DAT 2020

Das Branchentreffen der Anwaltschaft, der Deutsche Anwaltstag, fand in diesem Jahr vom 15. bis 19. Juni 2020 erstmalig rein virtuell statt und verzeichnete trotzdem oder gerade deswegen mit über 2.500 Teilneh­me­rinnen und Teilnehmer einen neuen Besucherrekord.
Unter dem Motto „Die Kanzlei als Unternehmen” lag der Fokus bei der 71. Auflage des DAT auf dem Kanzleimanagement und hier vor allem auf der unterneh­me­rischen Seite der anwalt­lichen Tätigkeit. Und das – in Zeiten der Coronakrise – immer stärker auch unter Einbezug von digitalen Hilfsmitteln und Prozessen.

Das Fachprogramm lieferte fünf Tage lang Live-Vorträge sowie aufgezeichnete und flexibel abrufbare Seminare u. a. zu Marketing, RVG, Insolvenzrecht, Legal Tech oder auch berufspolitischen Fragestellungen. Ebenso wurde die Fachausstellung „AdvoTec“, bei der sich die Teilnehmenden über aktuelle Produkte und Dienst­leis­tungen informieren konnten, in die virtuelle Welt übertragen.

Doch wie erfolgreich war der DAT 2020 in seiner virtuellen Form wirklich? Wir haben Ausrichter, Referenten sowie Besucher gefragt, wie sie den Anwaltstag erlebt haben:

Deutscher Anwaltverein:

„Der erste Virtuelle Deutsche Anwaltstag war ein voller Erfolg: Insgesamt haben mehr als 2.500 Kolleginnen und Kollegen teilgenommen. Gefragt waren neben den rechtspolitischen Diskussionen vor allem Veranstaltungen zur Anwalts- und Berufspraxis sowie zur Digitalisierung und echte Fortbildung.

Natürlich kann eine virtuelle Konferenz nicht das Bedürfnis nach persönlichem Kontakt und Begegnungen erfüllen. Sowohl von den Referierenden als auch von den Teilnehmenden haben wir aber viel positives Feedback bekommen. Aufgrund der guten Erfahrungen mit dem VDAT 2020 werden wir sicherlich auch künftig virtuelle Veranstaltungsformate anbieten. Dennoch: Der persönliche Austausch war immer ein wichtiger Aspekt des Anwaltstags. Wir werden die Tagung deshalb im kommenden Jahr wieder regulär durchführen. Es wird ergänzend aber sicherlich Webinare und andere Online-Veranstaltungen geben.“

Dr. Ralf Köbler, Präsident des Landgerichts Darmstadt

„Ich war als Moderator an einer Veranstaltung zur Durchführung des elektronischen Zivilprozesses beteiligt, die vorab als Video produziert wurde. Die Produktion war absolut professionell, und das Ergebnis lässt sich wirklich sehen. Es ist sehr schön, dass in diesen schwierigen Tagen viele Kongressveranstaltungen o. Ä. mit durchaus großer Vielfalt an Angeboten virtuell durchgeführt werden können. Den Veranstaltern und Organisatoren des Deutschen Anwaltstags gebührt Lob und Anerkennung, wiewohl ich mich auch auf die nächste Präsenzveranstaltung freue.“

Dr. Geertje Tutschka, Kanzlei-Coach

„Der virtuelle Anwaltstag war in vielfacher Weise ein mutiger Versuch, neue Wege zu gehen und hat auf der gesamten Linie überzeugt:
Das Thema selbst hatte bereits im Vorfeld aufhorchen lassen, waren doch in der Vergangenheit weitgehend Fachthemen nach FAO sowie berufspolitische Themen Gegenstand gewesen. Dieses Signal an die Branche begrüßten vor allem auch Beratungsunternehmen wie wir von CLP – Consulting for Legal Professionals, da unsere jahrzehntelange Arbeit damit nicht mehr nur als „Kür” galt, sondern tatsächlich als Pflichtprogramm aufgewertet worden war. Dass dies längst überfällig war, zeigte sich nicht zuletzt am regen Interesse der Teilnehmer. Auch der Vortrag von mir für die AG Strafrecht zusammen mit Prof. Dr. Kilian vom Soldan Institut mit der Auswertung der gerade fertiggestellten Umfrage in der Anwaltschaft zu diesem Thema war mit knapp 150 Teilnehmern sehr gut besucht.
Dass selbstverständlich nach einer derartigen Premiere auch Verbesserungspotenzial besteht, ist normal.“

Ulrike Meising, Rechtsanwältin

„Ein virtueller DAT – Zukunftsmodell, oder kann das weg?

Aktiv habe ich an einem „Streitgespräch“ teilgenommen und war neugierig, ob so etwas virtuell funktioniert. Es funktioniert! In den Kommentarspalten wurde so aktiv mitdiskutiert, dass ich denke, für alle Beteiligten war die Teilnahme gehaltvoller, als hätten wir in persona auf einer Bühne gesessen.

Webinare und Online-Fortbildungen werden wohl das Modell der Zukunft werden. Konferenzen, Symposien und Tagungen leben vom persönlichen Austausch und Diskussion vor und nach einzelnen Veranstaltungen. Darauf sollten wir nicht aus überzogener Technikverliebtheit verzichten. Virtuelles Soldan-Eis schmeckt nicht.“

Ilona Cosack, Kanzleiberaterin

„Der virtuelle Anwaltstag 2020 ist gelungen. Die Teilnehmer konnten sich sowohl in fachlicher Hinsicht fortbilden (§ 15 FAO) als auch z. B. beim Frühstücksempfang der ArGe Anwältinnen, gemeinsam virtuell anstoßen.
Die AdvoTec zeigte als zweite virtuelle Messe nach der Kanzlei-Expo, wie man sich per Chat oder anderer Kontaktaufnahme informieren kann.
Während der Webinare fand auch ein reger Austausch der Teilnehmer untereinander statt, so konnten virtuell neue Kontakte geknüpft werden konnten.
Der DAV hat einige der angebotenen Webinare auch als Video bei YouTube eingestellt.
Sehenswert – neben den Beiträgen der Präsidentin, Edith Kindermann, die eine flammende Begrüßungsrede hielt, auch ihre Beiträge zur Absenkung der Mehrwertsteuer und zum Anwaltsauftrag – ist auch die virtuelle Gerichtsverhandlung mit den beA-Akteuren mit und ohne Kanzleisoftware.

Volker Himmen, Rechtsanwalt

„Ein sehr gelungener Versuch, insbesondere im Hinblick darauf, die Anwaltschaft zu mehr digitalem Arbeiten zu bewegen. Die technische Umsetzung hat m. E. geklappt, sowohl für mich als Referenten, als auch als Besucher. Einige Themen sollten weiterverfolgt werden, z. B. in Form weiterer Diskussionen, auch online.“

Pia Löffler, Rechtsanwältin und Marketing-Expertin

„Da ich großer Freund des „realen“ DAT bin – es fühlt sich regelmäßig an wie ein gelungenes Klassentreffen – war ich skeptisch, ob der virtuelle DAT etwas werden kann. Natürlich war er so anders, aber nicht schlechter: Das Angebot an Veranstaltungen war gut – beim wichtigen Thema Anwalt als Unternehmer! –, der tägliche Programm-Reminder per E-Mail sehr hilfreich für den Überblick und die Kommunikation unter Kollegen hat über die Chatfunktion auch recht gut funktioniert. Mein Fazit: Ich freue mich, wenn 2021 die Kollegen alle wieder real zusammenkommen. Der virtuelle DAT war aber ein mehr als würdiger Ersatz.“

Ein Schritt in die digitale Zukunft?

Spätestens seit dem Lockdown weiß man, dass keine Online-Veranstaltung mit einem gewissen Anteil an Bild- und Tonpannen auskommt. Wer diese beim vDAT 2020 zu tolerieren wusste,  lernte das vielfältige Fachprogramm rund um das diesjährige Motto „Die Kanzlei als Unternehmen“ zu schätzen. Sowohl sozialpolitische Themen, wie der Anteil weiblicher Besetzungen in Prüfungskommissionen für die Staatsexamina, als auch „harte“ BWL-Vorträge, bei denen EinzelanwältInnen Tipps zur Kostenoptimierung bekamen, waren vertreten. Ein weiterer Pluspunkt der Veranstaltung: Die Diskussionen, die über die Chats des Vortragsplattform „Adobe Connect“ liefen, waren offener, ehrlicher und zahlreicher als bei den meisten Präsenzveranstaltungen. Offenbar fiel den TeilnehmerInnen der Austausch über diese vergleichsweise anonyme Art der Kommunikation leichter.

So fällt das Fazit zum ersten und vielleicht einzigen virtuellen Deutschen Anwaltstag durchaus positiv aus. Zumal der Einsatz von Videokonferenzen und Online-Kommunikation schnell in die Arbeitsweisen von Anwältinnen und Anwälten integriert worden zu sein scheint. Die Notwendigkeit der Anpassung und Weiterentwicklung betonte auch DAV-Präsidentin Edith Kindermann vor dem Hintergrund der aktuellen Coronakrise: „Wir sind in einem Ausmaß gefordert, uns der Digitalisierung zuzuwenden, wie es sich der eine oder andere vor Jahren noch nicht hat vorstellen können.“ Hier sei aber auch die Politik gefordert, z. B. durch Anpassung der Verfahrensordnungen und die moderne Ausstattungen von Gerichten.

Foto: Andreas Burkhardt

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