RVG Instanz

Das „neue RVG“ gilt für Mandate, die nach dem 31.5.2025 in Auftrag gegeben wurden bzw. werden. Wie die Anwendung der Übergangsregelungen und die Abrechnung beim Tabellenwechsel „zwischen“ einzelnen Verfahren mit Anrechnungspflichten funktioniert, haben wir bereits in der MKG-Ausgabe 2/25 durchleuchtet. Die Frage, welche Fassung des RVG zur Anwendung kommt, ist in solchen Fällen keineswegs trivial und hat entsprechende finanzielle Auswirkungen für Anwältinnen und Anwälte sowie die Mandantschaft.

Und diese Frage stellt sich in der anwaltlichen Praxis auch und gerade dann, wenn im Übergangszeitraum ein Berufungsverfahren angestrengt wird: Welche RVG-Fassung gilt, wenn ein Verfahren vor der Gesetzesänderung begonnen hat, aber danach in die nächste Instanz geht?

Gilt für beide Verfahren das „alte RVG 2021“, weil das Gesamtmandat vor Inkrafttreten des „neuen RVG“ in Auftrag gegeben wurde? Diese Meinung hält sich hartnäckig, ist aber falsch. Denn § 17 RVG regelt, dass das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug, soweit sich aus § 19 Absatz 1 Satz 2 Nummer 10a (Ausnahme bestimmter Beschwerdeverfahren) nichts anderes ergibt, verschiedene Angelegenheiten sind. Damit ist zugleich klargestellt, dass das zweitinstanzliche Verfahren gebührenrechtlich gesondert zu betrachten ist.

Diese Einordnung ist auch konsequent, da die Voraussetzung für die Folgeinstanz ein erstinstanzliches Urteil ist. Wird nicht entsprechend entschieden, also die Klage z. B. zurückgenommen, das Verfahren durch Vergleich beendet oder sonst wie erledigt, kann ein Berufungsverfahren nicht angestoßen werden.

Ein Auftrag für die Einlegung einer Berufung kann also frühestens mit Bekanntwerden der (negativen oder teilweise negativen) Entscheidung wirksam erteilt werden. Für den Vertreter des Berufungsbeklagten gilt (natürlich) insoweit, dass dieser erst einen entsprechenden Auftrag wirksam erhalten kann, wenn die unterlegene Partei das Berufungsverfahren eingeleitet hat.

Und damit gilt § 60 RVG: Entscheidend ist hierbei (also wiederum) der unbedingte Auftrag zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens. Liegt der Zeitpunkt des unbedingten Auftrags für das Berufungsverfahren – abweichend vom ursprünglichen Auftrag für das erstinstanzliche verfahren – nach dem 31.5.2025, ist das erstinstanzliche Verfahren auf Basis der Gebührentabelle 2021, das zweitinstanzliche Verfahren auf Grundlage des RVG 2025 abzurechnen.

 

Eine umfassende Prozessvollmacht, die sich bereits zu Beginn des Mandats auf alle eventuell folgenden Instanzen erstreckt, vermag hieran nichts zu ändern: Ausschlaggebend ist nicht die Reichweite der Vollmacht, sondern die konkrete Auftragserteilung für den jeweiligen Verfahrensabschnitt. Wenn ein Mandant seinen Anwalt erst später ausdrücklich mit der Berufung beauftragt – auch wenn formal bereits eine umfassende Vollmacht vorliegt – ist dieser neue Auftrag als maßgeblich für die Anwendung des dann geltenden RVG zu werten.

Fazit: Zeitpunkt des Auftragserhalts entscheidend

Die Frage, welches RVG bei einem Instanzenwechsel gilt, richtet sich gerade nicht pauschal nach dem Beginn des Ausgangsverfahrens, sondern nach dem Zeitpunkt des jeweiligen Auftragserhalts für die Rechtsmittelinstanz. § 17 und § 60 RVG verlangen eine differenzierte Betrachtung nach Verfahrensabschnitten.

Carmen Wolf
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Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin, Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte sowie Büroleiterin der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM. Dort ist sie mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut. 

Sie hat mehrere Fachbücher, wie „Arbeitshilfen für Rechtsanwaltsfachangestellte“ und „RVG für Einsteiger“ verfasst und ist Herausgeberin des „Infobriefs anwaltbüro“.

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