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Von Andre Gieseler

Der Großteil der deutschen Anwaltschaft arbeitet nicht in einem Angestelltenverhältnis. Die Gründe dafür sind vielfältig. Doch das Bild des angestellten Anwalts, der lediglich den Kanzleipartnern zuarbeitet, entspricht in vielen innovativ geführten Kanzleien keineswegs mehr der Realität. Während die Selbstständigkeit Vorteile wie Flexibilität und Eigenverantwortung mit sich bringt, kann dies auch im Angestelltenverhältnis die Norm sein: Homeoffice, enger Kontakt zu den Mandanten und Mandantinnen und ein hohes Maß an Vertrauen und Wertschätzung seitens der Vorgesetzten. Andre Gieseler ist Senior Associate in der Arbeitsrechtskanzlei vangard | Littler. Im Interview verrät er, welche Vorteile er als angestellter Anwalt genießt – und welche Fähigkeiten in seinem Arbeitsalltag unverzichtbar sind.

Herr Gieseler, warum haben Sie sich für die Tätigkeit als Anwalt bei vangard | Littler entschieden?

vangard | Littler ist nicht meine erste Station als Anwalt. Bevor ich im Sommer 2021 hierher wechselte, war ich bereits drei Jahre als Anwalt in einer auf das Arbeitsrecht spezialisierten Hamburger Kanzlei tätig. Dort hatte ich zuvor auch Teile meines Referendariats verbracht.

Dass ich mich nach drei Jahren des Anwaltsdaseins für einen Wechsel entschieden habe, hatte verschiedene Gründe. Zum einen lockte natürlich der Name. vangard | Littler ist ein renommierter Name sowohl im deutschen aber auch im internationalen Arbeitsrecht. Aufgrund unserer Mandantenstruktur beraten wir sowohl national als auch international vom individuellen über das kollektive Arbeitsrecht in allen Bereichen, sodass die Arbeit sehr vielseitig ist, was ich sehr schätze.

Zum anderen kann mir vangard | Littler aber vor allem etwas bieten, was nach meiner Erfahrung für viele Anwaltskanzleien nicht selbstverständlich ist: Wir arbeiten weitestgehend digital. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt ein Blatt Papier in den Händen hatte. Für Gerichtstermine benötigen wir nur unseren Laptop. Im Büro selbst machen wir Desksharing und sitzen immer mal an einem anderen Arbeitsplatz. Wir sind technisch so gut ausgestattet, dass es von der Arbeitsweise her keinen Unterschied macht, ob man im Homeoffice oder im Büro sitzt. Gleichzeitig kommt man aber auch gerne ins Büro, um seine Kollegen und Kolleginnen persönlich zu sehen. Außerdem haben wir ein sehr schönes und zentral gelegenes Büro.

Die Teamarbeit ist ein weiterer Grund, warum ich mich für einen Wechsel zu vangard | Littler entschied. Ich wollte mehr Teamarbeit mit Kollegen in meinem Alter und die habe ich auch bekommen. Teamarbeit war ich bis dahin nicht gewohnt und insofern war das sicherlich auch ein Wagnis. Ich bin allerdings in einem großartigen Team mit tollen Kolleginnen und Kollegen gelandet und auch insofern war es genau der richtige Schritt.

Auf der anderen Seite war ich es bereits gewohnt – und es war und ist mir nach wie vor wichtig – sehr selbstständig zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und selbst im direkten Austausch mit Mandanten zu stehen. Als Senior Associate ist das bei uns selbstverständlich und ich habe einen tollen Chef, der genau dies erwartet und ermöglicht – gleichzeitig aber immer ansprechbar ist und einen unterstützt.

Und nicht zuletzt erfahre ich bei vangard | Littler große Wertschätzung. Sei es dadurch, dass persönliche Erfolge und gute Leistungen herausgestellt werden aber auch durch Kanzleiveranstaltungen, gemeinsame Kanzleifahrten und natürlich auch ein gutes Gehalt.

Häufig werden Freiheit und Flexibilität in der Selbstständigkeit als starkes Argument gegen ein Angestelltenverhältnis hervorgehoben – doch was sind aus Ihrer Sicht die größten Vorteile einer Anstellung, besonders für junge Juristinnen und Juristen?

Weder das Jurastudium noch das Referendariat bereiten einen auf die Selbstständigkeit vor. Im Referendariat durchläuft man zwar verschiedene Stationen, trotzdem ist selbst der Einstieg in das Berufsleben an sich, also auch als Angestellter, noch einmal etwas ganz anderes. Der Vorteil einer Anstellung ist, dass man ein geregeltes Einkommen erhält und sich gleichzeitig erst einmal im Anwaltsberuf zurechtfinden kann.

Dieser lebt meiner Meinung nach auch von der Erfahrung, die man im Laufe der Zeit erlangt. Als Anfänger ist diese natürlich sehr begrenzt.

„Durch das Anstellungsverhältnis hat man die Chance, sich mit erfahreneren Kollegen auszutauschen, sich Dinge abzuschauen, aber auch taktische oder strategische Tipps zu bekommen, die man in keinem Lehrbuch findet.“

Außerdem gibt es sehr viele zugelassene Anwälte und Anwältinnen – gerade im Arbeitsrecht, welche zur größten Fachanwaltschaft in Deutschland zählt. Von denjenigen in den Großkanzleien bis hin zum Einzelkämpfer. Wieso sollte sich da jemand für den frischgebackenen Anwalt ohne Erfahrung entscheiden? Wo sollen die Mandate herkommen? Dies gilt erst recht für große Unternehmen mit spannenden Tätigkeitsfeldern, wie wir sie bei vangard | Littler vertreten.

Sicher mag der sofortige Einstieg in die Selbstständigkeit auch seine Reize haben. Aber ich meine, man verpasst viele Gelegenheiten, über das Referendariat hinaus dazuzulernen und von der Erfahrung seiner Kollegen und Kolleginnen zu profitieren, oder auch schlicht dem ständigen fachlichen Austausch – sowohl in fachlicher und taktischer Hinsicht, aber natürlich auch aus unternehmerischer Sicht.

Welche Voraussetzungen sollten junge Talente mitbringen, die sich im Angestelltenverhältnis entfalten möchten?

Man sollte eine hohe Einsatzbereitschaft mitbringen und sich nicht zu schade sein, auch Aufgaben zu übernehmen, auf die man vielleicht nicht so große Lust hat. Außerdem sollte man so früh wie möglich anfangen, selbst Verantwortung zu übernehmen und zu seinen Entscheidungen oder rechtlichen Lösungen und Ansichten zu stehen, da dies eine wesentliche Voraussetzung für selbstständiges Arbeiten ist. Damit tut man sich am Anfang sicherlich schwer, denn häufig geht es für die Mandanten um viel Geld oder wichtige strategische Entscheidungen – aber dies ist im Anwaltsberuf früher oder später unverzichtbar.

Welche nicht-juristischen Kompetenzen sind in Ihrem Arbeitsalltag unerlässlich?

Ein gutes Einfühlungsvermögen ist sehr hilfreich – das gilt sowohl im Verhältnis zu den Mandanten, aber auch zu den eigenen Kollegen und Kolleginnen. Im Arbeitsrecht arbeitet man viel mit Menschen zusammen und häufig geht es nicht nur um wirtschaftliche, sondern auch um persönliche Aspekte. Es ist sehr wichtig, nachzuvollziehen, worum es den Mandanten geht, um gute Lösungen für diese zu finden.

„Unsere Teamarbeit innerhalb der Kanzlei ist geprägt durch großes Vertrauen.“

Anderenfalls würden wir als Team nicht so gut funktionieren, denke ich. Wir achten aufeinander und unterstützen uns, wo es notwendig ist. Ebenfalls wichtig ist das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und warum etwa aus personalpolitischen Gründen Entscheidungen durch die Mandanten auf eine bestimmte Art und Weise getroffen werden.

Das Arbeitsrecht ist vielfach geprägt von Verhandlungen. Sei es in Individualrechtsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten oder in Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretungen wie Betriebsräten und Gewerkschaften. Hier kommt auch wieder ein gutes Einfühlungsvermögen zum Tragen – aber eben auch Verhandlungsgeschick, Standhaftigkeit und ein selbstbewusstes Auftreten.

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Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Typischerweise beginnt mein Arbeitstag morgens am Schreibtisch – im Büro oder im Homeoffice. Zuerst schaue ich, ob nach dem gestrigen Feierabend oder über Nacht (wegen der Zeitverschiebung bzgl. einiger unserer internationalen Mandate) neue Themen reingekommen sind und organisiere im Übrigen meinen Tag. Dann beginne ich mit dem Bearbeiten meiner Aufgaben. Um 9:30 Uhr finden wir uns kurz mit unserem Team zusammen, um die Aufgaben des Tages gemeinsam zu besprechen. Wer im Büro ist, trifft sich im Konferenzraum. Der Rest schaltet sich per Videocall hinzu. Anschließend ist der Tag geprägt von der Bearbeitung der Anfragen unserer Mandate, Beantworten von E-Mails, Telefonaten, Videocalls sowie internen Besprechungen oder auch einem Mittagessen und Kaffee mit den Kollegen.

Nicht selten startet mein Arbeitstag aber auch im Auto, in der Bahn oder im Taxi auf dem Weg zum Flughafen – um Gerichtstermine, Einigungsstellen oder sonstige Verhandlungstermine bei den Mandaten z. B. mit Betriebsräten wahrzunehmen. Wir vertreten unsere Mandanten deutschlandweit.

Verhandlungstermine finden aber auch zunehmend digital per Video statt. Das betrifft insbesondere außergerichtliche unternehmensinterne Verhandlungen, doch auch Gerichtstermine finden seit der Corona-Pandemie immer häufiger per Video statt. Die prozessuale Möglichkeit bestand schon zuvor, wurde aber deutlich weniger genutzt.

Wie würden Sie Ihre Work-Life-Balance bewerten?

Wer sich für den Beruf als Anwalt oder Anwältin entscheidet, weiß, dass dies mit viel Arbeit verbunden ist. Insofern nimmt die Arbeit auch einen Großteil meiner Zeit in Anspruch. Trotzdem schaffe ich es mindestens einmal unter der Woche, mich abends mit Freunden zu treffen. Zweimal pro Woche gehe ich unter der Woche abends zum Judo-Training – das schaffe ich zeitlich allerdings nicht immer.

Manchmal gehe ich morgens vor der Arbeit noch mit unserem Hund spazieren. Ansonsten verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit meiner Frau und unserem Hund. Insbesondere an den Wochenenden nehmen
wir uns dann Zeit füreinander, weil es unter der Woche abends häufig schon recht spät ist.

Alles in allem würde ich meine Work-Life-Balance daher als gut bewerten – das verdanke ich aber auch meiner Frau, die mich immer unterstützt. Um immer alles unter einen Hut zu bekommen, muss man sich aber auch stets gut organisieren.

Herr Gieseler, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten!

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Andre Gieseler ist als Rechtsanwalt und Senior Associate bei vangard | Littler tätig. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg absolvierte er sein Referendariat bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht und schloss dieses mit dem zweiten Staatsexamen ab. Während seiner anschließenden mehrjährigen Tätigkeit für eine auf das Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei in Hamburg machte Andre Gieseler eine Fortbildung zum zertifizierten Datenschutzbeauftragten und ihm wurde von der Rechtsanwaltskammer Hamburg der Titel des Fachanwalts für Arbeitsrecht verliehen.

Bild: Adobe Stock/©ASDF

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