Von Petra Geißinger
Aufhebungsverträge sind in der anwaltlichen Praxis ein bedeutendes Instrument zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Sie werden sowohl von Arbeitgeberseite als auch Arbeitnehmerseite gewünscht, um langwierige ungewisse arbeitsrechtliche Prozesse zu vermeiden – und tragen entscheidend zur raschen friedlichen Trennung bei. Eine vierteilige Artikelserie wird dazu aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht praktische Tipps zur Gestaltung und zu den Hinweispflichten geben:
1. Unterschiede zwischen Aufhebungsvertrag und Kündigung
Nachfolgend eine Gegenüberstellung von Aufhebungsvertrag und Kündigung zur ersten Orientierung:
Die Abwicklungsvereinbarung unterscheidet sich vom Aufhebungsvertrag darin, dass zuvor eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt ist und im Anschluss daran die Modalitäten der Beendigung im Detail festgehalten werden. Für die Abwicklungsvereinbarung ist keine Schriftform erforderlich, jedoch empfehlenswert.
Aufhebungsvereinbarungen können sowohl individualrechtlich als auch bei größerem Stellenabbau im Rahmen eines Freiwilligenprogramms abgeschlossen werden.
2. Prozessuales
Sowohl Aufhebungs- als auch Abwicklungsvereinbarung werden bei laufenden Prozessen oft ohne Güte-/Kammertermin nach § 278 VI ZPO durch Beschluss des Gerichts festgestellt. Hiervon wird gerade in Pandemiezeiten zur Vermeidung von Kontakten durch Gerichtstermine Gebrauch gemacht. Eine Mitteilung an das Gericht könnte wie folgt aussehen:
In Sachen
A ./. B GmbH
wegen Kündigung
wird mitgeteilt, dass sich die Parteien auf einen Vergleich einigen konnten. Es wird gebeten, nachfolgenden Text der Einigung im Wege des Beschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen:
[Es folgt der Text der Einigung.]
Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
Es wird gebeten, den für den (Datum/Uhrzeit ergänzen) anberaumten Gerichtstermin aufzuheben.
Die Gegenseite wird dem Vergleich in der vorgenannten Form zustimmen.
Gleichzeitig wird beantragt, den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren und den Vergleich festzusetzen.
Gez. Rechtsanwalt/Rechtsanwältin
3. AGB-Kontrolle von Aufhebungsverträgen?
Arbeitgeber bzw. deren Vertreter sollten das Risiko einer AGB-Kontrolle nicht unterschätzen. Diese ist immer dann zu beachten, wenn es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt oder die Voraussetzungen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vorliegen. Dabei ist zu beachten, dass man bereits dann von vorformulierten Vertragsbedingungen auszugehen hat, wenn eine dreimalige Verwendung beabsichtigt ist – auf die tatsächliche Verwendung kommt es dabei nicht an (vgl. BGH 27.9.2001, VII ZR 388/00, NJW 2002, 138). Bereits die einmalige Verwendung eines Musters aus einem Formularbuch oder der Vordruck des Arbeitgeberverbands reichen für eine AGB-Kontrolle aus (vgl. BAG 1.3.2006 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746). Im Ergebnis gilt daher für alle Aufhebungsverträge die AGB-Kontrolle.
Oft wird versucht, dies zu umgehen, indem ein Zusatz im Aufhebungsvertrag aufgenommen wird, nachdem die einzelnen Klauseln individuell ausgehandelt wurden. Der Begriff „Aushandeln“ unterscheidet sich vom Wort „Verhandeln“ und setzt dabei voraus, dass der Arbeitgeber als Verwender dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin die Klauseln ernsthaft zur Disposition stellt und ihm damit die konkrete Möglichkeit einräumt, auf den Aufhebungsvertrag Einfluss zu nehmen (vgl. BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40).
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der Aufhebungsvertrag keine überraschenden Klauseln nach § 305c Abs. 1 BGB enthalten sollte. Daher ist bereits auf die optische Gestaltung des Aufhebungsvertrags zu achten. Die einzelnen Klauseln sollten mit ausreichendem Zeilenabstand und durch Absätze mit Gliederungsüberschriften deutlich getrennt werden (vgl. BAG 23.2.2006 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 443). Große praktische Bedeutung gewinnt dies bei den üblichen Erledigungs- und Abgeltungsklauseln, die i. d. R. einen umfassenden Verzicht auf weitere, nicht geregelte Ansprüche des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin bedeuten.
Auch dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kommt große Bedeutung zu. Es sollte insbesondere auf eine klare, unzweideutige Beschreibung der gegenseitigen Rechte und Pflichten geachtet werden. Maßgeblich ist dabei der Horizont eines „verständigen Arbeitnehmers“, wobei berufsspezifische Besonderheiten und das damit verbundene erforderliche Bildungsniveau des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin durchaus Unterschiede in der sprachlichen Ausgestaltung zulassen (vgl. BAG 10.1.2007 – 5 AZR 84/06, NZA 2007, 384 und BAG 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, NZA 2015, 231).
Rechtsfolge einzelner unwirksamer Klauseln ist nach § 306 Abs. 1 BGB die Teilnichtigkeit des Aufhebungsvertrags. Im Übrigen bleibt der Aufhebungsvertrag wirksam. Entsteht durch die unwirksame Klausel eine Vertragslücke, ist diese gemäß § 306 Abs. 2 BGB zu schließen. Hierbei kann sowohl auf das Gesetz als auch auf Richter- und Gewohnheitsrecht zurückgegriffen werden.
4. Gebot des fairen Verhandelns
Beim Verhandeln von Aufhebungsverträgen sollte auf jeden Fall eine jüngere Entscheidung des BAG beachtet werden: Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 7.2.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688 das Gebot des fairen Verhandelns hervorgehoben. Danach ist ein Aufhebungsvertrag unwirksam, wenn ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns im Sinne einer Nebenpflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 BGB vorliegt. Räumt der Arbeitgeber weder eine Bedenkzeit noch eine Rücktritts- oder Widerrufsmöglichkeit ein, reicht dies allerdings noch nicht für einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns aus. Es muss eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werden, die es dem anderen erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht, eine freie und überlegte Entscheidung zu treffen. Maßgeblich sind dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls. Rechtsfolge ist, dass das alte Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortgesetzt wird. Ein Neuabschluss ist also nicht notwendig.
Über die praktischen Folgen dieses BAG-Urteils wird in der Literatur durchaus kontrovers diskutiert, vgl. Fischinger, ArbRB Blog vom 11.8.2020. Es gäbe ja bereits die Möglichkeiten der Anfechtung eines Aufhebungsvertrags bzw. es gilt die Grenze der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB auch für Aufhebungsverträge. In der Praxis sollte auf alle Fälle verstärkt darauf geachtet werden, dass genügend Zeit für faire, sachlich konstruktive Verhandlungen eingeplant wird. Dem Arbeitnehmer, bzw. der Arbeitnehmerin sollte immer genügend Zeit eingeräumt werden, fachkundige Hilfe durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin in Anspruch zu nehmen, um sich über die Konsequenzen des Aufhebungsvertrags in Ruhe klar zu werden.
5. Auftragsumfang und Vergütung des Anwalts/der Anwältin
Oft möchte ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, dass erst gar kein Gerichtsverfahren eingeleitet wird und erteilt ein Mandat für die außergerichtliche Tätigkeit, mit dem Ziel, einvernehmlich einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Liegt bereits eine Kündigung vor, sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, dass für den Fall, dass es nicht gelingen sollte, bis zum Ablauf der Frist für die Kündigungsschutzklage einen Aufhebungsvertrag zu schließen, auf jeden Fall fristwahrend doch Klage beim Arbeitsgericht einzureichen ist. Anderenfalls würde ja die Kündigung wirksam und der Arbeitgeber ließe sich nicht mehr auf Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag ein. Der Mandatsumfang außergerichtlich mit oder ohne (bedingten) Klageauftrag sollte bereits im ersten Gespräch klar definiert werden. Denn davon hängt auch die Höhe der Vergütung nach dem RVG ab.
Tipp: Dokumentieren Sie durch eine Mandatsbestätigung den erteilten Auftragsumfang gegenüber dem Mandanten.
Oft unterscheiden sich die Vorstellungen des Mandanten/der Mandantin von der Auffassung der Rechtsschutzversicherung. Dies kann zu großen Problemen bei der Kostenübernahme führen und manchen Mandanten überraschen. Lautet der Auftrag, einen vorformulierten Aufhebungsvertrag des Arbeitgebers zu prüfen und evtl. Gegenvorschläge einzelner Klauseln zu unterbreiteten, betrachtet dies die RSV nicht als Eintritt des Versicherungsfalls und verweigert die Kostenübernahme. Allerdings sehen viele RSV-Verträge mittlerweile vor, dass pro Jahr ein gedeckelter Pauschalbetrag für die Prüfung eines Aufhebungsvertrags (meist zwischen 1.000 und 2.000 Euro je nach Tarif) zur Verfügung steht. Fragen Sie gezielt danach. Darüber hinausgehende Kosten hat dann der Mandant/die Mandantin über die vereinbarte Selbstbeteiligung hinaus zu tragen. Hierauf ist ausdrücklich hinzuweisen, will man unangenehme Diskussionen über die Vergütung oder gar Mahnungen wegen offenen Honorars vermeiden.
Liegt allerdings ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns vor, ergibt die AGB-Kontrolle unwirksame Klauseln oder liegt ein anderer gesetzlicher/vertraglicher Verstoß vor, dann ist von einer Pflichtverletzung auszugehen, die nach den ARB den Eintritt des Versicherungsfalls begründet – mit der Folge, dass die vollen Anwaltskosten für die außergerichtliche Vertretung zu übernehmen sind.
Scheitern allerdings die außergerichtlichen Verhandlungen und damit der Abschluss des Aufhebungsvertrags und es muss ein Klageverfahren eingeleitet werden, wird die RSV die anteiligen außergerichtlichen Kosten wegen Verletzung der versicherungsvertraglichen Schadensminderungspflicht nicht übernehmen – mit der Konsequenz, dass dies der Mandant selbst zu zahlen hat.
Tipp: Bei Mandatsannahme Sachverhalt durch gezieltes Fragen genau erfassen und dies in der Deckungsanfrage an die RSV erläutern, um die Deckungszusage zu erhalten.
Lesen Sie in Teil 2 der Artikelserie: Das Klausel-ABC – von A wie Abfindung bis E wie Erledigungsklausel
Lesen Sie in Teil 3 der Artikelserie: Das Klausel-ABC – von F wie Freistellung bis O wie Outplacementkosten