Güteverhandlung

Von Peter Schönberger

Die Güteverhandlung ist in § 278 ZPO für Zivilprozesse gesetzlich geregelt. Das Gericht ist angehalten, vor der mündlichen Verhandlung einen Einigungsversuch zu unternehmen. Ausnahmen hiervon bestehen nur dann, wenn ein Vergleichsversuch im Vorfeld vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden hat oder wenn nach dem Inhalt der Klage eine gütliche Einigung der Parteien erkennbar aussichtlos erscheint. Es geht hier also darum, einen Konflikt zwischen Parteien zu entschärfen, diese zu einem Vergleich zu bewegen, und damit ein langwieriges streitiges Verfahren gar nicht erst entstehen zu lassen.

Nachfolgend wird dieses spezielle Instrument der Streitschlichtung vor dem Hintergrund allgemeiner verhandlungstaktischer Grundsätze einmal näher beleuchtet – und zwar mit dem Ziel, dem oder der an der Güteverhandlung teilnehmenden Anwalt/Anwältin einige sinnvolle Tipps zur Fehlervermeidung und Erlangung eines besseren Ergebnisses an die Hand zu geben.

Mit wem verhandle ich eigentlich in der Güteverhandlung?

Wer sind eigentlich meine Verhandlungspartner in der Güteverhandlung? Ist es nur die Gegenseite? Nein keineswegs – verhandlungstaktisch betrachtet haben Sie zumindest drei Verhandlungspartner:

  • die gegnerische Partei
  • das Gericht
  • den eigenen Mandanten, bzw. die eigene Mandantin

Dass die gegnerische Partei der Hauptverhandlungspartner ist, liegt auf der Hand. Mit dieser soll ja schließlich ein Vergleich geschlossen werden.

Die anderen beiden Verhandlungspartner drängen sich nicht auf den ersten Blick auf. Tatsächlich ist jedoch auch das Gericht Verhandlungspartner, denn das Gericht leitet die Verhandlung und schafft durch seine erste unverbindliche Einschätzung zu den Erfolgsaussichten einer streitigen Verhandlung Drucksituationen für die eine oder die andere Partei, sich doch zügig zu einigen.

Schließlich muss auch der eigene Mandant bzw. die Mandatin als Verhandlungspartner betrachtet werden, denn ohne die Zustimmung des Mandanten oder der Mandantin gibt es schließlich keinen Vergleich.

Welche Interessen haben die Verhandlungspartner in der Güteverhandlung?

Von entscheidender Bedeutung für jeden Verhandlungserfolg ist es, nicht nur die – sich in der Regel aus den Schriftsätzen und Anträgen ergebenden – Positionen der Verhandlungspartner zu kennen, sondern sich auch Klarheit über deren Interessen zu verschaffen. Ohne zu wissen, was diese wirklich antreibt, wird es schwer werden, eigene Interessen durchzusetzen. Die jeweiligen Interessen differieren natürlich von Fall zu Fall, grundsätzlich wird man jedoch das Folgende bei einem überwiegenden Teil der Güteverhandlungen feststellen können:

Das Gericht

Das Gericht wird nahezu immer ein starkes Interesse daran haben, eine Hauptverhandlung zu vermeiden, denn diese bedeutet noch mehr Arbeit für die ohnehin ausgelasteten Gerichte. Ich werde als Anwalt oder Anwältin daher in der Güteverhandlung immer das Gericht auf meine Seite ziehen können, wenn ich eine aktive Rolle beim Gestalten einer gütlichen Einigung einnehme. Das Gericht wird mir dann sofort als Verstärkung aktiv zur Seite stehen und auf die Gegenseite Druck ausüben. Es ist daher dringend zu empfehlen, immer Einigungsbereitschaft zu signalisieren und an einer Einigung mitzuarbeiten, auch wenn man selbst kaum Raum für eine Einigung sieht.

Die Parteien

Das Interesse der Gegenpartei ist regelmäßig die Vermeidung einer Hauptverhandlung, wenngleich nicht um jeden Preis, ebenso wie das Interesse der eigenen Partei. Um nun beide Interessen als Anwalt bzw. Anwältin bedienen zu können, muss man diese nicht nur kennen, sondern auch hierüber sprechen. Was passiert, wenn man dies nicht tut, zeigt das schöne Beispiel der Mutter zweier Schwestern, die sich um die letzte Orange gestritten haben. Der Mutter wurde es zu bunt, sie schnitt die Orange in zwei Hälften und gab jedem Kind eine Hälfte. Beide Kinder waren mit der Lösung unzufrieden, denn das eine Kind wollte das Fruchtfleisch und das andere die Schale für einen Kuchen. Die Lösung wäre so einfach gewesen, hätte sich die Mutter angehört, was beide Kinder eigentlich mit der Orange beabsichtigt hatten.

Fragen Sie also Ihren Mandanten vor der Güteverhandlung, worum es ihm oder ihr denn wirklich geht. Eine Einigung kann sehr viel mehr beinhalten als eine Geldsumme. Es geht oft um Sicherheit, Wertschätzung oder das Vermeiden oder Schaffen von Präjudizen. In der Güteverhandlung sollten Sie diese Interessen ansprechen, die Gegenseite nach ihren Interessen fragen und dann nicht über Positionen, sondern über diese Interessen zu einer Einigung finden. Das Gericht haben Sie da sehr sicher auf Ihrer Seite.

„Quid pro Quo“

Uns Menschen ist das „Prinzip der Gegenseitigkeit“ zueigen. Seitdem der Mensch Handel betreibt, hat er gelernt, dass er etwas geben muss, um etwas zu bekommen. Wer gibt, ohne zu nehmen, der wirkt nicht etwa sympathisch, sondern erregt in erster Linie Misstrauen, da dies dem „Prinzip der Gegenseitigkeit“ schlicht widerspricht. Daraus folgt, dass ein Zugeständnis in der Verhandlung nahezu immer mit einer Forderung verbunden werden sollte. Es eignen sich hier sehr gut Wenn-Dann-Formulierungen. Auch das Gericht hat im Übrigen ein gutes Gedächtnis und wird sich für eine spätere Hauptverhandlung merken, was eine Partei ohne Gegenleistung hergegeben hätte. Diese dann in der Hauptverhandlung durchzusetzen, wird unter Umständen schwerer.

 

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Priorisierung als Teil der Vorbereitung

Um ein Zugeständnis machen zu können, sollte man natürlich wissen, welche Punkte überhaupt verhandelbar sind – und welche nicht. Vor größeren Verhandlungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten wird als zentraler Teil der Vorbereitung eine Priorisierung der Interessen über eine Farbskala durchgeführt. Rote Punkte sind „Dealbreaker“, gelbe Punkte sind Zugeständnisse, die unter Umständen machbar sind und grüne Punkte sind leicht zu machende Zugeständnisse.

Was ist die BATNA?

Um einschätzen zu können, wie nachgiebig man in der Güteverhandlung sein sollte, ist es von großer Bedeutung, sich die sog. BATNA (Best Alternative to a negotiated Agreement), also den Plan B genau anzusehen. Der Plan B wäre hier der Ausgang einer späteren Hauptverhandlung nebst Berufungsmöglichkeiten. Besprechen Sie unbedingt die BATNA in allen Einzelheiten (Zeit- und Kostenaufwand, Risiken, Chancen) mit Ihrem Mandanten. Auch dies wird oft unterlassen, da solche Gespräche unangenehm sein können und der finale Prozessausgang erstmal weit entfernt liegt.

Was ist für Anwälte und Anwältinnen machbar?

Natürlich kann man es sich als sehr beschäftigter Anwalt bzw. Anwältin nicht leisten, bei jeder noch so kleinen Güteverhandlung vorher zusammen mit dem Mandanten eine Prioritätenliste aufzustellen und jede weitere Entwicklung zu besprechen. Man sollte die Richtung jedoch im Kopf haben und vor der Güterverhandlung mit der Partei ausführlich über ihre Interessen und ihre Prioritäten, wie auch zumindest in Grundzügen die weitere Prognose, gesprochen haben.

Ich kenne viele Mandantenbeziehungen, in denen der Anwalt oder die Anwältin vor der Güteverhandlung kaum mit dem Mandanten kommuniziert hat und die ganze Güteverhandlung eher als lästige Durchgangsstation empfunden wurde. Genau diese Einstellung halte ich für falsch, denn die Güteverhandlung ist eine große Chance, ein Mandat effizient und klienten-freundlich abzuschließen. Da Anwälte und Anwältinnen im Wesentlichen von Empfehlungen leben, lohnt es sich, hier mehr Zeit zu investieren.

Der unsägliche „Vergleich auf Widerruf“

Verhandlungstaktisch ist ein Vergleich auf Widerruf möglichst zu vermeiden. Dieser wird oftmals geschlossen, wenn die Parteien nicht persönlich geladen sind. Ein Vergleich auf Widerruf hat – jedenfalls im Falle des dann erfolgten Widerrufs – folgende Nachteile:

  • Er zeigt, dass der Anwalt bzw. die Anwältin sich vorher nicht hinreichend mit dem Mandanten und dessen Interessen auseinandergesetzt hat.
  • Er zeigt, dass Anwalt bzw. Anwältin und Mandant nicht „mit einer Stimme“ sprechen.
  • Er verärgert das Gericht, welches den Fall schon als nahezu erledigt ansah.

Dies sind alles keine guten Voraussetzungen für eine spätere Hauptverhandlung.

Die fünf wichtigsten taktischen Regeln für die Güteverhandlung:

  • Seien Sie in der Güteverhandlung in jedem Fall vergleichsbereit und arbeiten Sie an einem Vergleich aktiv mit.
  • Sprechen Sie über die Interessen der Parteien und nicht nur über deren Positionen.
  • Machen Sie keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung.
  • Führen Sie vor der Verhandlung ein ausführliches Gespräch mit dem Mandanten über dessen Interessen, die Priorisierung und die weitere Prognose.
  • Schließen Sie möglichst keine Vergleiche auf Widerruf – zumindest dann nicht, wenn der Widerruf wahrscheinlich ist.
Weitere Beiträge

Peter Schönberger studierte Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Nach dem Staatsexamen arbeitete er einige Jahre als Repetitor für Zivilrecht und Gesellschaftsrecht sowie in einer internationalen Kanzlei. Herr Schönberger verhandelte viele Jahre internationale M&A Deals als Leiter einer Konzernrechtsabteilung und ist heute insbesondere im Gesundheitswesen als Personalberater und Coach für Führungskräfte tätig.

 

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