüchtlingsverteilung, sondern aufgrund sich überlagernder interner Spannungen: die Justizreformen in Polen, das schwierige Verhältnis zu Ungarn wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit, ein Rechtsruck nach den letzten Wahlen in Finnland und eine zunehmend bedrohte Pressefreiheit in Griechenland.

Deutschland, so die Juristin, stehe hier besser da – eine optimistische Aussage angesichts der Tatsache, dass auch Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen jüngst auf Platz 21 abgerutscht ist.

Als erste Frau in der 50-jährigen Geschichte der Verleihung wurde in diesem Jahr Rechtsanwältin Mechthild Düsing mit der Hans-Dahs-Plakette ausgezeichnet. Die Münsteranerin ist seit über 50 Jahren als Anwältin tätig. Das Bundesverfassungsgericht ist ihren Ausführungen mehrfach gefolgt – etwa als es die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Sterbehilfe kippte.

Klimaschutz und Energiesicherheit: ein Spannungsfeld?

Insbesondere umweltrechtliche Themen fanden beim diesjährigen DAT ihren Platz – etwa in der vom Ausschuss Umweltrecht organisierten sehr spannenden Veranstaltung: Das neue „Deutschland-Tempo“ – bleibt der Umweltschutz auf der Strecke? Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass künftig bei großen Bauprojekten wie Straßenbahnen oder Autobahnen die Auswirkungen auf das Klima in die Planung und das Genehmigungsverfahren einbezogen werden.

Prof. Dr. Andreas Korbmacher, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, machte in seinem Vortrag deutlich, dass das komplex ist – denn Infrastrukturvorhaben stehen häufig in einem Spannungsverhältnis zum Klimaschutz. Man denke derzeit etwa an Flüssigerdgas-Terminals, bei denen es sich um eine fossile Infrastruktur handelt, die aber gleichzeitig der Energiesicherheit dienen sollen. In kompakter Form führte er die Teilnehmenden durch die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu umweltrechtlich relevanten Themen. Dabei stellte er auch klar, dass einzelne Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen (z. B. ein Tempolimit) nicht mit einer Verfassungsbeschwerde durchgesetzt werden können. Denn das Klimaschutzgesetz sieht sektorübergreifende jährliche Reduktionsziele vor, die nicht zwingend im Verkehrssektor erbracht werden müssen.

Im Anschluss hob Dr. Frank Fellenberg von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs in seinem Vortrag hervor, dass die Energiewende zügige Genehmigungsverfahren erforderlich mache. Mit einer befristeten Dringlichkeitsverordnung will die EU nun die Energiewende beschleunigen. So kann beispielsweise bei der Genehmigung von Windenergieanlagen die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) entfallen, ebenso die artenschutzrechtliche Prüfung. Dass der Artenschutz (Stichwort: Spannungsverhältnis) dabei nicht auf der Strecke bleibt, soll dadurch gewährleistet werden, dass die Vorhaben nur in dafür vorgesehenen Gebieten realisiert werden, bei deren Ausweisung bereits eine Prüfung stattgefunden hat.

Nachhaltige Führung: Nur wer sich selber führen kann, kann andere führen

Auch am Nachmittag gab es hochkarätige Veranstaltungen – so etwa eine Diskussionsrunde zum Thema „Wertschätzung? Keine Zeit“. Moderiert von Anwältin Petra Heinicke und Syndikusanwältin Dr. Clarissa Freundorfer, berichteten hier Anwältinnen, ein Einzelanwalt und eine Rechtsanwaltsfachangestellte aus ihrer persönlichen Sicht.

Rechts- und Notarfachwirtin und Kanzleiberaterin Ronja Tietje hob in ihrem Diskussionsbeitrag hervor, dass das Thema Wertschätzung in Kanzleien oft ein wunder Punkt sei, weil Juristinnen und Juristen mit sich selber häufig nicht wertschätzend sind – eben das sei aber notwendig, um auch seinen Mitmenschen gegenüber wertschätzend zu sein.

Kira Falter, Rechtsanwältin und Partnerin bei CMS Hasche Sigle, berichtete, dass in ihrer Kanzlei Wertschätzung und Führung strukturelle Themen seien. So wurde die CMS Academy ins Leben gerufen, in der vor allem das Thema Selbstführung vermittelt wird – denn Führung ist kein Teil der Juristenausbildung und jeder Mensch ist individuell – und das wirkt sich auch auf den persönlichen Führungsstil aus. Umso wichtiger sei es, die Selbstwahrnehmung von (zukünftigen) Führungskräften zu stärken.

Oliver Allesch, Einzelanwalt in einer familiär geführten Kanzlei, berichtete humorvoll, wie er das Thema Wertschätzung in seiner Kanzlei umsetzt: beispielsweise durch das Gewähren von Freiheiten. Wenn James Bond die Lizenz zum Töten hat, dann hat sein Team die Lizenz zum Auflegen – wer am Telefon den Mitarbeitenden cholerisch begegnet, muss damit rechnen, dass ReFas schlicht auflegen. Und diese können damit rechnen, dass ihr Chef hinter ihnen steht. Außerdem verfügen sie über ein eigenes Budget, mit dem sie tun und lassen können, was sie wollen – zum Beispiel zur Weihnachtszeit die Kanzleiräume nach eigenem Geschmack dekorieren.

Der Weg zur klimafreundlichen Kanzlei

Im Vortrag Umstellung von der Papierakte auf die E-Akte und weitere Schritte Richtung Klimafreundlichkeit referierte zunächst Dipl.-Ing. Michael K. Landwehr, Geschäftsführer der K2L Nürnberg GmbH über die gelungene Einführung der E-Akte in der Anwaltskanzlei. Er stellte einen Zehn-Schritte Plan vor, mit dem die Einführung der E-Akte gelingt:

  • Machen Sie die Umstellung zur Chefsache.
  • Bestimmen Sie einen Vorreiter.
  • Besprechen Sie alle Aspekte des Arbeitsablaufs im Kanzleiteam, aus Sicht aller.
  • Legen Sie einen Starttermin und einen Terminplan fest. Zeitdauer: 1 – 2 Jahre.
  • Planen Sie die Einbeziehung der gesamten Kanzlei.
  • Erstellen Sie ein Kanzleihandbuch mit den erarbeiteten Vorgaben.
  • Schulen Sie!
  • Passen Sie die Arbeitsplätze technisch an.
  • Passen Sie Ihre IT an.
  • Nutzen Sie eine professionelle Kanzleisoftware.

Zur Bekämpfung sogenannter „Papiertiger“ – z. B. sehr lange Dokumente, die von den Mitarbeitenden lieber ausgedruckt gelesen werden – lautet die Empfehlung, zunächst das Vertrauen in die Technik zu schaffen und z. B. sehr gute Bildschirme anzuschaffen. Es könne auch helfen, eine Deadline zu setzen, bis zu der die Mitarbeitenden papierlos arbeiten müssen.

Im zweiten Vortrag der Veranstaltung gab Rechtsanwältin Jennifer Seyderhelm Tipps, welche weiteren Schritte Kanzleien neben der Digitalisierung befolgen können, um zu einer klimafreundlichen Kanzlei zu werden. Ähnlich wie bei der Digitalisierung sei auch die Umstellung zu einer klimafreundlichen Kanzlei Chefsache, also eine Entscheidung, die von oben getroffen werden muss. Diese Hinweise gab Jennifer Seyderhelm dem Publikum mit auf den Weg:

  • CO2-arm unterwegs sein: Meetings und Gerichtstermine wenn möglich digital wahrnehmen, als bevorzugtes Verkehrsmittel den ÖPNV festlegen, dann das Auto und erst zuletzt das Flugzeug wählen.
  • Zu ökologischen Anbietern für Strom und Heizung wechseln.
  • Zu einer nachhaltigen Bank wechseln.
  • Nachhaltig einkaufen und z. B. smarte Wasserspender installieren.
  • Müll trennen, Mehrweggeschirr verwenden, vegetarisches Catering ausprobieren.
  • Analyse der Mandatsauswahl, ggf. auch auf Mandate verzichten.

Was der Kölner Dom mit der Kanzeleidigitalisierung zu tun hat

Philipp Schmitz, COO von Partnery, stellte in seinem Vortrag im Rahmen der Veranstaltung Legal Tech – Chancen und Gefahr für die Anwaltschaft einen Vergleich zwischen dem Kölner Dom und Digitalisierungsprojekten in Kanzleien auf. So wie bei Errichtung des Kölner Doms baut man auch bei nachhaltigen Digitalisierungsprojekten in Kanzleien einen Schritt nach dem anderen – vom Fundament, über die Grundmauern bis zum Dach. Und ähnlich wie beim Kölner Dom ist auch die Arbeit an der Kanzleidigitalisierung nie ganz abgeschlossen.

Zu Beginn des Digitalisierungsprojekt (Fundament) sollte man sich die Frage stellen: Was will ich erreichen? Je besser man zu Beginn definiert, welches Ergebnis man sich erarbeiten möchte, desto einfacher ist es, dieses zu erreichen. Darauf aufbauend (Boden) schließt sich die Frage an, was und wen man dafür braucht. Die „Grundmauern“ der Digitalisierung sind dann die Planung, Umsetzung und Fertigstellung des Projekts. Zu guter Letzt folgt das Dach. Hier geht es um die Individualisierung und Entwicklung, um neue Ideen, und eventuelle Beschwerden oder Wünsche von Kanzleiteam und Mandantschaft. Ebenso wichtig für das Digitalisierungsprojekt wie die einzelnen Bausteine: Der Grundriss, also die Dokumentation des Prozesses, z. B. als Informationsquelle für neue Mitarbeitende.

Fazit: Nachhaltigkeitsthemen in ihrer Vielfalt erleben

Der diesjährige DAT offenbarte die ganze Bandbreite des Themas Nachhaltigkeit – und machte deutlich, wie vielschichtig das Thema ist. Als politisches Ziel ist ihre Umsetzung komplex. Betrachtet man sie im Zusammenhang mit dem Thema Führung ist sie in Zeiten des Fachkräftemangels essenziel, um sich nachhaltig erfolgreich am Markt zu positionieren. Im Zusammenhang mit dem Thema Legal Tech ist Nachhaltigkeit wichtig, um kein Geld in Lösungen zu investieren, die nicht wirklich zu den Zielen der Kanzlei passen. Insgesamt war der DAT eine rundum gelungene Veranstaltung, die viele Denkanstöße gegeben und den Blick für die Bedeutung von Nachhaltigkeit dort geschärft hat, wo man sie nicht auf den ersten Blick vermutet.

Fotos: FFI-Verlag

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